Mit Ultraschall gegen Mikroplastik

Ähnlich wie die Anziehungskraft von Magneten wirkt Ultraschall auf Mikroplastik. Das stellten Forscher fest – und machten sich dies zu Nutze.

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Nicht nur an Land sammelt sich Plastik und Kunststoff – auch im Wasser in Form von Mikroplastik.

(Bild: NAUFAL ARIEQ WIRA P / Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
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Zwei gekoppelte Stahlröhrchen, ein paar Schläuche, ein Schallkopf: Die Innovation aus einem Labor der New Mexico Tech ist unscheinbar, kleiner als ein Lineal – und soll doch Großes vollbringen. "Wir wollen damit in Zukunft Mikroplastik aus Fluss- und Meerwasser entfernen", sagt Menake Piyasena. Dabei ist der Forscher eigentlich kein Kunststoffexperte. "Bisher haben wir Schallwellen genutzt, um biologische Zellen zu konzentrieren und dann Bioprozesse zu untersuchen. Dann kam uns die Idee: Was wäre, wenn wir diese Technologie auf Mikroplastik anwenden?"

Das Team um Piyasena setzte die Idee um und erzeugte in den Röhrchen über einen Schallkopf – ähnlich jenem aus der Arztpraxis – stehende Schallwellen, die nun Kräfte auf Kunststoffteilchen statt auf Biomoleküle ausüben. "Damit können wir Plastikpartikel im Wasser in bestimmte Richtungen dirigieren. Das funktioniert ähnlich, wie wenn magnetische Teile von einem Magneten angezogen werden", erklärt der Forscher.

Einen ersten Prototypen präsentierte das Team kürzlich auf der Frühlingskonferenz der "American Chemical Society". Er funktioniere mit reinem Wasser ebenso gut wie mit grob gereinigtem Flusswasser aus dem Rio Grande, berichteten die Forschenden. Zwischen 70 und gut 80 Prozent der Mikroplastikteilchen, die sie für ihre Experimente hinzugaben, konnten sie nach eigenen Angaben via Beschallung wieder herausziehen.

Mikroplastik wird in fließendem Wasser natürlich gestreut (links), aber wenn man die Schallwellen einschaltet, konzentrieren sich die Partikel an den Seiten des Rohrs (rechts), so dass sie leichter zu entfernen sind.

(Bild: Menake Piyasena)

Der Handlungsdruck ist groß. Schließlich treiben in Gewässern weltweit zig Millionen Tonnen Plastik, aus alten Flaschen, Fischernetzen, Flip-Flops und unzähligen weiteren Produkten, die irgendwann zu winzigen Teilchen zerfallen. Sind diese kleiner als fünf Millimeter, werden sie Mikroplastik genannt. Mikroplastik wird außerdem aus Reifenabrieb eingetragen, aus Kunstrasen, Fleece-Jacken und anderen Synthetik-Textilien sowie aus der Kunststoffindustrie.

Die Kunststoffwinzlinge, die zudem bedenkliche Zusatzstoffe enthalten können, verteilen sich überall auf der Welt. Auch in der Antarktis und auf Alpengipfeln wurden sie schon gefunden, in Tieren und Menschen. Welche Folgen das für die Ökosysteme und die Gesundheit hat, ist derzeit noch weitgehend unklar.

Gegenüber Filtern und Sieben, die üblicherweise genutzt werden, um Mikroplastik aus Wasser zu entfernen – von Wäschebeuteln für die Waschmaschine bis zum Membranfilter für die Trinkwasseraufbereitung – hat die Ultraschall-Methode laut Piyasena vor allem einen Vorteil. "Die Röhrchen verstopfen nicht mit der Zeit und müssen nicht aufwändig gewartet werden", sagt der Forscher.

Es ist nicht der erste Versuch, Mikroplastik mit filterlosen Systemen aus Wasser zu entfernen. Das gemeinnützige Greentech-Unternehmen Wasser 3.0 etwa setzt auf ein Hybridkieselgel, das vor allem aus Quarzsand besteht und wie ein chemischer Kleber auf die Partikel wirkt. Ein paar Milliliter auf rund 2000 Liter Abwasser einer Kläranlage oder Meerwasser genügen und das Gel vernetzt die Plastikpartikel zu größeren, popcornähnlichen Klumpen, die sich dann an der Wasseroberfläche sammeln. Von dort können sie zum Beispiel mit einem Sieb abgefischt oder automatisiert mit einem Skimmer in einen Sammelbehälter geschoben werden.

