Vorratsdatenspeicherung: Bundesverfassungsgericht bestätigt Urteil des EuGH

Das Bundesverfassungsgericht betont in einer aktuellen Entscheidung, dass in Sachen Vorratsdatenspeicherung Unionsrecht Vorrang hat.

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Vorratsdatenspeicherung

(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Das Bundesverfassungsgericht hat drei Verfassungsbeschwerden gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen. Der Europäische Gerichtshof habe im September 2022 entschieden, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung dem Unionsrecht widerspricht, sie dürfe daher innerstaatlich nicht angewendet werden, geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor.

Das Gericht habe mit seiner Entscheidung noch einmal unterstrichen, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung keine Rechtswirkung mehr entfaltet und nicht mehr angewendet werden kann, erklären die Bürgerrechtler von Digitalcourage. Sie hatten etwa 37.000 Unterschriften eingesammelt und gegen die gesetzlichen Grundlagen für die Vorratsdatenspeicherung geklagt. Die Verfassungsbeschwerde wurde im Februar 2018 angenommen.

Aus den Begründungen der Verfassungsbeschwerden gehe nicht hervor, inwieweit nach dem EuGH-Urteil vom 20. September 2022 noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besteht, heißt es zur Entscheidung des Gerichts. Die Beschwerden seien nicht nachträglich ergänzt worden. Konkret ging es um die Paragraphen 113b Abs. 1 bis 4 sowie 113c Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes und die Paragraphen 100g Abs. 2 sowie 100g Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Paragraph 100g Abs. 2 der Strafprozessordnung.

Gegen die so geregelten Pflichten zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung hatten sich Telekommunikationsdienstleister an das Bundesverwaltungsgericht gewandt, das im September 2019 den Fall wiederum der Klärung durch den EuGH überließ. Der entschied wiederum, dass das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehe, die präventiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsähen. Allerdings dürften Verkehrs- und Standortdaten sowie IP-Adressen gespeichert werden, wenn eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit vorliegt, entschied der EuGH.

"Es gibt keine Spielräume im deutschen Recht dafür, trotzdem eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung umzusetzen", sagte Konstantin Macher von Digitalcourage zur aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. "Wir fordern von der Politik, diesen Schlussstrich unter die Vorratsdatenspeicherung endlich zu akzeptieren." Jutta Witte, ebenfalls von Digitalcourage, ergänzte, die Koalition habe in ihrem Vertrag festgehalten, eine rechtsstaatliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung zu finden. Nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könne das nur heißen, die Vorratsdatenspeicherung zu streichen.

Unterdessen streben zehn EU-Mitgliedsstaaten eine neue Regelung des Themas an, wie aus einem geleakten Dokument des EU-Ministerrats hervorgeht. Um den Rahmen für eine neue Verordnung abzustecken, die letztlich auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Bestand hat, soll eine "High Level Experts Group" eingerichtet werden.

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Der Maildienstleister mailbox.org, der als Repräsentant der Internet- und Provider-Wirtschaft zusammen mit Digitalcourage und dem Journalistenverband DJV die Verfassungsbeschwerde eingereicht hatte, kommentiert, das Bundesverfassungsgericht habe erneut die Grundrechte gestärkt. "Es hat klargestellt, wie wichtig eine freie, nicht-überwachte Kommunikation als Grundlage der Gedanken- und Meinungsfreiheit ist", sagte mailbox.org-Chef Peer Heinlein. "Die deutsche Politik hat über Jahre immer und immer wieder neu versucht, die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür einzuführen. Es ist gesellschaftlich notwendig, dass dieses Thema ein für alle Mal beendet ist."

Der DJV sieht in der Entscheidung auch eine Bestätigung des Informantenschutzes: "Wir Journalisten können unseren Kontaktpersonen und Tippgebern ein Stück Rechtssicherheit geben. Das ist essentiell für den Erhalt der Pressefreiheit in Deutschland."

(anw)