Nach Hause telefonieren: 40 Jahre "E.T. – Der Außerirdische"

Am 9. Dezember 1982 startet "E.T." in den westdeutschen Kinos. Der Film über Freundschaft wird auf Anhieb ein Erfolg und über Jahre der erfolgreichste Film.

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Markenzeichen des Films E.T. und Logo der Produktionsfirma von Spielberg, Amblin Entertainment.

(Bild: Universal Pictures)

Lesezeit: 27 Min.
Von
  • René Meyer
Inhaltsverzeichnis

Wohl jeder kann sich daran erinnern, wann und wo er "E.T." zum ersten Mal gesehen hat. Wenn man ungefähr so alt ist wie Elliott, elf Jahre, wird man mitgerissen. Ist man um einiges jünger, gruselt man sich vielleicht. Vor allem am Anfang. Mit 17 ist man womöglich schon zu alt, um sich verzaubern zu lassen. Ist ja eigentlich ein Kinderfilm. "E.T." hätte auch leicht ins Auge gehen können. Wie etwa "Das schwarze Loch", den Disney ein paar Jahre früher als Antwort auf "Krieg der Sterne" baut.

Was vielleicht zum Erfolg beiträgt: Spielberg will gar keinen aufwendigen Reißer drehen. Wohl stellt Hollywoods Wunderkind 1975 mit "Der weiße Hai" die Filmwelt auf den Kopf. Verleiht dem Begriff Blockbuster seine heutige Bedeutung (ein Film, der so beliebt ist, dass sich vor den Kinos Schlangen in der Länge von Häuserblöcken bilden). Veröffentlicht 1977 mit "Unheimliche Begegnung der dritten Art" den zweiterfolgreichsten Film des Jahres (nach "Star Wars", natürlich). Und 1981 zusammen mit seinem Freund George Lucas den mit Abstand erfolgreichsten Film des Jahres. "Jäger des verlorenen Schatzes", der zugleich den Abenteuerfilm neu erfindet.

Doch all das zehrt an den Nerven. Große Filme bedeuten große Probleme. Etwa aufreibende Drehs auf dem Wasser, mit einem künstlichen Hai, der nicht so funktioniert, wie er soll (weswegen man ihn am Anfang kaum sieht). Dreharbeiten in exotischen Ländern wie Tunesien (wo sich Harrison Ford Durchfall einfängt und sich eine lange Schwertkampf-Szene erspart, indem er den Bösewicht einfach erschießt). Kein Privatleben, worunter seine sowieso schon komplizierte Beziehung mit Amy Irving leidet. Und die Sorge, ob sich 20 Millionen Dollar Kosten wieder einspielen.

Diesmal soll es ein viel kleinerer Film werden. Weniger Budget, weniger Spezialeffekte. Noch heute ist "E.T." Spielbergs persönlichster Film. Was er lange nicht offen ausspricht: Vor allem verarbeitet er darin die schmerzliche Trennung seiner Eltern. In "E.T." dreht sich alles um eine Mutter mit ihren drei Kindern, die vom Ehemann und Vater verlassen werden. Und wie es einem Fremden gelingt, diese Lücke zu füllen. Für Spielberg ist "E.T." kein Science Fiction, sondern eine Geschichte über eine Familie.

Die Entstehungsgeschichte von "E.T." ist kompliziert und zieht sich über Jahre. Kaum ein anderes Filmvorhaben ändert so oft seinen Namen.

Columbia drängt Spielberg zu einem Nachfolger von "Unheimliche Begegnung der dritten Art". Darauf hat er eigentlich keine Lust. Noch weniger Lust hat er aber, dass das Studio ohne ihn eine Fortsetzung produziert, wie es bei "Der weiße Hai" geschieht. Er arbeitet am Konzept für einen Film, der zunächst den Arbeitstitel "Watch the Skies" bekommt (der zuvor ein Arbeitstitel für "Unheimliche Begegnung" ist). Vergleichbar als Mischung aus "Signs – Zeichen" und "Die Gremlins", geht es um eine Farmer-Familie, die von bösen Außerirdischen attackiert wird. Er beaufragt John Sayles, den Autor von Filmen wie "Piranhas", ein Drehbuch zu schreiben. Da der Name "Watch the Skies" schon belegt ist, ändert sich der Titel in "Night Skies". Die Vorarbeiten sind schon weit fortgeschritten, es gibt jede Menge Skizzen und Alien-Modelle; doch aus dem Projekt wird nichts. Spielberg will keine bösen Außerirdischen, während das Studio keine Erfolgsaussichten sieht. Zumal man mit "Starman", der 1984 mit Jeff Bridges erscheint, bereits an einer ähnlichen Idee arbeitet.

Ein weiterer Ideen-Strang geht zurück ins Jahr 1976. Als beim Drehen von "Unheimliche Begegnung der dritten Art" am Ende der kleine Außerirdische (den die Crew den Spitznamen Puck gibt) zurück in sein Mutterschiff steigt, fragt sich Spielberg: Was wäre, wenn er auf der Erde bliebe? Wie eine Art Austausch-Student? Gleichzeitig arbeitet er bereits an der Idee eines Films über Scheidung. Und was sie aus Kindern macht. Spielbergs Eltern trennen sich, als er 15/16 Jahre alt ist; eine Phase, die er nie überwinden kann. Irgendwie verschmelzen beide Projekte.

Zu dieser Zeit dreht Spielberg in Tunesien "Indiana Jones"; und er tauscht sich mit Melissa Mathison aus, der Freundin und späteren Ehefrau von Harrison Ford. Sie kommt als Babysitterin der Familie von Francis Ford Coppola früh mit Film in Berührung. Der Regisseur von "Apocalypse Now" und "Der Pate" ist später ihr Mentor, Arbeitgeber und zeitweise ihr Geliebter. Bei "Der Pate II" ist sie Coppolas Assistentin; bei "Der schwarze Hengst" darf sie das Drehbuch schreiben. Während des Drehs von "Apocalypse Now" lernt sie Harrison Ford kennen; die beiden heiraten 1983 und bleiben 20 Jahre zusammen.

40 Jahre "E.T. – Der Außerirdische" (55 Bilder)

(Bild: Universal Pictures)

Spielberg gewinnt sie dafür, ein Drehbuch zu schreiben. Die beiden arbeiten viele Stunden zusammen und tauschen Ideen aus, und zwei Monate nach Tunesien hat sie den ersten Entwurf fertig. Spielberg ist begeistert: Wenn es nach ihm ginge, könnte man am nächsten Tag mit den Aufnahmen beginnen.

Doch zunächst braucht man ein Studio. Da Columbia keinen "Disney-Film" will, geht das Projekt gegen eine Zahlung von einer Million Dollar für die bisherigen Auslagen und eine Beteiligung von 5 Prozent an den Einspielergebnissen des geplanten Films an Universal. Die sind vorsichtig begeistert; einerseits weil sie Spielberg zurückhaben wollen, andererseits weil sie in dem geplanten Kinderfilm ebenfalls keinen großen Erfolg sehen und Spielberg sie Jahre zuvor bei "Der weiße Hai" massiv Zeit und Nerven kostet (und die Kosten von 4 auf 12 Millionen Dollar steigen). Er erhält ein Budget von 9,5 Millionen Dollar, halb soviel wie für seine vorherigen Filme; für eine etwaige Überschreitung muss er selbst aufkommen.