"Avatar"-Verleih subventioniert Plastikmüll [Update]

Der 3D-Film "Avatar" sorgt für Unmut bei Kinobetreibern: Der zuständige Verleih Twentieth Century Fox bevorteilt Kinos mit Einwegbrillen-3D-Systemen. Wer keine Wegwerfbrillen verkauft, bekommt keine Subventionen.

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Von
  • Jan-Keno Janssen

Die Promo-Maschine für den am 17. Dezember anlaufendem 3D-Film "Avatar" rattert auf Hochtouren – und bei vielen Kinobetreibern regt sich Unmut. Denn das Hollywood-Studio Twentieth Century Fox, dessen deutsche Filiale hierzulande den Verleih übernimmt, will Kinobetreiber bevorzugen, die 3D-Systeme mit Einwegbrillen einsetzen. Lichtspielhäuser, in denen die räumlichen Bilder mit den Mehrwegbrillen-Systemen XpanD und Dolby 3D erzeugt werden, müssen einen größeren Anteil am Ticketumsatz an den Verleih abgeben als Kinos mit den Einwegbrillen-Systemen RealD und MasterImage. Einige Kinobetreiber planen bereits, kartellrechtlich gegen die Ungleichbehandlung vorzugehen. Der Film gilt in der Branche als potenzieller Kassenschlager: "Titanic", der letzte Film, den "Avatar"-Regisseur James Cameron in die Kinos gebracht hat, spielte weltweit 1,8 Milliarden US-Dollar ein.

Beim 3D-Film "Avatar" (hier ein Szenenfoto) unterstützt der Verleih explizit Kinos mit Einwegbrillen-3D-Systemen.

(Bild: Twentieth Century Fox)

In einem heise online vorliegendem Beiblatt zu den "Avatar"-Verleihbedingungen heißt es: "Soweit die 3D-Brillen an die Besucher verkauft werden [...], gestattet Fox dem Besteller, den tatsächlich in Rechnung gestellen Betrag, maximal jedoch €1,00 brutto pro verkaufter 3D-Brille nicht zum Bestandteil der für den Verleihanteil relevanten Bruttoeinnahmen zu machen." Kinos, die ihre Brillen nicht verkaufen, sondern nur für die Zeit der Vorführung verleihen, dürfen den einen Euro also nicht von ihren Bruttoeinnahmen abziehen.

Dabei sind Mehrwegbrillen-Systeme keineswegs kostengünstiger für die Kinobetreiber: So müssen sich die teuren Brillen (bis zu 50 Euro pro Stück) erst einmal amortisieren, außerdem ist es erforderlich, dass Mitarbeiter die Brillen austeilen, einsammeln und reinigen. Einwegbrillen (RealD-Brillen kosten derzeit 51 Cent) werden dagegen an der Kasse zusammen mit dem Ticket verkauft, zusätzliche Arbeitskräfte braucht man hier nicht.

Auch bislang war es üblich, dass sich der Verleih an den Kosten fürs Brillen-Handling zumindest teilweise beteiligte – dabei wurde allerdings nicht zwischen den vier 3D-Systemen unterschieden.

Was Fox dazu bewegt, nur Einwegbrillen – und damit Plastikmüll – finanziell zu fördern, ist unklar. Auf Anfrage wollte sich das Unternehmen nicht zu dem Vorgang äußern. Zumindest mit der Qualität kann es nichts zu tun haben: Das XpanD-Shutterbrillensystem sowie das auf Interferenztechnik beruhende Dolby-3D-System sind den Polarisationsverfahren RealD und MasterImage zumindest in puncto Kanaltrennung leicht überlegen.

RealD-Brillen kosten im Einkauf 51 Cent.

In Deutschland sind es hauptsächlich kleinere Kinos, die Mehrwegbrillen-Systeme einsetzen (siehe auch 3D-Kinoliste auf heise online). Große Ketten wie Cinemaxx, CineStar und UCI Kinowelt nutzen fast ausschließlich RealD-Einwegbrillen. Die Multiplex-Kunden zahlen hier nicht nur einen 3D-Aufschlag, sondern auch die Brille selbst. Besucher, die eine eigene 3D-Brille mit ins Kino bringen, müssen dennoch in vielen Kinos den Brillen-Kaufpreis zahlen. Die Cinemaxx-Gruppe rechtfertigt das mit der hohen Empfindlichkeit der Brillen: "Selbst durch kleine Kratzer können schon Probleme bei der gewünschten Wahrnehmung auftreten", erläuterte Pressesprecher Arne Schmidt auf Anfrage. Twentieth Century Fox unterstützt mit seiner "Avatar"-Regelung solch ein Vorgehen.

Benachteiligt sind durch die Regelung nicht nur diejenigen Kinos, die die Mehrwegsysteme XpanD und Dolby 3D einsetzen, sondern auch RealD-Kinos, die ihren Kunden erlauben, ihre alten Brillen wiederzuverwenden. Bringt ein Kunde eine RealD-Brille mit, geht dem Kinobetreiber nicht nur der Gewinn durch den Brillenverkauf durch die Lappen, sondern auch die Subvention von Twentieth Century Fox. Kinos, die ihre Kunden zwingen, vor jeder Vorführung Wegwerfbrillen zu kaufen, kassieren dafür doppelt: Einmal machen sie Gewinn mit dem Verkauf selbst, obendrauf gibt es den Bonus vom Verleih.

Wird die Plastikmüll-Subvention zum Regelfall, werden sich viele Kinobetreiber überlegen, ob sie nicht auch die Einwegbrillen mit Kaufzwang einführen – Kundenfreundlichkeit würde sie schließlich bares Geld kosten.

[Update] Cinemaxx-Pressesprecher Arne Schmidt teilte heise online jetzt mit, dass das Unternehmen sehr an einem Mehrwegssystem interessiert sei und dies RealD auch schon signalisiert habe. Schmidt betonte, dass man vor zwei Monaten in allen Cinemaxx-3D-Kinos spezielle Behälter aufgebaut habe, in die Besucher nach der Vorstellung ihre RealD-Brillen werfen können. Die Kunststoff-Brillen würden dann recycelt.

Siehe dazu auch: