Fleckenreiniger

Bis 2010 1 MBit/s – 50 MBit/s bis 2014. Mit der Breitbandstrategie will die Bundesregierung weiße Flecken der Versorgung schließen. Mehr Übertragungsrate sollen die frei gewordenen analogen Rundfunklizenzen und der kooperative Ausbau der Festnetz-Infrastruktur bringen.

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Von
  • Barbara Lange
Inhaltsverzeichnis

Eine gut ausgebaute Breitband-Infrastruktur mit hohen Übertragungsraten gilt als Voraussetzung für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben. Aber immer noch gibt es zu viele weiße Flecken in der Versorgung, bemängelt die Bundesregierung. Mit ihrer Anfang des Jahres im Rahmen des Konjunkturprogramms II veröffentlichten Breitbandstrategie will sie diese Lücken schließen:

  • Bis spätestens Ende 2010 sollen flächendeckend leistungsfähige Breitbandanschlüsse verfügbar sein.
  • Bis 2014 sollen 75 Prozent der Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 MBit/s nutzen können.

Die erste Etappe ist fast erreicht. 98 Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen über einen Internetzugang mit Übertragungsraten von mindestens 384 KBit/s. Bis vor Kurzem galt dieser Wert als offizielle Breitband-Definition. Nun sind es Übertragungsraten von mindestens 1 MBit/s, den ein DSL-Zugang erreichen muss, um den Namen Breitband tragen zu dürfen. 92 Prozent der deutschen Haushalte sind entsprechend versorgt, 70 Prozent liegen sogar bei 2 MBit/s. Auf 50 MBit/s kommen derzeit 20 Prozent der Haushalte (s. die folgende Grafik "Netzanschlüsse der Haushalte").

Je nach Definition sind die bundesdeutschen Haushalte zu 98 oder zu 92 Prozent mit Breitbandanschlüssen versorgt (Abb. 1)

(Bild: BMWI, Breitbandstrategie der Bundesregierung, 2009)

Diese Zahlen liefert die BMWi-Broschüre "Breitbandstrategie der Bundesregierung" (s. iX-Link). Und hier setzt die zweite Etappe der Breitbandstrategie an: Im Jahre 2014 sollen nämlich 75 Prozent auf einen Internetzugang mit 50 MBit/s Übertragungsrate zugreifen können. Auf der Basis welcher Technologie ist natürlich nicht festgelegt.

An der Spitze stehen erwartungsgemäß DSL-Anschlüsse über das klassische Telefonnetz: 21 Millionen der insgesamt 23 Millionen Breitbandzugänge basieren darauf. Etwa die Hälfte (10,6 Millionen) stellt die Deutsche Telekom, Wettbewerber sind mit 10,4 Millionen DSL-Breitbandzugängen dabei. Für alternative Anschlüsse über TV-Kabel, Satellit, Powerline oder WLAN bleiben nur 2 Millionen, das sind weniger 10 Prozent. In vielen Regionen entwickelte sich das Kabelnetz zu einer echten Alternative zu den DSL-Netzen, betonen die Autoren der BMWi-Broschüre. Ende 2008 nutzten aber nur 1,8 Millionen Haushalte einen TV-Kabelanschluss – allerdings mit steigender Tendenz (s. Grafik "23 Millionen Breitbandverbindungen").

Die überwiegende Mehrzahl der Breitbandanschlüsse werden über DSL realisiert, TV-Kabel-Anschlüsse sind im Kommen (Abb. 2)

(Bild: BMWI, Breitbandstrategie der Bundesregierung, 2009)

Alle Prozentangaben beziehen sich auf Haushalte; Unternehmen weist die Regierung nicht extra aus. Wirtschaftsorganisationen hoben aber die Dringlichkeit des Ausbaus der Breitband-Infrastruktur hervor, darunter der ITK-Lobbyverband BITKOM und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Nach den Erhebungen des DIHK seien zwei von drei mittelständischen Unternehmen im ländlichen Raum angesiedelt. Viele dieser Standorte oder sogar ganze Gewerbegebiete liegen jedoch außerhalb einer breitbandigen Versorgung, sodass 50 bis 67 Prozent der befragten Firmen über fehlende Breitbandanschlüsse klagen, betont der DIHK. Dabei sei ein schneller Internetzugang heute so wichtig wie die klassischen Verkehrswege, zumal der deutsche Mittelstand vielfältige Kontakte ins Ausland habe.

