WTF

Haftandrohung wegen Knöllchen-KI: Robo-Anwalt muss vor Gericht draußen bleiben

Ein New Yorker Start-Up wollte eine KI als Anwalt in Gerichtsprozesse schicken. Doch beinahe benötigten die Entwickler deshalb jetzt selbst einen Verteidiger.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 77 Kommentare lesen

(Bild: Wirestock Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 2 Min.

"Verklagen Sie jeden", verspricht die Internetseite des New Yorker Start-ups DoNotPay. Der Brite Joshua Browder hat die offensichtliche Leidenschaft der US-Amerikaner, sich vor Gerichten auseinanderzusetzen, als Geschäftsmodell auserkoren. Schon kurz nach seiner Ankunft in den Staaten kassierte er erste Knöllchen, die er als ungerechtfertigt empfand, und zog dagegen vor Gericht. Das gab den Impuls zu seinem Unternehmen, erinnert er sich in einem Werbevideo. Was ein Anwalt kann, kann eine KI schon lange, dachte er sich offenbar und brachte zuerst eine Website und dann eine App heraus, die in einer Vielzahl von Fällen – vornehmlich Lappalien wie Abokündigungen – die Klageführer unterstützen.

WTF

Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Jetzt wollte Browder die nächste Stufe zünden, berichtet das US-amerikanische National Public Radio, und machte sich damit gefährliche Feinde. Die Idee: Der Kläger gegen ein Knöllchen sollte im Gerichtssaal eine smarte Brille tragen, die per Worterkennung den Verlauf der Gerichtsverhandlung erfassen und dem Kläger dank künstlicher Intelligenz passende Antworten ins Ohr flüstern sollte.

Die Text-KI ChatGPT und DaVinci sollten vor "Euer Ehren" selbst zu großen Ehren kommen. Für den 22. Februar war die Premiere vor einem Gericht in Kalifornien angesetzt. Browder argumentiert, dass sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten längst nicht jeder einen Anwalt leisten könne. Seine App und die KI seien eine günstigere Alternative.

Doch der Brite hatte die Rechnung nicht mit den Anwaltskammern gemacht. Die brauchen nämlich keine KI zum Verklagen und erst recht wollen sie selbst nicht durch Klage-Roboter ersetzt werden. Also drohten sie Browder mit Klagen. Die Knöllchen-KI sei nämlich in einigen US-Bundesstaaten eine unerlaubte Ausübung des Rechtsanwaltsberufs. Darauf stünden Haftstrafen von bis zu sechs Monaten.

Lesen Sie auch

Auf diese Drohungen wusste die App von DoNotPay offenbar auch keine Antwort. Browder hat den Gang seiner KI vor Gericht dann vorerst einmal abgesagt, um potenziellem Ärger aus dem Weg zu gehen. Spötter sagen, dass der Klageroboter von Anfang an nichts anderes als ein PR-Gag gewesen sei. Schließlich wären da immer noch die Vorschriften vieler Gerichte gewesen, die keine audiovisuellen Aufzeichnungen der Prozesse zulassen. Hier gilt also ohnehin: KIs müssen draußen bleiben. Gerichtsprozesse machen Menschen vorerst weiter unter sich aus.

(mki)