"Undemokratisch" und "bedenklich": Wirtschaftsverbände attackieren Bundesregierung

Bild: Michał auf Pixabay

In einem Brief an die Bundesminister machen Wirtschaftsverbände ihrem Frust Luft. Sie fühlen sich nicht ausreichend gehört. Was sie fordern und warum ihr Vorstoß verwundert.

Deutsche Wirtschaftsverbände sind verärgert über die Bundesregierung. Und in einem Brief machen sie ihrem Frust nun Luft, weil sie sich zu wenig und zu spät in Gesetzesvorhaben eingebunden fühlen. Bild hatte in der Nacht von Donnerstag zu Freitag darüber berichtet.

Das Vorgehen der Bundesregierung sei "undemokratisch und auch verfassungsrechtlich bedenklich", betonen die Verbände. Sie kritisieren das "aufs Schärfste, weil sich die Bundesregierung damit von demokratischen Prozessen entfernt". Die Meinung von Bürgern und Firmen werde "nicht hinreichend berücksichtigt".

Unterzeichnet wurde der Brief von 20 Wirtschaftsverbänden, darunter der Außenhandelsverband BGA, der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, der Handelsverband HDE, der Eigentümerverband Haus&Grund und der Bundesverband der Freien Berufe.

Weshalb sich die Verbände ausgerechnet jetzt zu Wort melden, ist unklar. Laut Bild würden sich die deutsche Wirtschaft von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und seinen Ministerkollegen massiv ausgebremst fühlen.

Interessengruppen und Verbände werden bei Gesetzentwürfen im Normalfall vorab konsultiert. Die Pflicht dazu ergibt sich aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien (GGO). Nach Ansicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages muss ein Gesetzentwurf den "Zentral- und Gesamtverbänden sowie Fachkreisen, die auf Bundesebene bestehen" zugeleitet werden, noch bevor er von der Bundesregierung behandelt wird.

Die Wirtschaftsverbände verlangen nun von der Bundesregierung, dass ihnen eine "ausreichende Vorlaufzeit" eingeräumt wird, um die Gesetzentwürfe zu prüfen. Ihnen schwebt dabei ein Zeitraum von vier Wochen vor.

Bislang liegt es im Ermessen der Bundesministerien, wann und in welchem Umfang sie die Verbände einbeziehen. In der GGO heißt es: "Zeitpunkt, Umfang und Auswahl bleiben, soweit keine Sondervorschriften bestehen, dem Ermessen des federführenden Bundesministeriums überlassen".

In der Vergangenheit hat das die Ministerien immer wieder dazu verleitet, äußerst kurze Fristen für eine Prüfung und Stellungnahme zu gewähren. Diese Praxis betrifft nicht nur die aktuelle Bundesregierung, sondern war auch schon in der Zeit der Bundeskanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) anzutreffen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beschwerte sich etwa im Jahr 2019 über das "undemokratische Vorgehen" des Bundesverkehrsministeriums, das damals von Andreas Scheuer (CSU) geleitet wurde. Als die DUH damals einen vielseitigen Entwurf innerhalb von einem Arbeitstag prüfen sollte, erklärte der Verband:

Die DUH kritisiert die mittlerweile zum Standard gewordene faktische Nicht-Beteiligung von Verbänden an Gesetzesvorhaben durch utopische Fristsetzungen auf das Schärfste. Aus Sicht des Umwelt- und Verbraucherschutzverbandes zeigt das Vorgehen wie sehr sich die amtierende Bundesregierung von demokratischen Prozessen entfernt hat und nicht willens ist, die Meinung der Zivilgesellschaft hinreichend zu berücksichtigen.

Ein ähnliches Vorgehen praktizierte auch der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Ebenfalls im Jahr 2019 wurde Ländern und Verbänden weniger als 24 Stunden Zeit gegeben, um einen 54-seitigen Referentenentwurf für ein "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" zu prüfen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass die Wirtschaftsverbände erst jetzt auf ausreichende und verbindliche Fristen drängen.

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