Verbände, Behörden, Mobilfunkunternehmen und Festnetzbetreiber positionieren zurzeit ihre Interessen bei der Umsetzung der Breitbandstrategie. Sie steht im Kontext des im Januar beschlossenen Konjunkturpakets II, das die Wirtschaft mit 50 Milliarden Euro beleben soll. Zum Paket gehört unter anderem die Modernisierung der Infrastruktur von Straßen, Schienen, Schulen, Universitäten und eben auch der schnellen Breitbandnetze.

Die Nachfrage nach schnellen Datendiensten steigt. Nun sollen breitbandige Mobilfunkanwendungen möglichst schnell Versorgungslücken in dünn besiedelten Regionen schließen. Ein Grund, warum die durch die Umstellung auf den digitalen Rundfunk nicht mehr benötigten Frequenzen von 790 bis 862 MHz, die sogenannte Digitale Dividende, im Mittelpunkt des Interesses steht. Der Bundestag und kürzlich auch der Bundesrat haben diese Frequenzen für diesen Zweck unter dem Wortungetüm "Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung" freigegeben.

Die Hälfte der DSL-Anschlüsse stellt immer noch die Deutsche Telekom, der Anteil ist aber kontinuierlich gesunken (Abb. 3)

(Bild: Bundesnetzagentur, Jahresbericht 2008)

Die Vorbereitungen in Form von "Eckpunktepapieren" (Bundesnetzagentur) und entsprechende Anhörungen zur Festlegung der Rahmenbedingungen laufen, damit die Versteigerung Ende des Jahres starten kann. Im Vorfeld spielte die Kostenzusage für die Sekundärnutzer eine Rolle. Gemeint sind Unternehmen der professionellen Veranstaltungsproduktion, die noch bis 2015 auf diesen Frequenzen funken. Dazu gehört der Funkverkehr bei der Produktion von Film und TV, Kongressen, Sport- oder Wahlveranstaltungen. Sie sollen laut offizieller Zusage Unterstützung bei der Umstellung ihrer Technik erhalten.

Technisch sind die ehemaligen Frequenzen attraktiv für breitbandige Mobilfunkanwendungen, denn sie benötigen aufgrund der größeren Reichweite weniger Sendestationen. Mit dem Mobilfunk der vierten Generation namens "Long Term Evolution" (LTE) sollen eines Tages bis zu 100 MBit/s möglich sein.

Parallel laufen derzeit Tests und Modellversuche in verschiedenen Regionen. In Baden-Württemberg haben im Juni Vodafone, die Landesanstalt für Kommunikation (LFK) und die Landesregierung ein Modellprojekt zur Verbreitung von Funkinternet über Rundfunkfrequenzen gestartet, in dem sie bis zum Mai 2010 7 MBit/s erreichen wollen.

Das Land Brandenburg hat 16 ehemalige Sendemasten wieder aktiviert, wie Clemens Appel, Chef der Staatskanzlei, in seiner Videobotschaft am 30. Juni 2009 erklärte. Tests laufen mit T-Mobile und Vodafone. Neben der Breitband-Versorgung des Landes über die alten Rundfunklizenzen sieht er den Richtfunk und Satelliten als alternative Lösungen.

Bei der Versteigerung der neuen Frequenzen der "Digitalen Dividende" will die Bundesnetzagentur durch Auflagen sichern, dass sich die Mobilfunkbetreiber zuerst um die unterversorgten "weißen Flecken" kümmern und nicht vornehmlich nur Ballungsräume bedienen – ein Punkt, den E-Plus kürzlich als Benachteiligung der kleineren Anbieter gewertet hat, die sich einen komplett neuen Aufbau der Infrastruktur nicht leisten können.

Die beteiligten Anbieter sollen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Infrastrukturen bekommen beziehungsweise geben, sich im Wettbewerb engagieren und Versorgungslücken schließen. Allerdings staatlich subventioniert, da die Erschließung der ländlichen Regionen nicht von selbst erfolgt. Gleichzeitig aber soll es einen Wettbewerb geben, zusätzlich noch Kooperationen ohne Kartellbildung und natürlich Planungssicherheit. Darüber hinaus arbeitet auch die EU-Kommission an der europaweiten Regulierung.

