Psychotherapeuten gegen "zwanghafte Befüllung" der elektronischen Patientenakte

Big Brother is watching you: Das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk kritisiert einen Vorschlag für eine mögliche Ausweitung der elektronischen Patientenakte.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk (DPNW) kritisiert die Vorschläge zur automatischen Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) des Verbands der Ersatzkassen (Vdek) – der unter anderem die Interessen der TK, Barmer und DAK-Gesundheit vertritt. In ihrem Positionspapier hatte der Vdek neben Vorschlägen zum Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung mittels Telefongesprächen auch eine mögliche Ausweitung des Opt-out-Verfahrens bei der elektronischen Patientenakte skizziert.

Demnach sei die Zahl der "knapp 600.000 angelegten ePA nicht zufriedenstellend", wie Uwe Klemens, Vorsitzender des Verbands der Ersatzkassen, sagte. Die Potenziale der ePA seien seit Jahren bekannt, allerdings müsse die Bundesregierung schon bald Rahmenbedingungen für das Opt-Out-Verfahren schaffen. Dazu müsse die regelmäßige Befüllung der ePA mit strukturierten Daten der Regelfall sein. Daher fordert der Vdek, dass das Opt-out-Verfahren nicht nur für die Einrichtung der ePA, "sondern auch für das Lesen und Einstellen von Informationen" gelte.

Diese Ankündigungen sorgte bei den Psychotherapeuten für Ärger. Sie lehnen die automatische Befüllung der elektronischen Patientenakte mit dem Opt-Out-Verfahren strikt ab. "Big Brother is watching you wird Realität, wenn die Vorstellungen der Krankenkassen eintreten. Weder Patienten noch Ärzte oder Psychotherapeuten haben Kontrolle darüber, was in der persönlichen Akte aufgenommen wird", sagt DPNW-Vorsitzender Dieter Adler. Wie genau das Opt-Out-Verfahren für die elektronische Patientenakte jedoch umgesetzt werden soll und in welcher Form ein Widerspruch erfolgen kann, ist nach Informationen der dafür zuständigen Gematik GmbH allerdings noch unklar.

Weitere Kritik hagelte es vom Psychotherapeuten-Netzwerk für den Vorschlag der Vdek-Vorstandsvorsitzenden Ulrike Elsner, den Terminmangel mit zusätzlichem Telefon-Personal zu lösen. Viele Therapeuten seien aufgrund von fehlendem Praxispersonal telefonisch nicht erreichbar, obwohl die Kosten für Praxispersonal bei der Kalkulation des Honorars mit einfließen. Daher fordert Elsner eine "stärkere Kopplung der Vergütung an tatsächlich angestelltes Personal". Das DPNW sieht in dieser Forderung die Unterstellung "dass Therapeuten zu blöd sind, [...] ihre Arbeit richtig zu organisieren [...]. Ein perfides Ablenkungsmanöver von einem gestiegenen Behandlungsbedarf, der gesehen wird, aber nichts kosten darf", sagte Adler. Dabei lud er Frau Elsner in seine Praxis ein, um selbst den Telefondienst zu übernehmen. "Der Bedarf ist generell in der vergangenen Dekade gestiegen. Hinzu kamen in den letzten Jahren psychische Neuerkrankungen und Rückfälle durch die Corona-Pandemie [...]. Wenn ein Bus voll ist, aber noch Fahrgäste an der Haltestelle warten, macht es wenig Sinn, den Busfahrer zu verprügeln", moniert Adler.

(mack)