Recht auf Vergessen: Keine Mitwirkungspflicht für Google bei Wahrheitsprüfung

Die DSGVO gibt Nutzern das Recht, Suchmaschineneinträge zur eigenen Person löschen zu lassen. Der EuGH hatte zu klären, welche Rolle der Wahrheitsgehalt hat.

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(Bild: Ascannio/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Will man Google zur Auslistung von Suchtreffern bewegen, die zu Falschangaben über die eigene Person führen, sollte man seinem Ersuchen stichhaltige Informationen beilegen. Zwar müssen etwaige "Fakes" nicht schon gerichtlich festgestellt sein, aber wenn solch ein Nachweis fehlt, muss Google nicht zwangsläufig auslisten. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in einem weiteren Verfahren zu den komplizierten Fragen rund ums "Rechts auf Vergessen" entschieden (C460/20).

Geklagt hatten ein Geschäftsführer mehrerer Finanzdienstleistungsunternehmen und die Prokuristin eines dieser Unternehmen, weil Google der Auslistung kritischer Berichte eines in New York ansässigen Portals über die Firmen nicht stattgegeben hatte. Die fraglichen Berichte seien falsch und das Portal habe übrigens versucht, sie zu erpressen, so die Klage.

Die Kläger scheiterten in zwei Instanzen und wandten sich 2018 an den Bundesgerichtshof. Der legte seinerseits 2020 dem EuGH die Frage, inwieweit die Kläger ihre Darstellung der Unwahrheit nur gerichtlich nachweisen können.

Die von der Großen Kammer jetzt verkündigte Entscheidung beschied: Wer Google zum Auslisten von seiner Meinung nach falschen Informationen nach Artikel 17 der DSGVO (Recht auf Vergessen) in Anspruch nimmt, muss nachweisen, dass es sich um Falschinformationen handelt. Es muss aber nicht gleich eine einstweilige Verfügung sein, um den Nachweis zu führen, so der Gerichtshof. Das wäre eine übermäßige Belastung des Einzelnen, schrieben die Richter in ihrer Antwort an den BGH.

Natürlich erleichtert ein gerichtlicher Titel die Sache. Google muss dann auf jeden Fall auslisten, befand das Gericht. Der dem Persönlichkeitsrecht entgegenstehende Anspruch der Öffentlichkeit auf freien Informationszugang falle dann nämlich in sich zusammen. Es gibt kein Recht auf Falsch-Information.

Spannend wird es andererseits, wenn der Betroffene wie im vorliegenden Fall ohne Gerichtsbescheid bei Google anklopft. Bei Nichtvorliegen einer solchen gerichtlichen Entscheidung ist der Betreiber der Suchmaschine nicht verpflichtet, einem solchen Auslistungsantrag stattzugeben, "wenn sich aus den von der betroffenen Person vorgelegten Nachweisen nicht offensichtlich ergibt, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen unrichtig sind". Das liegt dann wohl erst einmal wieder im Ermessen des Suchmaschinenbetreibers.

Im Streitfall müsste den Betroffenen allerdings wiederum der Weg zu Gericht offenstehen, um die Ermessensentscheidung im Hause Google überprüfen zu lassen.

In weiten Teilen folgte die Kammer den Schlussanträgen des Generalanwalts vom April. Ganz anders aber beurteilten die Richter Googles Pflicht zur Mitwirkung bei der Wahrheitsfindung. Hatte Generalanwalt Giovanni Pitruzzella den Vorschlag unterbreitet, Google solle mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln die erbrachten Nachweise überprüfen und, vor allem, "rasch ein Streitgespräch mit dem Herausgeber der Webseite, der die Information ursprünglich verbreitet hat, veranlassen", geht das Urteil nicht von einer Mitwirkungspflicht aus.

Ein derartiger "procedural due data process" wäre für den Suchmaschinenbetreiber zu aufwendig und könnte, so führte der EuGH aus, zur Neigung führen, schneller auszulisten. Wie die Bewertung der von den Antragstellern beigebrachten Nachweise in der Praxis funktionieren wird, muss sich noch zeigen.

Mit vorgelegt hatte der BGH schließlich auch noch die Frage, ob Google Thumbnails mit Bildern der Kläger auslisten muss, die im Zusammenhang mit dem Artikel veröffentlicht worden waren.

Die EuGH Richter anerkannten dabei, dass Vorschaubilder mit persönlichen Fotos "einen besonders starken Eingriff" ins Persönlichkeitsrecht darstellen. Der Suchmaschinenbetreiber müsse daher unabhängig vom Text prüfen, "ob die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben".

Würde die Auslistung der Artikel bejaht, müssten aber auf jeden Fall auch die Thumbnails gelöscht werden. Würde man die Artikel über die Finanzdienstleistungsprodukte der Kläger als wichtigen Beitrag zur Information der Öffentlichkeit beurteilen, kommt es wohl darauf an, welchen Beitrag die Fotos zur Information der Öffentlichkeit darstellen.

Das letzte Wort spricht nun der BGH, der sich allenfalls bei weiterem Klärungsbedarf nochmals an den EuGH wenden könnte. Weitere Rechtsmittel stehen den beiden Klägern danach dem nicht mehr offen.

(mho)