Fax trotz VoIP

Immer mehr Telefonanschlüsse arbeiten mit Voice over IP als sogenannter Next-Generation-Technik, nicht nur die von Kabel-TV-Anbietern. Während man diesen Umstand beim Telefonieren meist kaum bemerkt, kann VoIP das Faxen massiv stören: Je nach Anbieter, Technik und Leitungsqualität reichen die Resultate von „es geht überhaupt nichts“ über „nie mehr als zwei Seiten“ bis „klappt einfach“.

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Von
  • Urs Mansmann

Die VoIP-Anbieter nehmen in ihrer Werbung den Mund ziemlich voll: Tolle Qualität, keinerlei Einbußen gegenüber dem Telefonnetz lauten die Versprechen. Für reine Telefonate mag das noch stimmen, mit Modem-Übertragungen wie beim Faxen kommt ein für Sprachübertragung optimierter VoIP-Anschluss aber nicht besonders gut zurecht.

Das liegt an der verwendeten Technik: Die analoge oder digitale Sprache wird in kleine Pakete gepackt; jedes enthält ungefähr 20 Millisekunden Nutzdaten. Diese werden per UDP, also unprotokolliert auf den Weg geschickt. Auf der Gegenseite werden die erhaltenen Pakete gesammelt, gegebenenfalls in die richtige Reihenfolge gebracht und wieder dekodiert. Eine Sprachverbindung leidet nicht allzu sehr, wenn mal ein Paket ausfällt. Die fehlenden Informationen von einer vierzigstel Sekunde Länge machen sich als kleiner Knackser bemerkbar. Erst wenn zahlreiche Pakete hintereinander den Empfänger nicht erreichen, nimmt dieser das als kurzen Aussetzer wahr.

Eine VoIP-Verbindung ist also auf einen kontinuierlichen Pakettransport angewiesen. Nachfragen bei der Gegenstelle, um fehlende Pakete anzufordern, sind nicht möglich, denn dafür müsste Zeit vorgesehen werden, die sich dann wiederum als permanente Verzögerung bemerkbar machte. VoIP-Verbindungen haben einen Jitter-Puffer, der nur wenige Pakete enthält, um allfällige Laufzeitschwankungen von wenigen Millisekunden auszugleichen. Kommt ein Paket zu spät an, kann es nicht mehr ausgewertet werden. Typischerweise wird der Jitter-Puffer automatisch erhöht, wenn das während einer Verbindung öfters passiert. Muss der Adapter die Pufferzeit von beispielsweise 100 auf 200 Millisekunden hochsetzen, erkauft er das mit einem einmaligen Aussetzer von 100 Millisekunden, der eine Telefonverbindung kaum merklich stört. Ein Faxmodem reagiert auf solche Aussetzer mit Zeitverschiebung allergisch, denn dann verliert es die Synchronisierung und die Verbindung bricht ab. Je länger eine Übertragung dauert, desto größer ist deshalb die Chance, dass die Verbindung scheitert.

In einem Web-Interface kann der Anwender die Faxsendung vorbereiten und Dokumente hochladen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die VoIP-Adapter zusätzliche Funktionen aufweisen, die die Sprachübertragung optimieren und gleichzeitig die übertragene Datenmenge minimieren sollen, etwa indem der Frequenzgang optimal an die menschliche Sprache angepasst wird. Liegt kein Audio-Signal an, erzeugen einige Geräte ein „Komfortrauschen“, das dem Nutzer unbewusst signalisieren soll, dass die Verbindung noch steht. Gleichzeitig werden vermeintliche Rauschanteile während der Übertragung unterdrückt. Obendrein versuchen die Adapter, ein zeitverzögertes Echo aus dem Signal herauszurechnen. All das ist Gift für eine Modemübertragung. Und wenn das Faxmodem mit all dem zurechtkommt, scheitert es spätestens dann, wenn – wie bei Audio üblich – ein verlustbehaftet komprimierender Codec für die Übertragung eingesetzt wird, da dieser wichtige Informationen unter den Tisch fallen lässt.

