Schließfach in Kundennähe

In Dortmund geht morgen ein neues Auslieferungssystem für den E-Commerce in Betrieb.

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Von
  • Richard Sietmann

Unter ökologischen Gesichtspunkten ist es nicht sonderlich vorteilhaft, wenn Lieferdienste per Internet bestellte Waren einzeln ausliefern und dabei den Kunden häufig nicht einmal zu Hause antreffen. Mehrfache Zustellversuche steigern unnötig das örtliche Verkehrsaufkommen, ganz abgesehen davon, dass jeder verfehlte Kundenkontakt am Ende der Transportkette den Zeitgewinn durch den Webeinkauf von daheim zunichte macht. Mit einem innovativen Konzept für vollautomatische Paket-Terminals will das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) nun das letzte Glied der Stadtlogistik schließen.

Morgen nimmt in Dortmund nach einer Testphase Tower 24 als Servicepunkt für den E-Commerce offiziell den Betrieb auf. In dem zehn Meter hohen Rundturm können Zustelldienste die Pakete deponieren und müssen nicht mehr jeden Kunden einzeln anfahren. Die Adressaten wiederum können die Sendung rund um die Uhr abholen -- via SMS oder E-Mail erhalten sie die Nachricht, dass ein Päckchen für sie abholbereit liegt, und mit der gleichzeitig übermittelten PIN nehmen sie die Ware in Empfang. Bezahlt wird, wie mit dem Absender vereinbart, per ec-Karte oder Rechnung.

Über eine Live Webcam lässt sich die Anlage bereits in Augenschein nehmen. Im Inneren des vier Meter dicken Turms sorgt ein Regalbediengerät für das reibungslose Be- und Ausladen mittels 200 Standardbehältern von 60 × 40 Zentimetern Grundfläche, in denen zwei Kisten Sekt oder Wein Platz finden. Das Fördersystem kann sich in einer Drehbewegung sowohl horizontal als auch vertikal bewegen. Ein Greifer schiebt sich wie ein Brett unter den jeweiligen Behälter und transportiert ihn in die Mitte. Von dort aus kann er jedes der Lagerfächer innerhalb kürzester Zeit erreichen -- die Einlagerung von hundert Sendungen erfordert weniger als 20 Minuten. Eine Besonderheit gegenüber herkömmlichen automatischen Schließfachsystemen sind die zwei Temperaturzonen des Tower 24. Der vier Meter tief im Keller des Turms gelegene Teil dient als natürlicher Kühlbereich, in dem auch Frischwaren wie Obst und Gemüse bei zwei bis sieben Grad problemlos einen Tag lang lagern können.

Schätzungen des IML zufolge reichen sechs bis acht solcher Türme aus, um etwa 80 Prozent der 600.000 Einwohner Dortmunds zu erreichen. Bei einer Serienproduktion des mit dem Anlagenbauer SSI Schäfer Noell errichteten Prototyps wäre je Turm mit Baukosten in Höhe von rund 175.000 Euro zu rechnen. Bereits mit einer nur 50-prozentigen Auslastung des Turms würde sich die Anlage einschließlich der jährlichen Betriebskosten von 25.000 Euro für die Reinigung und Wartung innerhalb von drei Jahren amortisieren. (Richard Sietmann() / (anw)