SCO: Ausschneiden und kleben?

Mittlerweile liest sich die von SCO geführte Auseinandersetzung um Linux und den Codetransfer von Unix wie das Drehbuch zu einer IT-Variante von Dallas oder Denver.

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Von
  • Detlef Borchers

Mittlerweile liest sich die von SCO geführte Auseinandersetzung um Linux und den Codetransfer von Unix wie das Drehbuch zu einer IT-Variante von Dallas oder Denver. Täglich melden sich neue Firmen und Experten zu Wort. Einige, etwa Novell, haben gravierende Argumente, andere wie Lindows verbreiten heiße Luft. Sowohl IBM als auch SCO, die beiden Kontrahenten in der Milliardenklage, haben ihre Techniker zum Stillschweigen verdonnert, desgleichen Novell. Dort verweisen selbst die mit dem SCO-Vertrag befassten Juristen auf ein Aussageverbot der Jura-Abteilung.

Einige Ebenen tiefer gibt es Germurmel. So äußern die am Projekt Monterey beteiligten Entwickler unter der Hand ihre Verwunderung, was denn von den durch SCO an IBM gelieferten Komponenten für Linux überhaupt interessant sein könnte: Zweifel gibt es selbst auf der Seite der Lieferanten. Gesicherte Erkenntnisse zu dem von SCO beklagten Cut&Paste fehlen, bis der Code offengelegt wird.

Unversehens wird nun Christoph Hellwig zu einer gefragten Figur. Der deutsche Software-Entwickler arbeitete bei Caldera (so der frühere Name von SCO) als Packet-Maintainer und war Teil des Teams, das sich um Anpassungen und Bugfixes für den Linux-Kernel gekümmert hat. Später entwickelte er für Caldera das Linux-ABI Projekt weiter, welches das Ausführen unmodifizierter Unix-Programme, etwa für UnixWare und OpenServer geschriebener Software, unter Linux ermöglicht. Inzwischen ist Hellwig bei SGI beschäftigt.

Während Hellwig bei Caldera arbeitete, kommentierte er das Verhältnis von SCO Unixware und Linux. Hellwig erklärte seinerzeit, dass das Kopieren von Unix-Code nach Linux und vice versa unpraktikabel sei: "Die Interna der Kernel sind so unterschiedlich, dass man eine dicke Schicht Kompatibilitätskleber brauchen würde, damit das [Kopieren] funktioniert. Und der würde prompt bei dem nächsten kernel review rausgeschmissen werden."

Nun wird Hellwigs Kommentar herumgereicht. Grund genug, ihn zu diesem Fall zu befragen.

heise online: Stehen sie zu diesem Kommentar?

Hellwig: Natürlich.

heise online: SCO hat den Zustand von Linux mit einem Fahrrad verglichen, bis IBM kam und das Projekt ein Auto wurde.

Hellwig: Der Vergleich mag ja für einen Menschen ohne jegliches Fachwissen schön klingen, hat aber mit der Realität rein gar nichts zu tun. Linux selbst war vor dem Engagement von IBM, vor der Beteiligung großer Unternehmen an der Entwicklung, für die meisten Einsatzbereiche wesentlich brauchbarer als es UnixWare oder OpenServer je sein werden. Ich selbst sehe die Beteiligung großer Unternehmen an der Linux-Entwicklung sehr positiv. Ich halte es aber nicht für sinnvoll, die Wünsche dieser Unternehmen bei der Entwicklung der offiziellen Linux-Releases in den Vordergrund zu stellen. Gerade große Unternehmen neigen dazu, sich mit technischen Lösungen zufriedenzugeben, die weit suboptimal sind, oder Einsatzbereiche zu vernachlässigen, die nicht genügend Verkaufschancen bieten.

heise online: Haben die Aktionen von SCO Erfolg?

Hellwig: Ich bezweifle, dass SCO im juristischen Sinne mit dieser Aktion Erfolg haben wird. Andererseits ist SCO schon jetzt in dem Sinne erfolgreich, dass der Aktienkurs gestiegen ist und man anderweitige Finanzspritzen (zum Beispiel der Microsoft-Deal) erhalten hat.

Solange SCO die Rechte an SVR4 nicht besitzt, kann SCO IBM nur für das Veröffentlichen von "Trade Secrets" belangen. Dabei wird der Nachweis sehr schwierig sein, mehr darf ich hier nicht sagen. Und was in der Debatte dauernd vergessen wird: Im Gegensatz zu SCO spreche ich hier explizit _nicht_ von Unix. Offiziell ist Unix ein Warenzeichen der OpenGroup, das für jedes UNIX95/98 zertifizierte Betriebsystem benutzt werden darf, im allgemeinen Sprachgebrauch wird es aber einfach als Überbegriff benutzt, und nie, um SCOs Betriebsysteme OpenServer und Unixware zu bezeichnen. Im Gegensatz zu AIX sind beide übrigens nicht UNIX98-zertifiziert.

Siehe zu dem Thema auch:

(Detlef Borchers) / (wst)