IT-Spezialisten dürfen ohne Deutschkenntnis kommen

Deutschland braucht IT-Fachkräfte. Die Bundesregierung senkt die Hürden bei der Einwanderung. Eine "Chancenkarte" kommt.

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Schild "Halt! Hier Grenze Bundesgrenzschutz"

(Bild: ChrisO CC BY-SA 3.0)

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Deutschland soll das modernste Einwanderungsrecht in Europa bekommen. Dafür hat die Bundesregierung am Mittwoch neue Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten beschlossen. Damit verknüpft sind Sonderregeln für IT-Fachkräfte: Sie müssen künftig keine Deutschkenntnisse mehr nachweisen, wenn der deutsche Arbeitgeber das nicht fordert.

Gleichzeitig wird das Mindestgehalt für einwandernde IT-Fachkräfte an das Niveau des abgesenkten Limits der "Blauen Karte" der EU in den Berufsfeldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und der Humanmedizin angepasst. Im sogenannten MINT-Bereich fehlen Deutschland rund 326.100 Fachkräfte.

Generell soll laut "Erfahrungssäule" der Zusammenfassung des Beschlusses künftig ein ausländischer Berufs- oder Hochschulabschluss und Berufserfahrung in einem angestrebten, nicht reglementierten Beruf für einen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit ausreichen. Die formale Anerkennung des ausländischen Berufsabschlusses wird in diesen Fällen nicht erforderlich sein. Jedoch ist eine Gehaltsschwelle einzuhalten oder es muss eine Tarifbindung vorliegen.

Alternativ besteht die Möglichkeit, dass Fachkräfte aus Drittstaaten erst nach Einreise die Anerkennung ihres ausländischen Berufsabschlusses einleiten und nebenher bereits eine qualifizierte Beschäftigung ausüben. Währenddessen sollen die Fachkräfte Deutsch lernen und sich beruflich etablieren.

Die neu vorgesehene "Potenzialsäule" richtet sich an qualifizierte Drittstaatsangehörige, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland haben. Mit einer "Chancenkarte" sollen sie einen Aufenthaltstitel für bis zu einem Jahr Arbeitssuche erhalten können, der bereits zu Probe- oder Nebenbeschäftigungen berechtigt. Ein Punktesystem stellt insbesondere auf Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter ab.

Die Regierung plant zudem, Kontingente für kurzzeitig befristete Beschäftigungen ohne Qualifikationsanforderung zu schaffen. Die Beschäftigten sollen durch Tarifverträge und Sozialversicherungspflicht vor Lohndrückerei geschützt werden.

Dritter Pfeiler ist die "Fachkräftesäule". Sie wird Menschen aus Drittstaaten mit einem deutschen oder hierzulande anerkannten Abschluss erlauben, in allen qualifizierten Beschäftigungen zu arbeiten. Ziel ist, mehr Fachkräften die Blaue Karte mit ihren günstigen Bedingungen schmackhaft zu machen. Zur Anwerbung bietet das Portal "Make it in Germany" seit 2012 eine eigene Jobbörse, die nun ausgebaut wird.

Darüber hinaus sollen mehr junge Menschen für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums kommen und bleiben. Helfen soll ein "Portal vernetzter Plattformservices", das Informationen zur Studienvorbereitung und -begleitung bündelt und Zugang zu Lehrangeboten deutscher Hochschulen bietet. Ein Brückenschlag zu ähnlichen Marketing- und Vernetzungsinitiativen im Ausland ist vorgesehen. Deutschkenntnisse will die Regierung mit mehr digitalen Kurs- und Prüfungsangeboten, insbesondere des Goethe-Instituts, voranbringen.

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Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse sollen vereinfacht und beschleunigt werden. Entsprechend den Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) müssen zum Jahreswechsel digitale Anträge möglich sein. Auch eine Beschleunigung der Visumverfahren ist geplant. Digitale Schnittstellen zwischen Visastellen im Ausland und beteiligten Inlandsbehörden werden so ausbaut, dass alle Ämter "jederzeit digital miteinander kommunizieren und auch größere Datenmengen austauschen können".

Bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte würden in den nächsten zehn bis 15 Jahren fehlen, warb Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für das Vorhaben. Ab 2025 gingen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Deutschland brauche "alle helfenden Hände und klugen Köpfe"; auch "an die inländischen Potenziale" und die Integration müsse die Politik "ganz massiv ran". Bisher dauere alles zu lange, weil qualifizierte Einwanderer "im Dickicht von deutscher Sozial- und Rechtsgebung ersticken", betonte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Wer das Vorhaben nicht befürworte, "unterstützt nicht die deutsche Wirtschaft".

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstrich: "Die Wirtschaft hat uns aufgefordert, ein modernes Einwanderungsgesetz vorzulegen." CDU-Chef Friedrich Merz warf dem Auswärtigem Amt am Vormittag vor, dass "Hunderte, wenn nicht Tausende" Fachkräfte auf ein Visum warteten, weil an Deutschlands Auslandsvertretungen Personal fehle.

Bereits im Oktober hat die Bundesregierung ihre neue Fachkräftestrategie beschlossen. Auch damit setzt sie – neben dem stärkeren Einbezug von Frauen und Älteren in den Arbeitsmarkt – auf Einwanderung ausländischer Fachkräfte. Die vorherige schwarz-rote Bundesregierung hat 2018 Eckpunkte zur Zuwanderung auf den Weg gebracht, mit einigen ähnlichen Ansätze, die aber nicht so weit gingen.

(ds)