Nerven-Sensor ohne Batterie

Forscher haben einen klitzekleinen Chip entwickelt, der sich im Gehirn von Motten implantieren lässt und über ein RFID-Lesegerät mit Strom versorgt wird.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Kate Greene

Forscher haben einen klitzekleinen Chip entwickelt, der sich im Gehirn von Motten implantieren lässt und über ein RFID-Lesegerät mit Strom versorgt wird.

Die zunehmende Miniaturisierung auch komplexester Elektronik erlaubt den Aufbau smarter Implantate, die den Betrieb neuartiger Prothesen und Gehirn-Maschine-Schnittstellen ermöglichen. Ein Problem dabei blieb bis zuletzt allerdings die Stromversorgung der im Körper liegenden Komponenten.

Forscher an der University of Washington haben nun einen neuartigen implantierbaren Sensorchip entwickelt, der Nervensignale aufzeichnen kann und dabei sehr wenig Energie verbraucht. Während andere drahtlose medizinische Komponenten wie Hörschnecken- oder Netzhautimplantate auf induktive Kopplung zur Stromversorgung setzen, bei der das Netzteil nur wenige Zentimeter neben dem Implantat liegen darf, bezieht die neue Sensorplattform namens "NeuralWISP" Strom von einer Funkquelle, die bis zu einem Meter entfernt liegen kann.

Zum Einsatz kommt dabei ein handelsübliches RFID-Lesegerät, das gleichzeitig auch zur Datensammlung verwendet wird. Im Experiment nutzten die Forscher das Gerät, um die Aktivitäten im zentralen Nervensystem einer Motte auszulesen, während diese sich bewegte.

Fortschritte bei der Miniaturisierung neuronaler Implantate werden bereits seit mehreren Jahren gemacht, doch bleibt ihr Aufbau schwierig. Es bedarf üblicherweise mehrerer Einzelkomponenten, um das Gerät komplett zu machen: Dazu gehört neben dem Chip (Mikrocontroller) selbst auch ein Taktgeber und eine Antenne für Kommunikation und Energieaufnahme. Diese seien im Vergleich zu den Transistoren im Mikrocontroller noch sehr groß, sagt Brian Otis, Professor für Elektrotechnik an der University of Washington und Forschungsleiter beim NeuralWISP-Projekt. "Man kann Millionen von Transistoren auf einem Chip haben, der weniger als einen Kubikmillimeter Volumen besitzt. Das Problem sind die notwendigen Zusatzteile." Ziel seines Projektes sei es nun, alles auf einen einzelnen Chip zu schrumpfen und den Stromverbrauch aller Komponenten so stark zu reduzieren, dass sich dieser Chip drahtlos betreiben lässt.

Das NeuralWISP-System besteht aus einer Sammlung kleinerer, wenig energiehungriger Komponenten, wie etwa einem spezialisierten Signalverstärker auf einer Platine, die nur gut zwei Zentimeter misst. Eine spätere Version soll alle Komponenten auf einen einzelnen Chip holen, der nur ein mal zwei Millimeter groß ist. Ein Schaltkreis wandelt den empfangenen Strom des Lesegeräts mit rund 430 Mikrowatt in eine Spannung um, die den Mikrocontroller anspringen lässt. Der Mikrocontroller wiederum kontrolliert den Sensor und den Taktgeber und lässt dann die notwendigen Befehle ablaufen, die den Output an das Lesegerät senden.

Ein Weg, Strom zu sparen, sagt Otis, sei es, die Anzahl der Messdurchläufe zu reduzieren, mit denen der Sensor die elektrischen Signale der Nervenzellen überwacht. Die Forscher programmierten den Mikrocontroller so, dass er "aufwacht", wenn es zu elektrischen Lastspitzen kommt und das Signal nur dann aufzeichnet, wenn es über einem bestimmten Schwellwert liegt. "Neurowissenschaftler interessieren sich für die Spitzenwerte, wir werden deshalb nicht die gesamte Gehirnwellenaktivität digitalisieren", sagt Otis.

Neben einer Handvoll von Techniken, das Design auf weniger Stromverbrauch zu optimieren, bauten die Forscher auch einen Verstärker auf, der das Signal der Nervenzellen verbessert und gleichzeitig Störeinflüsse unterdrückt. Dafür wird das ankommende Signal in zwei Teile aufgespaltet. Der Eingangsstrom durch die Nervenaktivität bleibt zwar gleich, doch die Aufteilung der Verarbeitung auf zwei Transistoren innerhalb eines Schaltkreises reduziert Störungen um die Hälfte.

Bei dem Mottenexperiment testeten die Forscher ihr batteriefreies System, indem sie Daten der elektrischen Signale der Flugmuskeln der Tiere sammelten. Diese Tests zeigten unter anderem die Frequenz an, mit der die Motten mit den Flügeln schlugen. Das aktuelle System ist zwar noch zu groß, als dass das Versuchstier frei fliegen könnte, doch der nächste Chip, der im Februar präsentiert werden soll, wird dafür klein genug sein, sagt Otis.

"Die meisten implantierbaren Geräte haben bislang niedrige Frequenzen verwendet", sagt Joseph Smith, leitender Ingenieur bei Intel und Organisator eines Treffens, bei dem NeuroWISP vorgestellt wurde. Eine niedrige Frequenz bedeute aber auch, dass das Lesegerät sich sehr nah befinden müsse. Mit kommerziellen RFID-Readern werde es nun möglich, Implantate zu betreiben und sie auch aus größerer Entfernung auszulesen.

Noch sei allerdings ungeklärt, ob die Antenne auch im Gewebe eine derart hohe Reichweite haben werde, weil das Signal von der Haut womöglich absorbiert würde. "Die Messung von Motten funktioniert gut, weil die Antennen nicht direkt im Gewebe sitzen müssen." Arto Nurmikko, Professor für Ingenieurwissenschaften an der Brown University, sieht das ähnlich. "Die größte Herausforderung wird nun darin liegen, zu zeigen, dass die Technik auch im Tierversuch an Primaten funktioniert." (bsc)