OECD-Studie zur Pandemie: Lebenserwartung in der EU um ein Jahr gesunken

Die Coronapandemie wirkte sich erheblich auf die körperliche und psychische Gesundheit aus und brachte in vielen EU-Ländern das Gesundheitssystems an die Grenzen. Deutschland kam im Vergleich gut durch die Krise.

Die Lebenserwartung in den Ländern der Europäischen Union ist gesunken. Das geht aus der Studie "Health at a Glance: Europe 2022" hervor, die am Montag von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorgestellt wurde. Als Ursache wird die Coronapandemie angegeben.

Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie sterben die EU-Bürger ein Jahr früher. Für die meisten Länder ist das der höchste Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Pandemie hatte aber darüber hinaus Einfluss auf das Leben und die Gesundheit der Menschen sowie auf das Funktionieren der Gesundheitssysteme.

Letztere waren überall stark strapaziert, wobei Deutschland, Österreich und die Schweiz die Versorgung weit weniger einschränken musste als andere europäische Länder. Die OECD bescheinigt allen drei Ländern, über überdurchschnittlich viel Personal verfügt zu haben. In Deutschland und Österreich sollen außerdem überdurchschnittlich hohe Krankenhauskapazitäten vorhanden gewesen sein, was der Versorgung zugutekam.

Wer sich allerdings an die Berichte in den letzten zweieinhalb Jahren erinnern kann, mag daran nicht recht glauben. Es wurde in dieser Zeit immer wieder kolportiert, dass Krankenpfleger chronisch überlastet seien und zu Tausenden den Beruf verlassen würden. Wenn die Situation während der Pandemie in Deutschland schon als katastrophal wahrgenommen wurde, dann lässt das erahnen, wie die Situation in anderen EU-Ländern gewesen sein muss.

Als Beleg führt die OECD an, dass etwa die Zahl der Hüftoperationen im ersten Jahr der Pandemie in der Schweiz nur um zwei Prozent abgenommen habe. In der Bundesrepublik fanden sieben Prozent weniger Operationen statt und in Österreich zehn Prozent. Im Schnitt der EU-Länder gingen sie dagegen um 14 Prozent zurück.

Ähnlich bei den Operationen am Knie: In der Schweiz sank ihre Zahl um ein Prozent zurück, in Deutschland um elf Prozent und in Österreich um 21 Prozent. Im EU-Schnitt betrug der Rückgang dagegen 24 Prozent.

Die Pandemie hatte aber nicht nur Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit, sondern wirkte sich auch auf die Psyche aus, primär bei jungen Menschen.

In mehreren europäischen Ländern, darunter Belgien, Estland, Frankreich, Schweden und Norwegen, verdoppelte sich bis Frühjahr/Sommer 2021 der Anteil junger Menschen, die von Symptomen einer Depression berichteten im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Pandemie. Die Nachfrage nach psychosozialer Unterstützung stieg so stark – bei gleichzeitigen pandemiebedingten Versorgungsunterbrechungen – dass die psychosozialen Dienste an ihre Grenzen stießen.

OECD

Vor der Pandemie wiesen in Deutschland knapp 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren Angstsymptome auf. Laut OECD stieg ihr Anteil zum Jahreswechsel 2020/21 auf 30 Prozent.

Unter den Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren in Österreich zeigten demnach 41 Prozent Symptome einer Depression.

Besonders betroffen waren junge Menschen, die in finanziell schwierigen Verhältnissen lebten. In der Pandemie waren sie weitaus öfter von einer Depression als Menschen aus Haushalten ohne finanzielle Schwierigkeiten. In Deutschland lag ihr Anteil bei 75 Prozent, während von den 18- bis 29-Jährigen ohne finanzielle Probleme "nur" 56 Prozent Anzeichen von Depressionen aufwiesen.

Besonders sichtbar wurden die Probleme in der Pandemie durch schlechte Essgewohnheiten und wenig körperlicher Aktivität – unter Kinder und Jugendlichen nahm die Zahl der Übergewichtigen zumindest vorübergehend zu.

In Deutschland stieg der Hang zur Fettleibigkeit in den ersten drei Monaten der Pandemie nur leicht an, unter den Zwölf- bis 18-Jährigen von 13,2 Prozent auf 14,6 Prozent. In Österreich stieg der Anteil der übergewichtigen oder fettleibigen Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren von 20,7 Prozent im September 2019 auf 26,2 Prozent im März 2021.

Um besser für künftige Krisen gerüstet zu sein, empfiehlt die OECD, dass stärker in das Gesundheitspersonal, in die Digitalisierung des Gesundheitswesens sowie in bessere Prävention investiert wird.

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