Die Chance von Kopenhagen

Die Klimakonferenz COP15 ist in dreifacher Hinsicht gescheitert. Das ist gar nicht schlecht, denn wir haben uns Illusionen hingegeben.

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Von
  • Niels Boeing

Die Klimakonferenz COP15 ist in dreifacher Hinsicht gescheitert. Das ist gar nicht schlecht, denn wir haben uns Illusionen hingegeben.

Das verlorene Jahrzehnt, wie Der Spiegel die 00er-Jahre richtig genannt hat, ist mit einem angemessenen politischen Ereignis zuende gegangen: dem Scheitern der Kopenhagener Klimakonferenz. Der unverbindliche "Copenhagen Accord" enthält nichts Greifbares, was das Kioto-Protokoll ablösen und die nötige Klimapolitik des kommenden Jahrzehnts gestalten könnte. Es ist reiner Zweckoptimismus, wenn der WBGU-Vorsitzende Hans-Joachim Schellnhuber erklärt, immerhin sei die von der Wissenschaft angemahnte Zwei-Grad-Leitplanke zum ersten Mal politisch anerkannt worden.

Dieses Scheitern ist keine Überraschung. Was bedeutet es aber – über die wohlfeilen Erklärungen hinaus, man wolle 2010 aus der Vereinbarung doch noch irgendwie einen internationalen Vertrag zimmern?

1. Die Idee von der internationalen Staaten-"Gemeinschaft" als Zukunftsakteur ist gescheitert.
Die Kopenhagen-Konferenz steht in einer langen Reihe mit anderen internationalen Verhandlungsrunden, die keine Einigung herbeiführen konnten. Ob Welthandel, Welternährung, Abrüstung – eine nachhaltige Zukunftsordnung ist nirgendwo in Sicht. Spieltheoretiker wird das nicht wundern, denn wenn schon zwei Akteure das Gefangendilemma nicht optimal lösen können, wie sollen es 192 Akteure? Zudem hat sich die Welt seit Kioto 1997 geändert. Die USA sind nicht mehr die unangefochtene Führungsmacht "G1", die sie in den 1990ern waren. Der Anfang vom Ende der G1 war die Weigerung des größten CO2-Emittenten der Welt, das Kioto-Protokoll zu ratifizieren – ein moralischer Gesichtsverlust. Stattdessen haben wir nun eine neue Weltunordnung, in der verschiedene Blöcke – in wechselnden Allianzen – konkurrieren.

2. Die auf CO2 fixierte Klimapolitik von oben ist gescheitert.
Auch wenn es im nachhinein so aussieht, dass Kioto im Vergleich ein "Gipfel des Glücks" war – so unser früherer Mitblogger Matthias Urbach von der taz –, stellte dessen Ergebnis eine Verengung dar. Man glaubte, ein CO2-Handel mit Joint Implementation und Clean Development Mechanism werde es schon richten. Unterm Strich führten die nicht nur nicht zu einer umfassenden CO2-Reduzierung, weil sie unsinnig angelegt waren. Sie verhinderten auch, rechtzeitig weitere Aspekte des Klimawandels – Anpassung sowie die Reduzierung anderer Treibhausgase – anzupacken. In Kopenhagen die Klimaschutzpolitik à la Kioto weiter auszubauen, hätte sehr wahrscheinlich bis 2020 ebenfalls nicht die nötigen Fortschritte gebracht. Dies auch, weil hierin eine überkommene Vorstellung von Technologie-Transfer angelegt war. Der Norden hat nie daran gedacht, dem Süden Klimaschutz-relevantes Knowhow ohne Bedingungen zu überlassen. Es ging immer darum, dieses Knowhow zu verkaufen und aus dem Klimaschutz einen neuen Markt zu machen, auf dem der Norden seinen technischen Vorsprung weiter ausbauen kann.

3. Der Glaube, die Verantwortung für die Klimapolitik könne an die eigene Regierung delegiert werden, ist gescheitert.
In Kopenhagen konnte man dabei zuschauen, wie nationale Eliten ihre eigenen Interessen gegen die Konkurrenz verteidigen. Es mag Ausnahmen gegeben haben wie den pazifischen Zwergstaat Tuvalu, dessen Delegierter Ian Fry am Ende auch noch den Minimalkompromiss zu Fall brachte, weil er seine 12.100 Landsleute nicht für "30 Silberlinge" verkaufen wollte. Aber sonst ging es um Kostenminimierung und Wachstumsraten für die eigene Ökonomie – die nicht identisch ist mit dem Allgemeinwohl. Dazu passt auch die Repression des Konferenzgastgebers Dänemark, nicht nur gegen Demonstranten, sondern auch gegen Umweltorganisationen, deren Vertretern mitunter der Zutritt zur Konferenz verweigert wurde. Die Zivilgesellschaft war offensichtlich nicht erwünscht.

In diesem dreifachen Scheitern steckt aber die Chance, Illusionen aufzugeben. Denn es ist zum einen die Zivilgesellschaft, die eine andere Klimapolitik auf den Weg bringen muss. Der neue Greenpeace-Chef Kumi Naidoo hat gar zu zivilem Ungehorsam aufgerufen (was ihn recht bald als potenziellen Terroristen qualifizieren dürfte – und der Mann hat auch noch einen finsteren Vollbart).

Zum anderen kann eine sinnvolle Klimapolitik auf regionaler und lokaler Ebene mehr bewirken als jeder UN-Masterplan – und auf dieser Ebene ist bereits einiges in Bewegung gekommen. Tatsächlich sind die wohlmeinenden Analysen des Klimarats IPCC mit ihrem groben globalen Raster manchmal gar nicht in der Lage, Anpassungsstrategien lokaler Ethnien von Nichtstun zu unterscheiden.

Ein Durchschnittskompromiss in Kopenhagen hätte viele in der falschen Sicherheit gewiegt, jetzt würden "die da oben" endlich etwas tun. Seit Samstag kann jeder wissen, das "wir hier unten" die Sache in die Hand nehmen müssen. (nbo)