Mikroroboter wechseln gezielt zwischen fester und flüssiger Gestalt

Inspiriert vom sich verflüssigenden T-1000 aus "Terminator 2" hat ein Forschungsteam einen Mikroroboter entwickelt, der seinen Aggregatzustand ändern kann.

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(Bild: Wang and Pang et. al.)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Es ist gut dreißig Jahre her, dass James Cameron in dem Film "Terminator 2" sein Publikum mit einem Roboter aus Flüssigkristallen erschreckte, der seinen Aggregatzustand und damit auch seine Gestalt beliebig wechseln konnte. Selbst stählerne Gitter konnten die Killermaschine nicht aufhalten: Sie schmolz sich einfach hindurch. Einem chinesisch-amerikanischen Forschungsteam ist dieser Trick jetzt in der Realität geglückt.

Allerdings ist der Roboter, den die von Lelun Jiang (Sun Yat-sen University, Shenzhen) und Carmel Majidi (Carnegie Mellon University, Pittsburgh) geleitete Forschungsgruppe jetzt in der Zeitschrift Matter vorgestellt hat, erheblich kleiner: Der entfernt menschenähnliche Knirps, der in einem Video auf Terminator-Art aus einem Käfig entkommt, ist nur wenige Millimeter groß. Es scheinen bei dem Fluchtversuch auch einige Tropfen Körpermasse verloren zu gehen. Aber immerhin: Nach gut acht Minuten (das Video zeigt den Prozess im Zeitraffer) hat er vor dem Käfig wieder seine Gestalt angenommen.

Die Wandelbarkeit verdankt die Mikromaschine magnetischen Partikeln aus Neodym, Eisen und Bor, die in Gallium eingebettet sind. Über ein externes Magnetfeld lassen sich die so präparierten Objekte zum einen in beliebige Richtungen bewegen, zum anderen aber auch durch raschen Wechsel der Polarität des Feldes erwärmen. Da Gallium bereits bei knapp 30 Grad Celsius schmilzt, lässt sich die Maschine auf diese Weise verflüssigen.

Bei der Wiederherstellung der ursprünglichen Gestalt nach der Flucht aus dem Käfig haben die Forscher zwar auf einen Trick zurückgegriffen, indem sie das flüssige Metall in eine bereit liegende Gussform lenkten. Der Terminator aus Flüssigkristall sei eine wichtige Inspiration für ihre Forschungen gewesen, erklärte Majidi gegenüber dem Technik-Magazin Motherboard – womit das Video wohl in erster Linie als Hommage an den Ideengeber zu verstehen ist, nicht als Beispiel für eine realistische Anwendung.

Nutzlos ist die Technologie deswegen aber noch lange nicht. Die Forscher betonen, dass die Möglichkeit des Wechselns zwischen festem und flüssigem Aggregatzustand die Vorteile beider Zustände kombiniert: Während die flüssige Mikromaschine sich gut an beliebige Umgebungen anpassen kann, zeichnet sie sich im festen Zustand durch große Beweglichkeit und hohe Traglast aus. Auf diese Weise ließe sie sich etwa gezielt an schadhafte Stellen auf Leiterplatten navigieren, wo sie zum Schmelzen gebracht wird, sodass unterbrochene Verbindungen neu verlötet oder neue Bauelemente eingefügt werden können.

Eine weitere Anwendung, die im Rahmen dieser Studie erprobt wurde, sieht die Nutzung als "Universalschraube" vor: Dabei füllt die flüssige Masse die vorhandenen Bohrlöcher und hält nach dem Erkalten die Bauteile zusammen. Zwei Kunststoffplatten, die im Experiment auf diese Weise miteinander verbunden wurden, hielten anschließend eine Last von 10 Kilogramm. Die Tragkraft einer 6-mm-Universalschraube beziffern die Autoren der Studie mit 30 Kilogramm.

Je nach Anwendungsumgebung ließen sich neben Gallium auch andere Materialien mit unterschiedlichen Schmelzpunkten verwenden, schreiben die Forscher. Um Objekte aus dem menschlichen Körper zu entfernen oder Medikamente gezielt an bestimmten Stellen freizusetzen, könnte etwa eine Legierung aus Gallium, Indium, Wismut und Zinn genutzt werden, die bei 45,6 Grad Celsius, also knapp über der menschlichen Körpertemperatur schmilzt.

Zur Erprobung der prinzipiellen Machbarkeit haben sie aber zunächst mit Gallium in einem mit Wasser gefüllten Modell des menschlichen Magens gearbeitet. Auch diese Experimente hätten ein großes Potenzial der Technologie für medizinische Anwendungen gezeigt. Gleichwohl seien natürlich noch weitere Forschungen nötig, bevor solche wandelbaren Mikroroboter in menschlichen Körpern mit ihrer Aufräumarbeit beginnen können.

(axk)