30 Kilometer laufen, sagt ChatGPT – Vorsicht, wenn die KI Trainingspläne macht!

Der Chatbot ChatGPT kann Fitness-Ratschläge und Trainingspläne erstellen. Die klingen teilweise schon beeindruckend, aber man sollte sie nicht zu ernst nehmen.

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(Bild: Maridav/Shutterstock.com)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Rhiannon Williams
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Als ich vor einigen Wochen die E-Mail mit der Bestätigung für die Teilnahme am London-Marathon erhielt, war ich erst begeistert und dann erschrocken. Kaum sechs Monate nach meinem letzten Marathon war mir klar, was damit auf mich zukam: Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat würde ich durch Regen, Kälte, Müdigkeit und Kater laufen müssen, um rechtzeitig bis April fit zu werden. Beim Marathon ist es nämlich so: Der Lauf an sich ist nicht die größte Herausforderung, sondern das Training davor.

Damit das Training interessant und abwechslungsreich bleibt, holen sich einige Sportlerinnen und Sportler inzwischen Tipps von einer Künstlichen Intelligenz. Sie nutzen den Chatbot ChatGPT, der so ziemlich alles – womöglich bis hin zu Bachelor- und Masterarbeiten – verfassen kann, als eine Art Personal Trainer, um das unermüdliche Laufen angenehmer zu gestalten. Die ersten Unternehmen verkaufen sogar bereits Fitnesspläne, die ChatGPT erstellt hat.

Es klingt ja auch durchaus verlockend: ChatGPT beantwortet Fragen in Sekundenschnelle und erspart somit das mühsame Durchsuchen von Dutzenden Websites, um relevante Informationen zu finden. Man kann dem Chatbot Folgefragen stellen, um ausführlichere und persönlichere Antworten zu erhalten, und die Informationen werden in einem angenehmen Plauderton klar und deutlich aufbereitet. Das System wurde mit Daten trainiert, die aus Websites, Wikipedia-Einträgen und archivierten Büchern stammen, sodass es bei der Beantwortung allgemeiner Fragen teilweise ziemlich gut ist. Aber kann ChatGPT das perfekte Workout erstellen?

Um die Frage zu beantworten, habe ich ChatGPT gebeten, mir einen 16-wöchigen Marathon-Trainingsplan zu erstellen. Gleich die erste Antwort war unbrauchbar; für einen Marathon muss man die wöchentlichen Laufdistanzen schrittweise erhöhen und die längste Distanz sollte, so die allgemeine Auffassung, bei maximal 32 Kilometern liegen. ChatGPT dagegen schlug mir während des Trainings maximal 16 Kilometer vor – viel zu wenig, um am Ende einen Marathon meistern zu können.

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Zweiter Versuch. "Erstelle mir einen 16-wöchigen Marathon-Trainingsplan", tippte ich in die Eingabemaske ein. Diesmal schlug mir die KI vor, am Tag vor dem Rennen einen 30-Kilometer-Trainingslauf zu machen. Immerhin hatte der Bot die maximale Trainingsdistanz erhöht, aber wer am Tag vor dem Marathon schon 30 Kilometer abreißt, wird erschöpft an der Startlinie stehen und sich vermutlich während des Laufs verletzen, da der Körper nicht mehr genügend Reserven hat.

Aber warum hat mir ChatGPT überhaupt zwei verschiedene Antworten auf dieselbe Frage gegeben? Nachfrage bei OpenAI, dem Unternehmen, das den Chatbot entwickelt hat. Große Sprachmodelle neigten dazu, bei jeder Frage eine andere Antwort zu geben, sagt ein Sprecher: "Das liegt daran, dass es sich nicht um eine Datenbank handelt. Es generiert bei jeder Frage oder Abfrage eine neue Antwort". Auf der Website von OpenAI wird erklärt, dass ChatGPT zwar aus dem Hin und Her innerhalb einer Konversation lernen kann, aber nicht in der Lage ist, frühere Konversationen zu nutzen, um zukünftige Antworten zu geben.

Und was ist mit der Tatsache, dass mir ChatGPT potenziell schädliche Ratschläge gegeben hatte? "Bei ChatGPT handelt es sich um eine Forschungsvorschau. Wir weisen die Leute von vornherein darauf hin, dass es gelegentlich falsche Informationen generieren und auch gelegentlich schädliche Anweisungen oder voreingenommene Inhalte produzieren kann", sagt der Unternehmenssprecher.

Tatsächlich enthält einer meiner von der KI erstellten Trainingspläne den klugen Hinweis, dass es eine gute Idee sei, ihn von einem (menschlichen) Coach überprüfen zu lassen. Ein anderer Trainingsplan rät mir, auf meinen Körper zu hören und Ruhetage einzulegen. Ein anderer enthält wiederum überhaupt keine Warnungen, was den Eindruck verstärkt, dass viele Antworten von ChatGPT widersprüchlich sind.

Allein deshalb kommt es für mich nicht infrage, mein Training in die Hände einer KI zu geben. Andere Menschen haben aber offenbar weniger Hemmungen: In der Fitness-Bubble von TikTok, Reddit und Twitter lese ich während meiner Recherche immer wieder von Menschen, die ChatGPT nutzen, um Trainingspläne zu erstellen – und diese dann auch tatsächlich befolgen.

Austin Goodwin etwa, ein Fitnessfanatiker aus Tennessee, stieß bei seiner Arbeit im Content Marketing auf ChatGPT. Er begann damit, dem Modell allgemeine Fragen zum Thema Fitnesstraining zu stellen. Er ließ sich erklären, was progressive Überlastung beim Gewichtheben bedeutet (allmähliche Steigerung des Gewichts oder der Anzahl der Wiederholungen) und warum ein Kaloriendefizit zum Abnehmen erforderlich ist. "Ich bekam Antworten, die ich von einer Person mit mehrjährigem Wissen erwarten würde", sagt Goodwin: "ChatGPT ist eine Google- oder Wikipedia-Suche auf Steroiden – es erweitert das Wissen und hebt es auf die nächste Ebene."

Goodwin ist nicht der Einzige, der das Potenzial von ChatGPT als Konkurrent für die Google-Suche sieht – Berichten zufolge hat das Google-Management ChatGPT zu einer "Code Red"-Bedrohung erklärt.

Tatsächlich kann ChatGPT in vielen Fällen Informationen aus erster Hand gut präsentieren. Als ich es bat, einen Plan für Gewichtheben zu schreiben, erhielt ich eine passable Routine mit Übungen wie Kniebeugen, Klimmzügen und Ausfallschritten. Um die Grenzen weiter auszutesten, sagte ich dem Bot, dass ich zusätzlich "schlank werden wollte". Er gab mir eine angenehm zurückhaltende Antwort mit dem Hinweis, dass es "wichtig sei, auf die Ernährung zu achten, wenn man schlank werden will". So weit, so richtig.