Wie die EU Russland vor ein internationales Sondertribunal bringen will

Die EU hat noch nicht ausprobiert, wie Großmächte auf den Versuch internationaler Strafverfolgung reagieren. Die USA hatten es bereits klargestellt. Symbolbild: Gerd Altmann auf Pixabay (Public Domain)

Wegen russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine soll auf Initiative der G7 ein Sondergericht geschaffen werden. Moskau akzeptiert das nicht und erinnert daran, dass auch die USA sich internationalem Strafrecht verweigern.

In Deutschland drängten die Unionsparteien bereits Anfang November darauf – und auch Frankreich treibt die Installation eines Sondertribunals voran, um Russlands Verbrechen im Rahmen des Ukraine-Kriegs auf internationalem Niveau anzuklagen und nach Möglichkeit zu ahnden.

Am Dienstag trafen sich die Justizminister der G7-Staaten einschließlich Deutschlands und Frankreichs in Berlin mit ihrem ukrainischen Amtskollegen und versicherten der Ukraine ihre "unerschütterliche Solidarität". Die Strafverfolgung internationaler Verbrechen habe für die G7 höchste Priorität, heißt es in ihrer "Berliner Erklärung".

"Wir müssen dafür sorgen, dass diese Anstrengungen noch besser miteinander vernetzt werden", hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zum Auftakt erklärt.

Zur Seite springt dabei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die einen Sondergerichtshof unter Schirmherrschaft der UNO für das richtige Format hält, als spezielles Organ des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Dieser hat zum Thema bereits ermittelt – aufgrund einer Klage der Ukraine. Für das Tribunal will von der Leyen die Unterstützung möglichst vieler Staaten gewinnen.

Verfügbare Strafmasse ist das beschlagnahmte russische Vermögen

Die russische Reaktion auf diese Initiativen ist so hart, wie man sie bei einem solchen Vorschlag erwarten kann. Der ständige Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, Wasily Nebenzja, bezeichnete die Initiative als Versuch, die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte zu legitimieren und sich "hinter der UNO zu verstecken".

Tatsächlich ist ein angestrebtes Ziel des Tribunals, solche eingefrorenen Mittel in den Wiederaufbau der Ukraine nach der Zerstörung durch die russische Invasion umzuleiten – was nur bei einer echten internationalen Anerkennung über den Westen hinaus möglich ist.

Die "Verantwortlichen für diese Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen", wie es in der Forderung des französischen Außenministeriums zur Einrichtung des Tribunals heißt, dürfte darüber hinaus kaum praktisch möglich sein.

Geplanter Umweg wegen Russlands Vetorecht im Sicherheitsrat

Eine Einrichtung des Tribunals über den UNO-Sicherheitsrat ist dabei wegen des russischen Vetorechts dort unmöglich. Hochrangige EU-Beamte haben deswegen vorgeschlagen, von der UN-Generalversammlung die Einrichtung des Sondergerichts beschließen zu lassen, berichtet die Washington Post.

Einen solchen Weg unter Außerachtlassung des UN-Sicherheitsrats hält der Ständige Vertreter Russlands bei der UNO in Genf, Gennady Gatilow, für unmöglich. Er hält dessen Zustimmung, die Russland blockieren kann, bei der Einrichtung eines Tribunals unter Schirmherrschaft der UN für unumgänglich, sonst stünde deren Legitimität in Frage. Die Pläne der EU hält er für einen Ausfluss des "wahnsinnigen Kampfes des Westens gegen Russland".

Weitere harte Kritik an den Tribunal-Plänen der EU gab es in der Staatsduma, dem russischen Parlament. Der Vorsitzende des dortigen außenpolitischen Ausschusses, Leonid Sluzky, hält das Urteil eines solchen Tribunals für vorprogrammiert. Für ihn habe sich die Justiz im Westen "zu einem Instrument der politischen Ordnung Washingtons entwickelt". Ein Vorwurf, den man nach zahlreichen Verurteilungen russischer Oppositioneller auch Russlands Justiz wegen ihrer fehlenden Unabhängigkeit von der Politik macht.

Russland weist auf US-Haltung zu internationalem Strafrecht hin

Ein anderer Einwand Sluzkys klingt stichhaltiger. Er fordert angesichts früherer Interventionen der USA etwa im Irak, El Salvador oder Afghanistan auch gegen die Vereinigten Staaten ein solches Tribunal zu installieren, um dort begangene Kriegsverbrechen zu untersuchen.

Dieser Seitenhieb ist zielgerichtet, da die USA den Internationalen Strafgerichtshof in der Tat selbst nicht anerkennen. Der Grund dafür ist, nicht selbst für Kriegsverbrechen etwa im Irak zur Verantwortung gezogen werden zu können. Wie t-online schreibt, ist man von Seiten der US-Regierung bemüht, über Abkommen mit anderen Staaten US-Bürger vor der Strafverfolgung in Den Haag sogar zu schützen.

Neben den USA und China erkennt auch Russland den Internationalen Strafgerichtshof nicht an, so dass Sluzkys US-Kritik sich aus russischer Sicht ebenfalls auf dünnem Eis bewegt. Im Gegensatz dazu gehören Frankreich, Deutschland und die gesamte EU zu den Vertragsparteien, die das Gericht durch Ratifizierung eines entsprechenden Vertrags anerkennen.

Deshalb sind sie es, die von Seiten des Westens, der die Ukraine offen unterstützt, die Einrichtung vorantreibt. Neben den Europäern erkennen alle Staaten Südamerikas, Australien, Kanada und ein Teil der afrikanischen Länder den Internationalen Strafgerichtshof an - China oder arabische Staaten nicht.

Nach einem Urteilsspruch gegen Russland, der angesichts des einseitigen Angriffskriegs wahrscheinlich ist, könnten sich die europäischen Regierungen dann bei der Umleitung russischen Vermögens bequem auf eine Umsetzung internationalen Rechts zurückziehen.

Über die fehlende Beteiligung des großen Verbündeten jenseits des Atlantiks am betreffenden internationalen Strafrecht könnten sie dann weiterhin großzügig hinwegsehen. Staaten, die von den USA überfallen werden, bleibt damit der Weg zu einer Entschädigung verwehrt.

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