Russland-Sanktionen? Ja, aber nicht für die Atomindustrie

Kernkraftwerk Emsland. Bild: Krd, CC BY-SA 4.0

Die EU hat zehn Sanktionspakete gegen Russland erlassen. In der Atomindustrie florieren die Geschäfte weiter. Dabei spielt auch ein deutscher Standort eine Rolle.

Der Umbau der Energiemärkte steckt voller Widersprüche, vor allem in Deutschland. Einer der Gründe ist die Sanktionspolitik der EU gegenüber Russland. Die Strafmaßnahmen sollten, so heißt es in Brüssel, die Einnahmen des russischen Staates schmälern und so die Finanzierung des Krieges gegen die Ukraine erschweren.

In der Folge gibt es in Deutschland zwar angeblich kein Fracking-Gas aus Russland, wohl aber indischen Dieselkraftstoff, der wiederum aus russischem Erdöl produziert worden ist. Zudem kaufen wir saudisches Erdöl, das dort für den einheimischen Markt durch billiges russisches Erdöl ersetzt wird.

Kaum bekannt ist einer breiteren Öffentlichkeit bisher, dass in der Atomenergie die Abhängigkeit von Russland noch größer ist. So lässt die EU zu, dass der russische Atomkonzern TVEL in der deutschen Brennelementfertigungsanlage Lingen Uran-Brennelemente für osteuropäische AKW fertigen wird.

Dabei sollte das Kernkraftwerk Emsland bei Lingen sollte sowohl nach dem Willen der NRW-Grünen als auch dem Programm der Grünen-Bundespartei geschlossen werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entschied kraft seiner Richtlinienkompetenz dagegen.

Indes hat die EU ein neues, zehntes Sanktionspaket beschlossen, mit dessen Verabschiedung ein weiteres Zeichen der Solidarität mit der angegriffenen Ukraine gesetzt werden soll. Demnach wird ein Importverbot für Güter "ausgeweitet, mit denen Russland erhebliche Einnahmen erzielt. Diese sind: Bitumen, Asphalt, Carbon und synthetisches Gummi". Die Bundesregierung unterstützt die EU-Sanktionen gegen Russland vollumfänglich. Der Atombereich wird bewusst nicht erwähnt.

Zur Klärung hat der deutsche Europaabgeordnete Engin Eroglu von den Freien Wählern Hessen folgende Anfrage gestellt: "Gedenkt die Kommission, Sanktionen gegen Rosatom und seine Tochtergesellschaften anzuregen und die Projekte des Unternehmens einstellen zu lassen?" Die Antwort des EU-Kommissions-Vizepräsidenten Borrell ist ernüchternd:

In Bezug auf die zivile Zusammenarbeit im Nuklearbereich sehen die genannten Rechtsakte die Möglichkeit vor, Ausnahmeregelungen zu gewähren, die den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr bestimmter beschränkter Güter erlauben, die "für den Betrieb, die Instandhaltung, die Wiederaufbereitung von Brennelementen und die Sicherheit ziviler nuklearer Kapazitäten sowie für die zivile nukleare Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung, bestimmt sind". Über Anträge auf solche Ausnahmen haben die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu entscheiden.

Brennelemente aus dem Emsland

Die ausbleibenden Sanktionen der EU und USA gegen die russische Atomindustrie hat das Portal umweltfairaendern.de zur Feststellung veranlasst, die russische Atommacht mische weiterhin auch bei der Brennelemente-Fabrik in Lingen mit.

Im Emsland sollten künftig Uran-Brennelemente für russische Atomreaktoren vor allem in Osteuropa hergestellt werden, heißt es von dieser Seite. Das Niedersächsische Umweltministerium habe auf Anfrage bestätigt: "Nach hiesigem Kenntnisstand haben die Framatome und die russische TVEL in Frankreich ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet."

Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell kritisiert, dass die europäische Atomwirtschaft den russischen Krieg und atomare Aufrüstung finanziert:

Alleine der französische Atomkonzern EDF hat im letzten Jahr mindestens 345 Millionen Euro an den russischen Atomkonzern Rosatom gezahlt und so den Krieg in der Ukraine und die Aufrüstung im russischen Atomwaffenarsenal erheblich mitfinanziert. Die Furcht vor einem russischen Atomschlag wird viel diskutiert, aber die russische Atomwaffenfinanzierung wird weiter aus der EU befördert.

Der TVEL-Konzern arbeitet hauptsächlich in der Urananreicherung und der Produktion von Kernbrennstoff. Die Firma gehört zur Holdinggesellschaft Atomenergoprom, die wiederum Teil des Staatsunternehmens Rosatom ist. Rosatom hat auch die Aufsicht über die russischen Atomwaffen.

Klar ist somit: Die Abhängigkeit von russischer Energie ist im Atomsektor ist größer als beim Erdgas. Ohne die Lieferungen aus Russland würde offenbar die Atomenergie in der EU zusammenbrechen. Maßnahmen dagegen sind nicht erkennbar – auch nicht bei der derzeitigen Regierungskoalition.