Zum Zankapfel im Bereich des Festnetzes gerät die "Letzte Meile". So kritisierte Ende Juni der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e. V. (VATM), dass die Deutsche Telekom nach Meinung ihrer Konkurrenten den weiteren Ausbau der Festnetzanschlüsse verhindern wolle.

Nach einem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 15. Juni dieses Jahres muss der einstige Monopolist seinen Konkurrenten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) gewähren. Das heißt, von der Ortsvermittlungsstelle des Netzbetreibers bis zum Telefonanschluss des Kunden. Diese Verteilerkästen muss die Telekom selbst im Fall von noch nicht erschlossenen Orten bei Nachfrage eines Wettbewerbers errichten. Das hat Auswirkungen: So benötigt der lokale Anbieter eifel-net Verteiler an Stellen, an denen noch keine sind. Da die Telekom die Infrastruktur ihrer Konkurrenten nicht finanzieren will, legte sie Ende Juni eine Eilklage beim Verwaltungsgericht Köln ein.

70 Prozent der anfallenden Kosten für den Ausbau breitbandiger Infrastrukturen im Festnetz sind Tiefbaukosten, heißt es in der Broschüre "Breitbandstrategie der Bundesregierung". Besonders in entlegenen Bereichen sollen die Beteiligten daher bestehende Infrastrukturen mitnutzen – zum Beispiel kommunale Abwasserkanäle, die eine Glasfaserverlegung vereinfachen könnten. Weiterhin gehören dazu die Netze der Ver- und Entsorgung wie Strom, Gas, Wärme und Wasser sowie Netzknotenpunkte, Leerrohre oder Senderstandorte.

Außerdem ließen sich weiße Flecken durch Backbone-Netze großer Netzbetreiber, die oft durch sie hindurchführen, durch "Zubringer" anschließen. Unterschiedliche Betreiber sollen ihre insgesamt 70 000 Funkstandorte für Dritte öffnen. Unter dem Stichwort "bedarfsorientierte Mitverlegung von Leerrohren" sollen bei Straßenbauarbeiten neue Infrastrukturen gleich mitverlegt werden, auch wenn gerade kein Anbieter da ist. Für diesen Zweck sollen Kommunen Geld erhalten.

Zurzeit arbeitet die Bundesnetzagentur an einem Atlas, der alle in Deutschland existierenden Infrastrukturen enthalten soll. Ziel ist die Nutzung von Synergien. Eine erste Version soll im Herbst 2009 erscheinen. Ein Entwurf für die Rahmenbedingungen für diesen Infrastrukturatlas hat die Bundesnetzagentur Ende Juni zur Konsultation veröffentlicht. Die Bundesbehörde appelliert an die Infrastrukturinhaber, sich zu beteiligen. Knapp 300 Unternehmen haben ihre Unterstützung zugesagt.

Leerrohre will die Telekom ihren Mitbewerbern zum VDSL-Glasfasernetz (Very High Speed Digital Subscriber Line) gestatten, das das Unternehmen derzeit aufbaut. Die Telekom bietet VDSL bislang in mehr als 50 deutschen Städten an. Auf der CeBIT hatte das Unternehmen angekündigt, den Zugang zum glasfaserbasierenden DSL-Netz für Telefon- und Internetanschlüsse auch anderen Anbietern zu gewähren. Die Verhandlungen über die Öffnung des VDSL-Netzes der Telekom für Wettbewerber laufen derzeit.

Barbara Lange
ist IT-Journalistin und Inhaberin des Redaktionsbüros kurz&einfach in Lengede.

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  • Die Bundesregierung will bis 2014 erreichen, dass 75 Prozent der Haushalte einen 50-MBit/s-Zugang haben, und stellt hierfür im Rahmen des zweiten Konjunkturprogramms den Ländern Geld zur Verfügung.
  • Die durch Umstellung auf digitalen Rundfunk freigewordenen Frequenzen sollen für breitbandigen Mobilfunk eingesetzt werden.

(wm)