Es wird Ernst mit den Jugendschutzbestimmungen im Internet

Weil man die Übergangsprobleme der Internet-Branche mit dem neuen Jugendmediensaatsvertrag verstehe, verzichtete die Kommission für den Jugendmedienschutz bislang darauf, die fälligen Beanstandungen auszusprechen.

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Von
  • Monika Ermert

Bald wird ernst gemacht mit dem neuen Jugendschutzbestimmungen im Internet. Das kündigte der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Wolf-Dieter Ring, Anbietern bei den Münchner Medientagen an. Ring stellte dort eine erste Zwischenbilanz des seit am 2. April des Jahres eingesetzten obersten Gremiums für den medienübergreifenden Jugendschutz vor. In den ersten Monaten hat sich die KJM auf das Internet konzentriert. Weil er die Übergangs- und Umstellungsprobleme der Branche verstehe, verzichte man auch darauf, die im Prinzip täglich fälligen Beanstandungen auszusprechen. Die KJM habe sich in den ersten Monaten trotz aller Schwierigkeiten gut freigeschwommen, sagte Ring, der zwischen dem KJM-Sitz in Erfurt und der Münchner Geschäftsstelle pendelt. Aber nur die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen hat bislang das offizielle Plazet der KJM. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia hat noch keinen Antrag auf Anerkennung gestellt.

Als erledigt verzeichnet die KJM bisher vor allem die Formulierung von Anforderungen an geschlossene Nutzergruppen und Altersverifikationssysteme von Erotik-Anbietern im Internet. Zwei Anbieter solcher Systeme habe man zugelassen, mit weiteren sei man im Gespräch. Die anonyme Angabe einer Personalausweisnummer werde man auf keinen Fall akzeptieren und noch in diesem Jahr werde man konsequent gegen Verstöße vorgehen. "Drohungen über die Abwanderung von Teilen der pornographischen Industrie ins Ausland muss uns nun nicht so erschrecken, dass wir deutsches Recht nicht anwenden."

Unterstützung bekam Ring dafür von Georg Kofler, Geschäftsführer des Pay-TV-Senders Premiere, der lautstark gegen die Wettbewerbsvorteile der Internetbranche wetterte. "Sie sind ja noch Welten hinter uns zurück", warf Kofler der Jugendschutzbeauftragten von T-Online, Gabriele Schmeichel, vor. Vor allem mit Blick auf den Anspruch von T-Online als "Hollywood-aus-Darmstadt"-Wettbewerber zu den klassischen Medien aufzutreten, begrüße er die Jugendschutzanforderungen ans Internet. "Dass ihnen das Mühe macht, das möchten wir auch." T-Online sei ein größeres Medienhaus als viele klassische Programmveranstalter.

Schmeichel hatte demgegenüber auf zahlreiche praktische Probleme mit dem Jugendmedienstaatsvertrag hingewiesen. Nicht nur die KJM, auch die Unternehmen hätten erhebliche Mehrbelastungen durch den neuen Staatsvertrag. Vor allem der Aufwand, der durch die Einstufung von Inhalten als "entwicklungsbeeinträchtigend" besteht, sei enorm, meinte Schmeichel. In der vergangenen Woche hätte das Unternehmen erstmals die eigenen Redakteure dazu geschult, die Unsicherheit sei beträchtlich. Ausländischen Vertragspartnern sei dies im Übrigen kaum noch zu vermitteln. "Dynamische Änderung von Webseiten durch sie sind daher praktisch nicht mehr möglich." Die Internationalität des Netzes sei "eingeengt", sagte Schmeichel. Die Wettbewerbsfähigkeit müsse dadurch leiden.

Einfache Pornographie deutscher Anbieter dürfte sich am Ende als die kleinste Schwierigkeit für die KJM entpuppen. Die von Schmeichel genannte Problem, dass schwer zu entscheiden ist, was "entwicklungsbeeinträchtigend sein kann", ist deutlich schwerer zu lösen. Laut Staatsvertrag müssen entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte durch ein geeignetes Jugendschutzprogramm für Kinder unzugänglich gemacht werden. Nur: Keines der auf dem Markt vorhandenen Filter- oder Jugendschutzprogramme genügt den Anforderungen der KJM. Das Rating- und Filtering-Programm ICRA soll nun wenigstens als Pilotprojekt zugelassen werden. Es gebe, meinte Ring, Gespräche mit Anbietern anderer Konzepte, deren Namen er nicht nennen könne. Noch gar nicht wirklich auf dem Radar der KJM sind im Moment Angebote aus dem Ausland, obwohl von dort am Ende der Großteil der Inhalte kommen wird, gegen die die KJM antritt. Wolf Osthaus, Jugendschutzexperte für den IT-Verband Bitkom, sagte am Rande der Veranstaltung: "Offensichtlich will man erst einmal hierzulande ausmisten." Die Sorge, dass anschließend die Zugangsprovider zur Verantwortung gezogen werden, ist laut Osthaus nicht ganz unberechtigt.

Kritische Nachfrage kassierte die KJM in Bezug auf die Transparenz ihrer Arbeit und der Eintscheidungsgründe in Einzelfällen. "Eine Berichtspflicht im Gesetz wäre gut gewesen", sagte Schmeichel. Zahlen zu aktuellen Beanstandungen von Webinhalten konnte Friedemann Schindler von Jugendschutz.net auf Anfrage von heise online nicht nennen. Allerdings dürften es ziemlich viele sein, wenn, wie Schindler in der Diskussion ausführte, "nicht mehr das internationale Internet der Maßstab ist, sondern wir jetzt den Maßstab aus dem traditionellen Rundfunk anlegen." (Monika Ermert) / (jk)