Schlappe für Online-Glücksspielanbieter bwin vor dem Europäischen Gerichtshof

Die österreichische bwin-Gruppe muss sich nach Auffassung des EuGH nationalen Regelungen von EU-Staaten unterwerfen, die dem Unternehmen das Anbieten von Glücksspielen in den jeweiligen Hoheitsgebieten einschließlich Internet gegebenenfalls untersagen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die österreichische bwin-Gruppe, die Online-Sportwetten anbietet sowie Casinospiele wie Roulette und Poker im Internet betreibt, muss sich nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nationalen Regelungen von EU-Staaten unterwerfen, die dem Unternehmen das Anbieten von Glücksspielen in den jeweiligen Hoheitsgebieten einschließlich Internet gegebenenfalls untersagen. Den EU-Mitgliedstaaten stehe es frei, eigene Ziele auf dem Gebiet der Glücksspiele zu definieren und gegebenenfalls ein Schutzniveau für ihre Bürger zu bestimmen, heißt es in einer am heutigen Dienstag veröffentlichten EuGH-Entscheidung.

Es sei festzustellen, "dass der Sektor der über das Internet angebotenen Glücksspiele in der Gemeinschaft nicht harmonisiert ist" und dass "die Regelung der Glücksspiele" zu den Bereichen gehöre, "in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen", schreiben die EuGH-Richter. Eine Beschränkung der nach Art. 49 EG-Vertrag eigentlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit sei etwa dann zulässig, "wenn eine begrenzte Erlaubnis von Spielen im Rahmen eines Ausschließlichkeitsrechts den Vorteil bietet, den Spielbetrieb in kontrollierte Bahnen zu lenken und die Gefahren eines auf Betrug und andere Straftaten ausgerichteten Spielbetriebs auszuschalten".

Im vorliegenden Fall hatte bwin gemeinsam mit der portugiesischen Ersten Fußballliga (Liga Portuguesa de Futebol Profissional, LPFP) gegen Geldstrafen geklagt, die vom staatlich beaufsichtigten portugiesischen Glücksspielbetreiber Santa Casa ausgesprochen worden waren. bwin, das in Portugal selbst keine Niederlassung hat, schloss im Jahr 2005 einen Sponsoringvertrag mit der LPFP über vier Spielzeiten und warb in der Folgezeit unter anderem auf der Ausrüstung der Spieler und in den Stadien der Erstligavereine für die eigenen Glücksspielangebote.

Da Glücksspiele in Portugal einschließlich Internetangeboten jedoch einem grundsätzlichen Verbot unterliegen, das nur über die Vergabe von Konzessionen im Rahmen von Ausschreibungen gemäß dem Verwaltungsverfahrensgesetzbuch gelockert wird, machte Santa Casa die Verletzung von Rechtsvorschriften geltend und verhängte Bußgelder in Höhe von 75.000 Euro gegen die Liga und von 74.500 Euro gegen bwin. Unter Berufung auf EU-Gemeinschaftsvorschriften reichten die LPFP und bwin dann Klage beim "Tribunal de Pequena Instância Criminal do Porto" ein und forderten eine Aufhebung der Bußgeldbescheide.

Die zuständigen Richter riefen daraufhin den Europäischen Gerichtshof an, um im Rahmen eines sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens klären zu lassen, ob das EU-Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegen steht, "die hinsichtlich des Betriebs von Lotterien und Wetten einerseits eine Ausschließlichkeitsregelung zugunsten einer einzigen Einrichtung (Santa Casa, d. Red.) errichtet und diese Regelung andererseits auf das gesamte Staatsgebiet einschließlich 'des Internets' ausdehnt?" Diese Fragen hat der EuGH jetzt eindeutig beantwortet: Das Gemeinschaftsrecht steht solchen nationalen Regelungen nicht entgegen, solange die erlassenen Beschränkungen nicht diskriminierend sind.

Nach der höchstrichterlichen Entscheidung dürfte das Verfahren in Porto voraussichtlich in einer Niederlage für bwin und die LPFP münden. Und auch das Glücksspielmonopol in Deutschland, das mit dem neuen Lotto-Staatsvertrag im Jahr 2008 noch einmal erneuert wurde und inzwischen ein komplettes Verbot von Internet-Wetten vorsieht, wird mit dem EuGH-Urteil gefestigt. Allerdings hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet, weil sie der Meinung ist, dass der deutsche Glücksspielstaatsvertrag EU-Recht widerspricht – diese Position haben die EuGH-Richter mit ihrem Urteil jetzt womöglich unterhöhlt. (pmz)