Etwa 95 Prozent der Mikroplastikpartikel will das mehrfach ausgezeichnete Unternehmen mit dieser Methode entfernen können. Zudem lassen sich beliebig große Mengen behandeln, in dem die Rührkessel einfach in Reihe geschaltet werden. Einen ersten Langzeittest in der Kläranlage Landau hat das Verfahren schon absolviert.

Forscherinnen des Fraunhofer-Instituts ILT in Aachen wiederum wollen das Mikroplastikproblem mit einem sogenannten Zyklonfilter entschärfen: eine zylinderförmige Folie mit zehn Mikrometer kleinen Löchern. Um diesen Filter herum bewegt sich ein Rotor, der durch den Unterdruck einen Sog erzeugt, sodass keine Partikel hängen bleiben. Und Wissenschaftler aus Südkorea oder Kanada setzen auf Elektrochemie, auf Elektroden, die Mikroplastik im Wasser mithilfe elektrischer Energie zu Kohlendioxid und Wasser oxidieren.

Die Idee, Ultraschall zum Mikroplastiksammeln einzusetzen, sei ebenfalls nicht neu, räumt Piyasenas Mitarbeiterin Nelum Perera ein. "Aber bisher haben Arbeitsgruppen mit nur sehr kleinen Wassermengen gearbeitet und mit Mikroplastikteilchen, die kleiner waren als 100 Mikrometer, also kleiner als der Durchmesser eines Haares", sagt die Forscherin.

Das Team hingegen habe den akustischen Mikroplastik-Entferner nicht nur erfolgreich mit Teilchengrößen bis zu 300 Mikrometern getestet, sondern auch mit verschiedenen gängigen Kunststoffen.

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Bei ihren Tests haben die Forscher zudem eine Entdeckung gemacht: Die Teilchenverteilung hing von der Wasserbeschaffenheit ab. In reinem Wasser sammelten sich alle Teilchen in der Mitte der Wasserströmung, sodass das gereinigte Wasser durch Schläuche an den Rändern abgezogen werden konnte.

Waren aber Tenside im Wasser, wie sie etwa in Waschmitteln oder Weichspülern enthalten sind, verhielten sich die kleineren Partikel bis etwa 180 Mikrometer anders als die größeren. Die Winzlinge trieben weiterhin in der Mitte, die größeren Partikel zog es hingegen nach außen. Um beide Fraktionen abzugreifen, schalteten die Forschenden schließlich zwei Stahlröhrchen hintereinander.

"Wir konnten rund 70 Prozent der kleineren und 82 Prozent der großen Plastikteilchen entfernen", sagt Perera. Ähnliche Ergebnisse habe das Team mit Flusswasser erzielt und mit Wasser aus dem campuseigenen Teich auf dem Gelände der New Mexico Tech. Für ihre Tests hatten die Forschenden das Wasser von gröberem Dreck gereinigt und eine definierte Menge Mikroplastikteilchen verschiedener Größen hinzugegeben.

Allerdings braucht die Wasserreinigung mit Ultraschall Zeit. Etwa anderthalb Stunden dauere es zurzeit noch, um einen Liter Wasser zu reinigen, sagt Perera. Das nächste Ziel des Teams sei es deshalb, die Röhrchen zu größeren Geräten zu bündeln und bald erste Tests mit Meerwasser zu starten.

Ob und wann die Methode für einen praktischen Einsatz genutzt werden kann, bleibt also abzuwarten. Bis dahin gilt es, Technologien zu nutzen, die schon jetzt funktionieren und vor allem Plastikeinträge in die Umwelt so weit wie möglich zu unterbinden.

Damit neue Verfahren eine Chance haben und ausgereifte möglichst bald umfassend genutzt werden, ist nicht zuletzt der Gesetzgeber gefragt. Vorgaben für Mikroplastikemissionen in Gewässer gibt es bisher nicht.

(jle)