Später Entwurf für BKA-Sperrvertrag veröffentlicht

Der Netzaktivist Alvar Freude hat vom Provider 1&1 einen Entwurf für einen Vertrag mit dem Bundeskriminalamt "über die Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten im Internet" erhalten und online gestellt.

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Der Netzaktivist Alvar Freude hat von 1&1 einen Entwurf für einen Vertrag zwischen dem Zugangsanbieter und dem Bundeskriminalamt (BKA) "über die Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten im Internet" erhalten und online gestellt. Das Papier stammt nach Angaben des Providers aus dem Bundesfamilienministeriums und ging am 2. Juni ein. Es soll in wesentlichen Punkten mit den privatrechtlichen Vereinbarungen identisch sein, welche die fünf großen Zugangsanbieter Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, Telefonica/O2 und Kabel Deutschland Mitte April mit dem BKA auf Druck der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) abschlossen.

Das Dokument deckt sich in weiten Teilen mit einem frühen, vom Chaos Computer Club (CCC) im Februar zugänglich gemachten Vertragsentwurf (PDF-Datei). Demnach sollte die Wiesbadener Polizeibehörde werktäglich eine Liste zu blockierender "vollqualifizierter Domainnamen" erstellen. Unter den Adressen, die Kritikern zufolge offen gelassen hätten, ob ein einzelner Host oder eine ganze Domain zu sperren gewesen wären, sollten sich kinderpornographische Schriften im Sinne von Paragraph 184b des Strafgesetzbuches befinden. Erfasst worden wären auch Kennungen, deren Zweck darin besteht, den Zugang zu derartigen Seiten zu vermitteln. Möglich machen sollte dem Provider die Sperre eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Die Blockade wäre auf Basis des Domain Name Systems (DNS) zu implementieren gewesen und hätte so vergleichsweise einfach umgangen werden können.

Von "jeglichen Schadensersatzansprüchen" wollte das BKA den Vertragspartner freistellen. Zudem versicherte die Polizeibehörde, im Fall einer rechtlichen Auseinandersetzung mit Gegnern der Web-Sperren aufgrund eines Beweisbeschlusses eines Gerichts "die prozessual erforderlichen und gebotenen Beweismittel in das Verfahren einbringen" zu wollen. Auch sonst wolle sie bei Bedarf die Polizei etwa durch Stellungnahmen unterstützen. Die Pflicht zur Umsetzung der Blockadetechniken war mit sechs Monaten angesetzt, eine dreimonatige Kündigungsfrist vorgesehen. Mit Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung zur Zugangserschwerung sollte der Vertrag enden.

Die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), Branchenverbände und Rechtsexperten hatten im Rahmen der Debatte erhebliche grundrechtliche Bedenken gegen den vertragsrechtlichen Ansatz vorgebracht. Die Filterprojekte der fünf Provider wurden in letzter Minute unter anderem durch die Einigung von CDU/CSU und FDP auf einen Koalitionsvertrag  gestoppt. Danach soll das BKA per Dienstanweisung des Bundesinnenministeriums an der Übermittlung von Sperrlisten gehindert werden. Auch ein Prozess vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden warf dem Vorhaben Steine in den Weg. 1&1 hat den Vertrag einem Sprecher zufolge nicht unterzeichnet, da der Entwurf keinen Gesetzesvorbehalt enthalten und der Bundestag zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens das vom Bundespräsidenten nach wie vor geprüfte Zugangserschwerungsgesetz verabschiedet habe. (anw)