Wels mit Alligator-Gen: Gentechnik CRISPR soll die Fische resistenter machen

Das in den Wels eingebrachte Erbgut soll die Überlebensrate "um das Zwei- bis Fünffache" erhöhen, so die Forscher. Doch die Marktzulassung könnte noch dauern.

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In seiner genetisch unveränderten Form: Ictalurus punctatus, besser bekannt als Getüpfelter Gabelwels.

(Bild: Ryan Somma / cc by-sa 2.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou

In den USA werden jedes Jahr Millionen von Fischen gezüchtet. Viele von ihnen sterben an Infektionen. Theoretisch könnte man die Fische durch gentechnische Veränderungen vor vielen Krankheiten schützen. Das würde Abfall reduzieren und die negativen Umweltauswirkungen der Fischzucht verringern. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern arbeitet genau daran – und hat nun mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 ein Alligator-Gen in das Genom von Welsen (Ictalurus punctatus, Getüpfelter Gabelwels) eingefügt.

Im Jahr 2021 produzierten Welsfarmen in den USA rund 139 Millionen Kilogramm des Speisefisches. "Pro Pfund sind 60 bis 70 Prozent der US-Aquakultur auf die Welsproduktion zurückzuführen", sagt Rex Dunham, der an der Auburn University in Alabama an der genetischen Verbesserung von Welsen arbeitet. Doch die Welszucht ist ein guter Nährboden für Infektionen. Von der Zeit der Eiablage bis zum "Fang" sterben weltweit etwa 40 Prozent der Tiere an verschiedenen Krankheiten, sagt Dunham.

Das Alligator-Gen, das Dunham bei seinen Forschungen als mögliche Lösung für das Problem entdeckte, kodiert für ein Protein namens Cathelicidin. Das Protein sei antimikrobiell, sagt Dunham, und man nehme an, dass es dazu beiträgt, Alligatoren vor Infektionen in den Wunden zu schützen, die sie sich bei ihren aggressiven Kämpfen untereinander zuziehen. Dunham fragte sich, ob Tiere, denen das Gen künstlich in ihr Genom eingefügt wurde, widerstandsfähiger gegen Krankheiten sein könnten.

Der Genforscher und seine Kollegen wollten noch einen Schritt weiter gehen und sicherstellen, dass sich die entstandenen sogenannten transgenen Fische nicht fortpflanzen können. Denn gentechnisch veränderte Tiere können in freier Wildbahn großen Schaden anrichten, wenn sie aus Zuchtbetrieben entkommen und ihre wilden Artgenossen um Nahrung und Lebensraum verdrängen.

Dunham, Baofeng Su (ebenfalls an der Auburn University) und ihre Kollegen setzten das Gen-Editing-Tool CRISPR ein, um das Alligator-Gen für Cathelicidin in den Teil des Genoms der Fische einzufügen, der für die Produktion wichtiger Fortpflanzungshormone verantwortlich ist. Man wollte versuchen, "zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen", so Dunham. Ohne das Hormon können die Fische nicht laichen.

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Die daraus resultierenden Fische scheinen tatsächlich widerstandsfähiger gegen Infektionen zu sein. Als die Forscher zwei verschiedene Arten von krankheitsverursachenden Bakterien in Wassertanks setzten, stellten sie fest, dass die gentechnisch veränderten Fische mit höherer Wahrscheinlichkeit überlebten als ihre Artgenossen, bei denen das Genom-Editing nicht durchgeführt worden war. "Je nach Art der Infektion war die Überlebensrate der transgenen Cathelicidin-Fische um das Zwei- bis Fünffache höher", sagt Dunham.

Die transgenen Fische sind außerdem wie erhofft steril und können sich nicht fortpflanzen, es sei denn, ihnen werden nachträglich Fortpflanzungshormone injiziert, so die Forscher, die ihre Ergebnisse online auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlichten. Die Studie wurde noch nicht von unabhängigen Fachkollegen begutachtet.

"Als ich das erste Mal von der Studie hörte, dachte ich: Was um alles in der Welt? Warum sollte man so etwas tun?", sagt Greg Lutz von der Louisiana State University, der sich mit der Rolle der Genetik in der Aquakultur beschäftigt. Inzwischen ist Lutz aber der Meinung, dass die Arbeit vielversprechend ist: Resistenz könne große Auswirkungen auf die Abfallmenge haben, die in Fischfarmen anfällt, und die Verringerung dieser Abfälle sei seit Langem ein Ziel des Genom-Editings bei Zuchttieren, sagt er.

Die Zucht von Fischen, die gegen Krankheiten resistent sind, erfordere weniger Ressourcen und produziere insgesamt weniger Abfall, sagt Lutz. Obwohl er der Forschung positiv gegenübersteht, ist er allerdings nicht davon überzeugt, dass die CRISPR-Welse die Zukunft der Aquakultur darstellen. Das vom Team angewandte Genom-Editing-Verfahren sei vergleichsweise aufwendig und es müsste wahrscheinlich bei jeder Laichrunde der in der Fischzucht verwendeten Hybridwelse durchgeführt werden. "Es ist einfach zu schwierig, genug von diesen Fischen zu produzieren, um eine lebensfähige, genetisch gesunde Linie auf den Weg zu bringen", sagt er.

Die Forschenden der Auburn University hoffen derweil, dass ihr transgener Wels zugelassen wird, damit er verkauft und gegessen werden kann. Das könnte allerdings noch dauern. Nur eine andere Art von gentechnisch verändertem Fisch hat in den USA bislang eine Zulassung erhalten: Im April vergangenen Jahres erlaubte die Food and Drug Administration (FDA) dem AquAdvantage-Lachs den Verkauf – stolze 26 Jahre nachdem das Unternehmen AquaBounty den ersten Antrag gestellt hatte. Die Lachse haben ein zusätzliches Gen, das aus dem Genom einer anderen Lachsart entnommen wurde und sie viel größer werden lässt, als sie es sonst würden.

Aber mal angenommen, die Welse werden schließlich für den Verkauf zugelassen. Würde sie überhaupt jemand essen? Su und Dunham glauben ja. Sobald der Fisch gekocht wird, verliere das vom Alligator-Gen hergestellte Protein seine biologische Aktivität, sodass es wahrscheinlich keine Folgen für den Menschen hat, der den Fisch isst, sagt Su. "Also ich würde es sofort essen", sagt Dunham.

(jle)