Der Hersteller AVM hat das Problem erkannt und ergreift in der Logik der Fritz!Box Gegenmaßnahmen. Ist die an der Box angeschlossene Endstelle als Faxgerät konfiguriert, schaltet das Gerät jegliche Signalaufbereitung, also Echo-Unterdrückung, Rauschunterdrückung und sonstige Signalnachbearbeitung ab, optimiert die Größe des Jitter-Puffers und erzwingt die Nutzung des nicht komprimierenden G.711-Codecs. Wenn die digitale Signalverarbeitung einen Faxträger erkennt, greifen diese Maßnahmen ebenfalls.

Auch die VoIP-Anbieter haben darauf reagiert, dass immer noch bei vielen Kunden Faxgeräte werkeln. Sie versuchen, über Priorisierung die VoIP-Daten möglichst verzögerungsfrei und ohne Paketverluste zuzustellen, was ganz nebenbei auch die Qualität der Sprachübertragung erhöht. Allerdings sind diese Bemühungen nicht immer von Erfolg gekrönt, denn zahlreiche Komponenten bieten unzählige Fehlermöglichkeiten. Die gröbsten Schnitzer sind inzwischen ausgebügelt, bei der c’t-Redaktion gehen nur noch selten Beschwerden über schlechte VoIP-Verbindungen ein.

Eine gute Grundlage für zuverlässige Faxübertragung schafft das Protokoll T.38. Ein VoIP-Adapter, der diese Technik beherrscht, fungiert quasi als Gegenstelle für das Fax, nimmt dessen Informationen auf der analogen Leitung entgegen und stimmt sich mit der Gegenstelle ab, beispielsweise über die maximal unterstützte Übertragungsgeschwindigkeit. Die Adapter übermitteln die analog empfangenen Daten dann in digitaler Form zur Gegenstelle. Üblicherweise ist diese wieder ein Gateway, entweder ebenfalls ein VoIP-Adapter mit T.38-Unterstützung oder ein Gateway zum Festnetz, denn Faxgeräte, die T.38 beherrschen, sind noch wenig verbreitet.

Die neueren VoIP-Router des deutschen Marktführers AVM sprechen durchweg T.38, optional ist sogar ein Faxprogramm für den PC dabei. Die reinen VoIP-Provider, beispielsweise Sipgate oder dus.net, bieten aber mehrheitlich keine Gateways dafür an. Ein T.38-Angebot hat aber beispielsweise der Schweizer VoIP-Anbieter Sipcall.

Der Aufbau einer Faxverbindung via VoIP findet grundsätzlich zunächst mit dem Standard-Sprachcodec statt, üblicherweise G.711. Erkennt der angerufene Teilnehmer anhand des Pilottons eine Faxsendung, handelt er einen Codecwechsel auf T.38 aus, sofern er und die Gegenstelle das unterstützen.

Die Komplettanschluss-Anbieter 1&1, Arcor und O2 setzen inzwischen auf T.38. Das funktioniert für ausgehende Faxe problemlos, wenn der VoIP-Adapter und das Gateway als Gegenstelle richtig konfiguriert sind. Kabel Deutschland und Hansenet setzen hingegen weiterhin auf das G.711-Protokoll für die Sprachübertragung, bei dem die Signale des Faxmodems übermittelt werden. Hansenet gibt an, man habe damit „gute Erfahrungen gemacht“.

Statt die wacklige IP-Verbindung zu verwenden, kann man auch auf Dienste der Provider ausweichen, die sich per Web-Interface oder E-Mail nutzen lassen. Das kann auch Geld sparen: Wer nur ab und an ein Fax bekommt, möchte dafür nicht unbedingt ein Gerät anschaffen, denn selbst billigste Modelle kosten mindestens 50 Euro. Dazu kommen laufende Kosten von rund acht Euro im Jahr für den Strom, wenn das Gerät sich mit fünf Watt im Standby begnügt. Bei drei Faxen pro Jahr und einer Lebensdauer des Gerätes von acht Jahren muss der Anwender also stolze 3,75 Euro pro Fax investieren.

