Kritik an Hamburger Urteil zu Mitstörerhaftung von Sharehoster [Update]

Der Jurist Patrick Breyer moniert, dass das Oberlandesgericht Hamburg seine im vergangenen Jahr eingeleitete Rechtsprechung fortschreibe, Urheberrechtsverstöße durch ein Verbot anonymer Online-Dienste zu unterbinden.

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Der Jurist Patrick Breyer moniert, dass das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg seine im vergangenen Jahr eingeleitete Rechtsprechung zur Mitstörerhaftung von Online-Diensteanbietern entgegen vieler Einwände fortschreibe. Mit einem Urteil von Ende September (Az.: 5 U 111/08) gegen RapidShare verfolge die Justizbehörde weiter das Ziel, das "Unwesen von Raubkopierern" durch ein "Generalverbot" anonymer Veröffentlichungsdienste im Netz zu unterbinden, schreibt der im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung aktive Experte in einem heise online vorliegenden Fachbeitrag.

RapidShare leistet laut der noch wenig beachteten Hamburger Entscheidung "der massenhaften Begehung" von Urheberrechtsverletzungen Vorschub. Die Rechteinhaber seien dagegen trotz der gesetzlichen Pflicht der Provider zur Löschung rechtswidriger Inhalte "vollständig schutzlos". Konkret stellt das Urteil im Streit um urheberrechtlich geschützte Nacktfotos den Leitsatz auf, dass ein Geschäftsmodell eines Hosting-Dienstes nicht schutzwürdig sei, wenn es vielfältige Rechtsverletzungen im Internet unter dem Deckmantel völliger Anonymität ermögliche. Davon sei bereits auszugehen, wenn fünf bis sechs Prozent der hochgeladenen Dateien illegal seien und sich daraus eine besonders hohe absolute Zahl an Rechtsverstößen ergebe. Dem Plattformbetreiber seien in diesem Fall auch Maßnahmen zumutbar, die in letzter Konsequenz zur Einstellung des Dienstes führen würden. Erforderlich sei bei bereits auffällig gewordenen Nutzern zumindest eine Überprüfung von — auch komprimierten — Dateien vor Veröffentlichung.

Für Breyer ist dieser Ansatz unhaltbar. Er beklagt, dass der zuständige Senat des OLG auf die "grundlegende und unverändert zutreffende Kritik" an dieser Rechtsprechung "im Lichte der Grundrechte" nicht ausdrücklich eingehe. Einige seiner früheren Forderungen zur Vorbeugung von Rechtsverletzungen wie die Einführung einer Anmeldepflicht für Nutzer würden nun zwar "differenzierter" dargestellt. Zudem hätten die Richter nun zumindest dem Namen nach einen "Grundsatz der Anonymität" genauso anerkannt wie die Unzulässigkeit einer generellen, personenbeziehbaren Nutzerprotokollierung ins Blaue hinein. Trotzdem halte der Senat im Kern daran fest, dass "protokollierungsfreie" Internet-Veröffentlichungsdienste ohne Vorabprüfung zur Verfügung gestellter Dateien illegal seien.

Die Auswirkungen, die ein solches Verbot hätte, sind laut Breyer kaum zu überschätzen. Neben Sharehostern oder anderen Webhostern wären auch Dienste wie viele Wikis oder Online-Foren betroffen, weil auch diese zur massenhaften Veröffentlichung etwa urheberrechtlich geschützter Liedtexte genutzt werden könnten. Eine Privilegierung von Plattformen, die der Meinungsfreiheit dienten, sei nicht möglich, weil inhaltsneutrale Dienste "immer sowohl zum grundrechtlich geschützten Meinungsaustausch als auch für Rechtsverletzungen genutzt werden können". Darüber hinaus wären auch die Anbieter anonymer Internetzugänge wie kostenlose Hotspots, öffentliche Internet-Terminals oder Internetcafés erfasst. Gleiches gälte letztlich für jegliche Tauschgelegenheit auch außerhalb des virtuellen Raums wie Computerclubs, Schulhöfe oder Flohmärkte und für jedes Vervielfältigungsgerät von Fotokopiergeräte bis zu CD-Brennern.

Wie in den Zeiten der Einführung privater Tonbandgeräte sieht der Jurist daher den Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht als Revisionsinstanzen vor der Aufgabe, den "Hamburger Forderungen" eine Absage zu erteilen. Sie müssten Rechteinhaber auf Vergütungsansprüche gegen diejenigen verweisen, "die gewerblich von dem rechteeingreifenden Informationsaustausch profitieren". Nur so sei ein angemessener Ausgleich zwischen dem Freiheits- und Datenschutzinteresse der überwältigenden Mehrheit rechtstreuer Internetnutzer, der Berufsfreiheit der technischen Dienstleister und dem Eigentumsinteresse der Rechteinhaber herzustellen. Der Gesetzgeber müsse dabei "Schützenhilfe" leisten, indem er die von der Justiz den Anbietern auferlegten "exzessiven Überwachungspflichten" im Rahmen einer Novellierung des Telemedien-Gesetzes "normenklar ausschließe".

[Update]:
Wie Rapidshare mittlerweile mitteilte, hat der Hoster Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg eingelegt, über die nun der Bundesgerichtshof entscheidet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (vbr)