ICANN eröffnet Büro in Brüssel

"Mit der Eröffnung des Büros in Europa wird ein wichtiger Schritt zur weiteren Internationalisierung von ICANN getan", sagte Paul Verhoef, einer von zwei designierten Vizepräsidenten für die private Netzverwaltung.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) wird künftig auch in Europa eine Niederlassung haben. Im Januar soll ein Büro in Brüssel eröffnet werden. Das sagte Paul Verhoef, einer von zwei designierten Vizepräsidenten für die private Netzverwaltung, im Gespräch mit heise online. Als Vizedirektor für den Bereich Business hat die ICANN Kurt J. Pritz nominiert, der neue Justitiar ist John O. Jeffrey. Erstmals zieht mit Verhoef auch ein Europäer ins ICANN-Management ein. Der Niederländer Verhoef, derzeit noch Leiter für die Bereiche internationale Politik und Regulierung der Generaldirektion Informationsgesellschaft, wird gleichzeitig auch das neue Büro in Brüssel leiten. Er rechnet damit, dass er innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre eine Mannschaft von rund sechs Leuten haben wird. Seine Aufgabe bestehe vor allem darin, den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Organisation mit den vielen beteiligten Gruppen zu organisieren.

"Mit der Eröffnung des Büros in Europa wird ein wichtiger Schritt zur weiteren Internationalisierung von ICANN getan", sagte Verhoef. Es sei davon auszugehen, dass weitere kleinere Regionalbüros in anderen Teilen der Welt hinzukommen. ICANN müsse langsam wachsen. Verhoef hat bereits im EU-Kabinett unter Martin Bangemann die Geburtswehen der ICANN begleitet. Er habe sich für den neuen Posten entschieden, weil es sich bei der Netzverwaltung um "eines von den heißesten politischen Themen handelt, die es zur Zeit gibt." Bei ICANN werde mit einem neuen Modell experimentiert, wie Regierungen, Privatindustrie, internationale Organisationen und Endnutzer bei der Lösung globaler Fragen zusammenarbeiten. Auch aus anderen Sektoren der Wirtschaft werde diesem Modell viel Interesse entgegengebracht, so Verhoef. Insgesamt haben sich rund 10 Bewerber um den Posten bemüht.

Formell bleibt Verhoef zwar Mitglied der Kommission, die ihn für seinen neuen Posten praktisch freistellt. Dies habe allerdings keinerlei politische Gründe, sagte der Niederländer. Das ICANN-Büro werde -- anders als das schon bestehende Brüsseler Sekrektariat für den ICANN-Regierungsbeirat -- völlig unabhängig agieren. Das GAC-Sekretariat sei im übrigen nur eine Einrichtung auf Zeit. Auch strukturell sei nicht abschließend klar, wie ICANN sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln werde. Aber bei seinem derzeitigen Arbeitgeber sei man der Auffassung, dass das ICANN-Modell eine Chance erhalten müsse.

"Eine internationale Regierungsorganisation, wie sie von manchen Staaten auch im WSIS-Prozess favorisiert wird, würde sich bei vielen ICANN-Aufgaben sehr schwer tun", sagte Verhoef. Das beste Beispiel dafür sei die Auseinandersetzung um VeriSigns Sitefinder. Internationale Regierungen hätten kaum so schnell reagieren können wie ICANN dies getan habe. Zudem würde die Neugründung oder auch nur Anpassung einer bestehenden internationalen Regierungsorganisation Jahre in Anspruch nehmen.

Die Sitefinder ist nur eine von mehreren Tagesordnungspunkten, die beim ICANN-Treffen im tunesischen Karthago verhandelt wird. "Wir befinden uns aktuell bei der technischen Evaluierung von Sitefinder", sagte ICANNs Präsident Vint Cerf. ICANNs CEO Paul Twomey hat das für Top Level Domains zuständige Gremium damit beauftragt, bis zum 15. Januar Vorschläge für ein Prozedere zu machen, nach dem Registries neue Services einführen können. Ob VeriSign solange stillhält ist freilich nicht sicher. Cerf sagte mit Blick auf die Agenda in Tunesien, nach langen Debatten über die ICANN-Struktur "bin ich als Techniker ehrlich froh, dass wir uns mit substanziellen Fragen über die Funktionen des DNS befassen". Weitere Themen sind IPv6, ENUM und die internationalen Domains, die Frage nach einer Verbesserung des Whois, aber auch markenrechtliche Fragen rund um WIPO 2.

Die Strukturfrage indes hat man keineswegs vom Tisch. Abgesehen vom Aufbau des geplanten Büros sind weder die Gremien der ccTLDs noch der RIRs schon in trockenen Tüchern. Twomey sagte zwar, man sei nahe an der vorgesehenen Gründungsgröße. Aus jeder ICANN-Region sollen aber mindestens vier Mitglieder ihren Beitritt erklärt haben, derzeit hat das mit der Niederlande erst eine europäische Länderdomain getan. Auch dafür muss das neue Brüsseler Büro vielleicht noch die Trommel rühren. (Monika Ermert) / (anw)