Im Internet finden sich zahlreiche Angebote von Faxversendern, die sich an mittlere bis große Unternehmen mit hohem Faxaufkommen richten und zahlreiche Zusatzleistungen bieten. Solche Angebote sind für den Gelegenheitsnutzer aber in jeder Hinsicht überdimensioniert. Günstiger und auf Privatkunden und Kleinunternehmen besser zugeschnitten sind die Faxzusatzleistungen der Freemailer, etwa Arcor oder GMX. Allerdings gestatten viele dieser Dienste nicht den Versand an Sonderrufnummern, beispielsweise an die auch für Faxanschlüsse weitverbreiteten 01805-Rufnummern.

Meist geschieht der Versand über ein Web-Interface (siehe Tabelle). Die Faxnummer des Empfängers und Texte lassen sich direkt in dafür vorgesehene Felder eintragen. Meist kann man zusätzlich oder alternativ PDF-Dateien oder Bilder anhängen, die dann in ein Fax umgewandelt werden. Dabei muss man allerdings oft mit erheblichen Einschränkungen zurechtkommen. Sipgate beispielsweise erlaubt nur Dateien mit maximal 2 Megabyte Größe, GMX gestattet immerhin 3. Will man auf diesem Wege eine eingescannte und auf PDF gewandelte Seite übertragen, muss man erheblichen Aufwand treiben, um die Größe der Datei unter die magische Grenze zu drücken. Bei mehrseitigen Faxen wird das nahezu unmöglich.

Nur bei kostenpflichtigen Diensten findet sich ein Mail2Fax-Gateway, bei dem der Versand des Fax per E-Mail erfolgt. Die Rufnummer des Empfängers wird dann entweder in der Mail-Adresse oder im Betreff-Feld angegeben, das zu sendende Dokument als Anlage beigefügt. Wer nur selten Faxe verschickt, wird aber vermutlich Probleme bekommen, sich an die korrekte Syntax für die Angabe der Empfängernummer zu erinnern. Diese Form des Versandes eignet sich daher am ehesten für regelmäßige Nutzer.

Am komfortabelsten sind Druckertreiber für Windows. Das zu versendende Dokument oder Bild wird einfach an den Faxdrucker geschickt, der dann noch die Eingabe der Zielrufnummer verlangt. Kostenlos bietet diesen Service beispielsweise Sipgate an.

Der einfachste Weg zum Versand führt über einen Druckertreiber. Beim Ausdruck ist nur noch die Zielrufnummer anzugeben.

Beim Empfang von Faxen hat sich als Standardverfahren das Fax2Mail-Gateway eingebürgert. Eingehende Faxe werden in eine PDF-Datei gepackt und an die vom Anwender vorgegebene E-Mail-Adresse versendet. Dieser kann das Fax dann am Bildschirm betrachten oder ausdrucken.

Achten sollte man allerdings auf die Rufnummer: Die häufig angebotenen 032-Rufnummern für VoIP-Dienste sind aus vielen Netzen immer noch nicht erreichbar. Dazu kommt, dass eine abweichende Vorwahl des Faxanschlusses für häufige Rückfragen von Kommunikationspartnern sorgt. Den Vorzug sollte man daher Diensten mit der ganz normalen Ortsnetznummer geben.

Die Kostenunterschiede sind nicht unerheblich: Fällt keine Grundgebühr an, etwa bei Web.de oder Arcor, sind dafür die pauschal nach Seiten abgerechneten Faxe unverhältnismäßig teuer. Günstiger wird es bei SIP-Providern. Die rechnen oft nach tatsächlicher Übertragungsdauer ab, verlangen aber häufig einen kostenpflichtigen Account. Wer nur selten faxt, fährt mit den Freemailer-Angeboten besser; schon bei einem Fax pro Monat lohnt sich jedoch der Wechsel zu einem Anbieter mit Abrechnung nach Zeit. Eine bereits bestehende Faxnummer kann man bei Bedarf sogar zu einem SIP-Provider mitnehmen und dort weiter nutzen.

Literatur

[1] Peter Röbke-Doerr, Faxen@Home, Faxdokumente von zu Hause aus senden und empfangen, c’t 4/09, S. 148 (uma)