Verwaltungsgericht: Bürger hat Anspruch auf Personalausweis ohne Fingerabdrücke

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat einstweilig angeordnet, dass einer Privatperson ein Ausweis ohne darauf gespeicherte Fingerabdrücke ausgestellt werden muss.

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Mensch zeigt Daumen und Fingerabdruck

(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

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Die in Deutschland seit August 2021 geltende Pflicht, wonach sich Bundesbürger beim Beantragen eines neuen Personalausweises mit einem Scanner Abdrücke des linken und rechten Zeigefingers abnehmen lassen müssen, beschäftigt weiter die Justiz. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat nun mit einer einstweiligen Anordnung (Az.: 20 E 377/23) entschieden, dass die zuständige Behörde der Hansestadt einem Antragsteller ein solches hoheitliches Dokument auch ohne die auf dem Funkchip zusammen mit dem biometrischen Gesichtsbild gespeicherten Fingerabdrücke ausstellen muss. Der Ausweis solle zunächst befristet für ein Jahr gelten, bis die Rechtslage höchstrichterlich geklärt ist.

Dem mittlerweile veröffentlichten Beschluss vom 22. Februar zufolge zweifeln die Hamburger Richter in dem Eilverfahren "erheblich" an der Rechtmäßigkeit der EU-Verordnung, die die Speicherpflicht für alle Mitgliedsstaaten vorschreibt. Sie halten eine Entscheidung für dringend, um zu vermeiden, dass der Antragsteller "einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet".

Ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wäre dieser gezwungen, seine Fingerabdrücke bei der Beantragung eines neuen Personalausweises abzugeben. Dies würde für ihn "einen erheblichen Nachteil bedeuten, da es sich hierbei um besonders geschützte Daten handelt". Die zuständige Behörde kann gegen den Beschluss noch Beschwerde einlegen.

In Deutschland müssen Personen über 16 Jahren einen Personalausweis oder Reisepass besitzen. Sonst drohen Bußgelder bis zu 5000 Euro. Hintergrund des Hamburger Streits ist eine Klage der Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage vom Dezember 2021 gegen die hiesige Auflage zur Fingerabdruckabnahme und das ihr zugrundeliegende EU-Gesetz vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden. Dieses äußerte Anfang 2022 ebenfalls erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bestimmung.

Die dortigen Richter halten sie für unvereinbar mit den Artikeln 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta zum Schutz der Privatsphäre. Sie legten den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, der am Dienstag erstmals darüber in großer Besetzung verhandelte.

Auch die Richter am EuGH fragten häufig kritisch nach. Vor allem rieben sie sich an der in der Verordnung eingeräumten Frist zwischen der Erhebung der Fingerabdruckdaten in den Behörden und der vorgeschriebenen Löschung. Diese führt dazu, dass die sensiblen biometrischen Merkmale bis zu 90 Tage in den Ämtern gespeichert werden dürfen.

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Ferner sieht die Verordnung vor, dass die Daten prinzipiell auch für andere Zwecke als die Ausweiserstellung genutzt werden können. Einer der Luxemburger Richter monierte, dass die europäischen Gesetzgeber hier mit dem Ziel, die Sicherheit der Ausweise zu erhöhen, de facto eine neue Sicherheitslücke geschaffen hätten. Das Interesse an dem Verfahren ist laut Julia Witte von Digitalcourage hoch: "Wir bekommen unheimlich viele Anfragen von Menschen." Diese lehnten die Speicherpflicht ab und wollten ihre Fingerabdrücke nicht abgeben.

(fds)