Justizministerin: heimliche Online-Durchsuchung ist "beunruhigend"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht heutzutage ein größeres Ausmaß an Überwachung als in den 90-er Jahren. Sie hält an der Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung fest und kritisiert die heimliche Online-Durchsuchung.

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Die neue Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht heute ein größeres Ausmaß an Überwachung als in den 90er-Jahren, als sie zuletzt den Ministerposten besetzte. In einem Interview der Berliner tageszeitung (taz) verwies sie auf die heimliche Onlinedurchsuchung von Computern und die sechsmonatige anlasslose Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikationsverkehrsdaten. "Das Bundeskriminalamt hat präventive Befugnisse bei der Terrorabwehr erhalten. An all das haben wir in den 90-er Jahren noch nicht einmal gedacht."

Die Politikerin war 1996 zurückgetreten, weil sie die Einführung des großen Lauschangriffs nicht mittragen wollte. Auf die Frage, ob sich ihre Maßstäbe mittlerweile verändert hätten, sagte die Liberale, die heutige Situation sei mit der damaligen nicht vergleichbar. "Die FDP hat in den letzten elf Jahren nicht regiert, aber 2009 konnte ich in den Koalitionsverhandlungen einen Kurswechsel in der Innen- und Rechtspolitik einleiten."

Zwar hat es bislang noch keine Online-Durchsuchung gegeben, doch die Befugnis zum heimlichen Ausspähen der Computerfestplatte ist für Leutheusser-Schnarrenberger "sehr beunruhigend, weil der PC vielen Menschen als Schreibtisch, Gedächtnis oder Tagebuch dient und damit einen sehr persönlichen, privaten Charakter hat". Mit der Forderung nach der Abschaffung der Online-Durchsuchung habe sich die FDP in den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU aber nicht durchsetzen können.

Leutheusser-Schnarrenberger hatte gemeinsam mit anderen FDP-Politikern eine Verfassungsklage gegen die sechsmonatige Speicherung aller Telefon-, E-Mail- und Internet-Verbindungsdaten eingereicht. Die Ministerin will am 15. Dezember zur Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorratsdatenspeicherung nach Karlsruhe kommen. Sie komme dann nicht als Ministerin, sondern werde als "Beschwerdeführerin" zumindest anwesend sein. Eigentlich ist das Justizministerium in der Bundesregierung federführend für die seit 2008 laufende Vorratsdatenspeicherung und müsste das Gesetz auch in Karlsruhe verteidigen.

"Aus Respekt vor meinem jetzigen Amt werde ich nicht auf der Seite der Beschwerdeführer sitzen, aber ich werde anwesend sein", sagte die Justizministerin der taz. "Ich werde mich nicht zur Sache einlassen, will aber mit meiner Anwesenheit deutlich machen, dass ich zu meiner Rechtsposition stehe und die Bedeutung unterstreichen, die ich diesem Thema beimesse." Zur Entlassung von Staatssekretär August Hanning, unter Wolfgang Schäuble der führende Architekt der inneren Sicherheit, wollte sich Leutheusser-Schnarrenberger nicht äußern. Die Ablösung Hannings gilt unter Beobachtern als Indiz dafür, dass das deutsche Sicherheitssystem umgebaut werden soll.

Indes hat sich Leutheusser-Schnarrenberg auf dem Politik-Portal Abgeordnetenwatch zur Weitergabe von Fluggastdaten an die USA geäußert. Im Koalitionsvertrag stehe, dass sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit den USA für ein hohes Datenschutzniveau einsetzen werde. Ein automatisierter Zugriff auf den Zahlungsverkehr-Dienstleister SWIFT von außen solle ausgeschlossen werden. Es sei "ziemlich unglücklich, dass dieses Abkommen in der EU einen Tag vor dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages noch schnell nach den alten Regeln durchgepeitscht werden soll". Das würde das EU-Parlament brüskieren, das dem Abkommen kritisch gegenüber stehe und das mit dem Lissabonner Vertrag ein Mitentscheidungsrecht erhalte. Auch deshalb stehe die Bundesregierung dem Swift-Abkommen sehr distanziert gegenüber.

(anw)