Nanoröhren machen mobil

Eine neue nanostrukturierte Elektrode aus Silizium könnte die Speicherkapazität von Lithium-Ionen-Akkus verzehnfachen und Elektroautos längere Fahrzeiten bescheren.

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Von
  • Katherine Bourzac

Elektroautos sind plötzlich doch das nächste große Ding in der Autoindustrie. Ein Problem haben die Stromer allerdings: Ihre Akkus fassen noch nicht genug Energie, um auch lange Strecken zu ermöglichen. Forscher der Stanford University und der Hanyang-Universität in Ansan, Korea, wollen nun die gängigen Lithium-Ionen-Akkus mit einem neuen Elektrodenmaterial verbessern: Mit Silizium-Nanoröhren statt Graphit sollen sie zehnmal so viel Energie speichern wie bisher. Die Universitätsforscher arbeiten dabei mit dem koreanischen Batterie-Hersteller LG Chem zusammen.

„In Hybrid-Wagen reicht eine Batterie-Ladung mit der gegenwärtigen Technologie nur für 30 Minuten“, sagt Jaephil Cho, Chemiker an der Hanyang-Universität. Er leitet die Forschung an den Silizium-Elektroden. Genauer gesagt: an den Anoden. Das ist jene Elektrode, zu der die Lithium-Ionen in einem Akku während des Aufladens wandern. Es müsse aber noch ein Material für die Kathode gefunden werden, das eine vergleichbare Kapazität hat, so Cho. Dann könnten elektrisch angetriebene Autos drei bis vier Stunden ohne Nachladen fahren.

Silizium kann – bezogen auf das Gewicht – zehnmal mehr Lithium-Ionen speichern als Graphit. Dabei vergrößert sich das ursprüngliche Volumen des Halbleiters auf das Vierfache. Weil der Stoff spröde ist, können durch die damit verbundene mechanische Belastung schon nach wenigen Ladezyklen Risse auftreten.

Cho und der Stanford- Materialwissenschaftler Yi Cui setzen deshalb auf nanostrukturiertes Silizium. Das kann die mechanische Belastung besser aushalten. Zunächst experimentierten sie mit Silizium in Form von Nanodrähten oder nanoporösen Material. Dann entwickelten sie Nanoröhren aus dem Halbleiterstoff, weil die eine noch größere Speicherkapazität haben.

„Nanoröhren haben eine größere Gesamtoberfläche – es gibt viel mehr Reaktionsstellen als bei anders strukturierten Materialien“, sagt Cho. Eine entscheidende Verbesserung, weil nur die Oberflächenatome von Silizium mit Lithium reagieren. Zudem haben die Röhrchen, die ein wenig an ein Bündel aus Strohhalmen (siehe Bild) erinnern, genug Platz, um der Zugbeanspruchung beim Be- und Entladen auszuweichen.

Hergestellt werden die Nanotubes, indem eine Aluminium-Form wiederholt in eine Silizium-haltige Lösung getaucht und zuletzt erhitzt wird. Das Aluminium wird dann weggeätzt. „Die Prozedur ist einfach, und die Aluminium-Form ist ein gängiges Produkt“, erläutert Cho. Gemeinsam mit LG Chem arbeitet Cho daran, die Form so zu verbessern, dass sie für eine Massenproduktion taugt. Er schätzt, dass die neuen Silizium-Elektroden in drei Jahren marktreif sein könnten.

Ob sie die Lithium-Ionen-Akkus teurer machen, ist noch nicht abzusehen. „Selbst bei höheren Kosten bliebe der Vorteil der höheren Kapazität“, sagt Arumugam Manthiram, Umweltingenieur an der Universität von Texas in Austin. Auch die Hersteller 3M und Sanyo arbeiten derzeit an Silizium-Elektroden.

Die sind allerdings nicht ohne Probleme. So fehlen bislang gleichwertige Kathoden, so dass die Wissenschaftler in ihrer Versuchsanordnung auf sehr große Kathoden zurückgreifen müssen, damit die Speicherkapazitäten beider Elektroden gleich sind.

Schwierigkeiten macht auch die so genannte Coulomb-Effizienz: Das Silizium lässt nicht alle Ladungen frei, die sich beim Aufladen angelagert haben. Mit der Zeit nehme die Effizienz ab, warnt Stanley Whittingham, Materialwissenschaftler an der State University of New York. Cho und Cui haben ihre Silizium-Elektroden bislang 200 Ladezyklen ausgesetzt. Bevor sie in Auto-Akkus eingesetzt werden können, müssten sie jedoch über Tausende von Ladezyklen getestet werden, sagt Whittingham. (nbo)