Jobs in der IT: Stellenanzeigen sind alle gleich (schlecht)

Stellenanzeigen gleichen sich üblicherweise wie ein Ei dem anderen, statt den ersten individuellen Eindruck zu vermitteln, den man von einem Unternehmen erhält.

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(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Golo Roden
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Wer sich heutzutage auf eine Stelle in der IT bewirbt, bekommt in der Regel über kurz oder lang ein PDF zu Gesicht, in dem die ausgeschriebene Position näher umrissen wird. Vergleicht man mehrere dieser Stellenausschreibungen, fällt auf, dass sie einander so stark ähneln, dass kaum ein Unterschied zwischen zwei Unternehmen auszumachen ist.

the next big thing – Golo Roden

Golo Roden ist Gründer und CTO von the native web GmbH. Er beschäftigt sich mit der Konzeption und Entwicklung von Web- und Cloud-Anwendungen sowie -APIs, mit einem Schwerpunkt auf Event-getriebenen und Service-basierten verteilten Architekturen. Sein Leitsatz lautet, dass Softwareentwicklung kein Selbstzweck ist, sondern immer einer zugrundeliegenden Fachlichkeit folgen muss.

Abgesehen von etlichen Jahren technischer Expertise und einem abgeschlossenen Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Ausbildung werden üblicherweise Teamfähigkeit, Flexibilität und ähnliche nicht näher definierte "Werte" gefordert.

Geboten wird im Gegenzug die Mitarbeit in einem mehr oder weniger jungen und dynamischen Team in einem spannenden Umfeld, eine Monatskarte für den ÖPNV, Vergünstigungen im ortsansässigen Fitnessstudio oder dem Supermarkt, und ein täglich frisch gefüllter Obstkorb.

Das ist das, womit Unternehmen im 21. Jahrhundert glauben, sich von anderen Unternehmen abheben zu können. Weil aber alle Unternehmen dieser Meinung sind, gleichen die Stellenausschreibungen abgesehen von Unternehmensname und -logo wie ein Ei dem anderen. Mit anderen Worten: Sie sind praktisch austauschbar.

Für die Unternehmen ist das in verschiedener Hinsicht kritisch. Zum einen verpassen sie bereits die erste Möglichkeit, einen individuellen Eindruck zu hinterlassen. Stattdessen bleibt hängen, dass anscheinend kaum ein Unternehmen verstanden hat, dass heutzutage mehr gefordert werden darf als eine lieblos in PDF-Form gebrachte Zeitungsanzeige, die inhaltlich und stilistisch aus den 90er-Jahren stammt.

Zum zweiten führen derartige Stellenausschreibungen aber auch dazu, dass sich potenzielle Bewerberinnen und Bewerber kein adäquates Bild von einem Unternehmen machen können – und sich dann entweder nicht oder auf unpassende Jobs bewerben. Das erste Szenario ist schade, weil ein Mensch und ein Unternehmen, die gut zusammenpassen würden, nicht zueinanderfinden. Das zweite ist lästig, weil es letztlich Zeitverschwendung ist, und zwar für beide Parteien.

All das habe ich im Juli 2022 auf YouTube in einem Video mit dem Titel Stellenanzeigen sind alle gleich (schlecht) thematisiert. Gleichzeitig habe ich aber auch einen Vorschlag gemacht, wie eine Alternative aussehen könnte.

Denn ob es letztlich zwischen einer Bewerberin oder einem Bewerber auf der einen Seite und einem Unternehmen auf der anderen langfristig passt, hängt nur sehr bedingt von Technologien ab: Diese wandeln sich ohnehin alle paar Jahre, und stetige Weiterbildung ist in der IT daher unabdingbar. Zudem lässt sich die technische Eignung relativ schnell ermitteln.

Ob sich beide Parteien miteinander wohlfühlen, hängt auch nicht von einer ÖPNV-Fahrkarte oder einem Obstkorb ab. Beides sind natürlich nette Schmankerl, aber kaum jemand dürfte allein davon die Wahl des künftigen Arbeitgebers abhängig machen.

