Bundesrat warnt vor Wirtschaftsspionage durch SWIFT-Abkommen

Die Länderkammer hat sich in den Reigen der Gegner der geplanten transatlantischen Vereinbarung zum Transfer von Bankdaten eingereiht, während die Bundesregierung weiter um eine einheitliche Position ringt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 160 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Bundesrat hat sich in den Reigen der Gegner der geplanten transatlantischen Vereinbarung zum Transfer von Bankdaten eingereiht. Die Länderkammer teile die Sorge, "dass ein Zugriff auf die betroffenen Finanztransaktionsdaten die Gefahr von Wirtschafts- und Industriespionage großen Ausmaßes mit sich bringt", heißt es in einer am Freitag angenommenen Entschließung (PDF-Datei). "Erhebliche Bedenken" bestünden ferner insbesondere, "soweit eine Datenübermittlung auch ohne einen konkreten Verdacht auf strafbare Aktivitäten der Betroffenen beabsichtigt ist". Damit erhielten die Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika Befugnisse, die den deutschen Sicherheitsbehörden von Verfassungs wegen verwehrt seien.

Die Länderkammer erachtet eine substanzielle Beteiligung der nationalen Gesetzgebungsorgane und des EU-Parlaments an der Verhandlung des umkämpften Abkommens für den Zugriff von US-Behörden auf Daten des Finanzdienstleisters SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) angesichts der weitreichenden Bedeutung für die Freiheitsrechte und die wirtschaftliche Integrität der EU für geboten. Das in Belgien beheimatete SWIFT bündelt Überweisungsdaten von 9000 Banken aus über 200 Ländern. Eingeschlossen sind auch Überweisungen innerhalb der EU und Eilanweisungen innerhalb Deutschlands. Über das Netzwerk werden täglich im Durchschnitt fast 15 Millionen Transaktionen und Transfers mit einem Volumen von etwa 4,8 Billionen Euro abgewickelt.

Der Bundesrat erinnerte daran, dass sich die Informations- und Mitwirkungsrechte der Länder auch auf die Vorbereitung und den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen durch die EU erstreckten. Er bittet die Bundesregierung, der Übereinkunft im EU-Rat nur zuzustimmen, wenn Zweck und Voraussetzungen der Datenübermittlung hinreichend klar festgelegt seien. Eine Weitergabe der Überweisungsinformationen an Drittländer müsse ausgeschlossen, ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein. Die Länder schlagen vor, die Übermittlung ausschließlich auf inter-nationale Transaktionsdaten zu begrenzen und diese nur aufgrund eines konkreten Übermittlungsersuchens über ein "Push"-System zur Verfügung zu stellen. Ein automatisiertes Abrufverfahren, mit dem auf die Daten ohne weitere Kontrolle zugegriffen werden könne, sei in dem Abkommen ausdrücklich auszuschließen.

Auch die Bankenbranche wehrt sich laut Agenturberichten gegen die Übereinkunft zwischen Brüssel und Washington. Die bislang bekannt gewordenen Eckpunkte ließen befürchten, dass europäische Datenschutzstandards unterlaufen würden, heißt es demnach in einem Brief des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Der Entwurf könne so ausgelegt werden, dass jede Bank in der EU Adressat eines Datenzugriffs wäre.

Mehrere Landes- und Bundespolitiker der Liberalen stützten die kritische Haltung Leutheusser-Schnarrenbergers. "Die Bundesregierung darf dem vorliegenden Abkommen nicht zustimmen. Auch eine Enthaltung kommt nicht in Frage", erklärte etwa der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki. "Bei aller Verbundenheit zu unseren amerikanischen Freunden, ein pauschaler, flächendeckender Zugriff auf Überweisungsdaten europäischer Bankkunden ist ein Eingriff, den wir so nicht zulassen dürfen." Ähnlich äußerte sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf.

Bereits Mitte der Woche stemmte sich die CSU-Landesgruppe im Bundestag gegen die Vereinbarung. Die Abgeordneten forderten, die für Montag geplante Verabschiedung durch die Innen- und Justizminister der EU-Mitgliedsländer zu verschieben. Sie beklagten vor allem, dass das EU-Parlament am Verfahren nicht beteiligt werden solle, obwohl am 1. Dezember der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt. Dieser sieht neue Mitentscheidungsrechte für die Volksvertreter vor. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, hält das Abkommen dagegen für nötig: "Wir brauchen Kenntnis über die internationalen Finanzströme", sagte der CSU-Politiker im ARD-Hörfunk. Die USA hätten bereits große Zugeständnisse gemacht.

Die Bundesregierung wird sich vermutlich erst am Montag direkt vor der Abstimmung auf ihre Position festlegen. "Die Gespräche laufen noch", erklärte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums gegenüber heise online. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der zur entscheidenden Sitzung nach Brüssel fliegt, will sich laut Diplomatenkreisen enthalten und so den Weg für den zunächst auf ein Jahr angelegten Vertrag freimachen. Als Kompromiss habe man in Erwägung bezogenen, die Laufzeit noch weiter zu verkürzen und das EU-Parlament so schon frühzeitig im kommenden Jahr an der Arbeit an einer dauerhaften Lösung zu involvieren. Diese Linie müsse aber übers Wochenende noch mit Washington und den nationalen Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten besprochen werden. Generell sei der Druck "der Amis" sehr groß gewesen und von einer Schicksalsentscheidung die Rede.

(jk)