Viel wichtiger und grundlegend entscheidend ist hingegen, ob es ein gemeinsames Wertesystem gibt und ob die Chemie stimmt: Ein Unternehmen kann technologisch noch so passend sein und die denkbar tollsten Benefits anbieten – wenn es grundlegend unterschiedliche Überzeugungen gibt, wird man auf Dauer kaum gemeinsam glücklich werden.

Das ist aber unter Umständen schwierig herauszufinden. Ob man technologisch zueinander kompatibel ist, ist eine Sache von wenigen Sätzen: Entweder kann man sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen oder nicht. Wichtiger ist das Drumherum: Entwicklerinnen oder als Entwickler, denen etwa das Testen wichtig ist, werden nicht in einem Unternehmen glücklich werden, das Tests als lästig ansieht.

Doch wie ein Unternehmen "tickt", das merkt man unter Umständen erst nach Wochen oder Monaten. Theoretisch ließe sich das auch bereits im Bewerbungsgespräch thematisieren, immerhin gibt es dafür in der Regel die berühmten abschließenden zehn Minuten, in denen es heißt: "Haben Sie denn noch Fragen an uns?"

Die Erfahrung zeigt, dass (zu) viele Bewerberinnen und Bewerber oftmals nicht wissen, was sie in dieser Situation fragen sollen – und wenn man wirklich vorbereitet ist und viele Fragen mitbringt, reicht die Zeit in den seltensten Fällen aus, weil Unternehmen nicht darauf eingestellt sind, dass jemand tatsächlich mehr als zwei Fragen stellt.

Wie könnte also eine Alternative zu den heutigen Stellenausschreibungen aussehen?

Statt zu versuchen, sich auf mehr oder weniger formale Art in einem Dokument mit ein paar Schlagworten auszuzeichnen, könnten Unternehmen stärker auf einen persönlichen und vor allem authentischen Austausch zu setzen. Das Problem dabei ist allerdings, dass das im Vorfeld schwierig zu gestalten ist, denn man möchte ja bereits im Vorfeld sicherstellen, dass Bewerberinnen und Bewerber einen weitaus besseren Eindruck erhalten, und sich dann viel zielgerichteter bewerben können – was nicht nur die Chancen für beide Seiten erhöht, sondern auch allen Beteiligten Zeit spart.

Was also tun?

Aus dieser Frage heraus ist die Idee entstanden, dass ich mich selbst (quasi stellvertretend) bei Unternehmen "bewerbe", wir davon ausgehen, dass wir technologisch zueinanderpassen, und wir dann ein sehr ausführliches Gespräch führen, in dem ich all meine Fragen stellen kann. Im Prinzip also eine nachgestellte Bewerbungssituation, die dabei (natürlich mit dem Einverständnis aller Beteiligten) auf Video aufgezeichnet wird.

Dieses Format haben wir im vergangenen Jahr bereits einige Male durchgeführt, und auf dem Weg sind drei Videos entstanden:

Auch wenn die Situation in den Videos nicht ganz einer echten Bewerbung entspricht, zeichnet ein solches Gespräch doch ein deutlich genaueres Bild von dem jeweiligen Unternehmen als es ein knappes PDF je könnte.

Hoch anzurechnen ist den beteiligten Unternehmen aus meiner Sicht vor allem, dass sie sich auf dieses Experiment eingelassen und an dem Format teilgenommen haben, was – wie man hört – auch von Erfolg gekrönt war: Die ein oder andere Einstellung hat es bedingt durch diese Videos bereits gegeben.

Wir möchten dieses Format auch in diesem Jahr fortsetzen. Das heißt: Wer ein Unternehmen vertritt, das auf der Suche nach weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist, darf sich gerne bei mir melden. Die Kontaktmöglichkeiten finden sich unter diesem Video.

Viel wichtiger jedoch: Wer auf der Suche nach einem neuen Job ist oder jemanden kennt, für die oder den eine der genannten Stellen interessant sein könnte, kann sich gerne das jeweilige Video anschauen beziehungsweise weiterleiten. Vielleicht gelingt es uns auf dem Weg gemeinsam, die Situation mit den Stellenanzeigen zumindest etwas zu verbessern. (rme)