Brasiliens Regierung wird Produzentin von Open Source

Alle im staatlichen Auftrag erstellten Softwareprodukte werden unter der neuen Open-Source-Lizenz Creative-Commons-GPL lizenziert.

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Von
  • Janko Röttgers

Brasiliens Regierung hat gestern bekannt gegeben, alle mit öffentlichen Geldern finanzierten Softwareprojekte als Open Source zu veröffentlichen. Dabei setzt das südamerikanische Land auf die neue Creative-Commons-GPL-Lizenz. Diese Lizenz erweitert die klassische GNU General Public License (GPL) der Free Software Foundation um das Interface und die Metadaten der Creative-Commons-Lizenzen. Das erste unter den Bedingungen dieser Lizenz veröffentlichte Programm wird die brasilianische Data-Mining-Anwendung TerraCrime sein. TerraCrime ermöglicht es, Verbrechensdaten statistisch auszuwerten und diese mit soziogeographischen Informationen zu vernetzen. Eben Moglen von der Free Software Foundation erklärte dazu, dieser Entschluss der brasilianischen Regierung sei ein enormer Schritt für die Free-Software-Bewegung. "Wir begrüßen die Chance, mit Creative Commons zusammenzuarbeiten, um die GNU GPL noch attraktiver für Regierungen zu machen", meint Moglen.

Die kalifornische Non-Profit-Organisation Creative Commons begann vor gut einem Jahr damit, Urheberrechtslizenzen für Musiker, Autoren, Filmemacher und andere Kreative zu veröffentlichen. Diese Lizenzen lassen sich individuell miteinander kombinieren, um Urhebern eine möglichst große Flexibilität im Umgang mit ihrem geistigen Eigentum zu geben. Die individuell zusammengestellten Lizenzen lassen sich in drei verschiedenen Formen abrufen: Eine allgemein verständliche Version soll es auch Laien erlauben, auf einen Blick die Lizenzierungsbedingungen zu erfassen. Ein juristischer Vertragstext legt die Rechte bindend fest. Die dritte Version schließlich basiert auf XML-Metadaten. Insbesondere dies könnte für Entwickler freier Software interessant sein, die damit zum Beispiel die Suche nach Programmbibliotheken vereinfachen oder auch die Verifizierung der Lizenzbedingungen eines Programms automatisieren könnten.

Dass die Creative-Commons-GPL nun in Brasilien vorgestellt wird, ist kein Zufall: Das Land hat sich zum Vorreiter der Open-Source-Bewegung in Lateinamerika entwickelt, seitdem Luiz Inácio Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei vor gut einem Jahr zum Präsidenten gewählt wurde. Vor drei Monaten erklärte ein Sprecher des in der Bevölkerung schlicht als Lula bekannten Präsidenten, man wolle 80 Prozent der neu anzuschaffenden Computer mit Open-Source-Software ausstatten und auch vorhandene PCs über kurz oder lang auf offene Betriebssysteme umstellen. Unterstützung bekommt Brasilien dabei von IBM.

Auch mit Creative Commons will das Land weiter zusammenarbeiten. So wird der brasilianische Kulturminister und Weltmusik-Star Gilberto Gil Mitte Dezember die neue Sampling-Lizenz des Creative-Commons-Projekts in Rio de Janeiro vorstellen. Diese Lizenz soll es Musikern ermöglichen, ihre Werke zum unentgeltlichen Sampling freizugeben, ohne dabei auf weiter gehende Urheberrechte zu verzichten. Damit ist es möglich, Versatzstücke eines unter diesen Bedingungen veröffentlichten Songs in einem neuen Song zu verwenden und dieses neue Werk auch kommerziell zu verwerten, ohne sich auf den oft langwierigen und kostenintensiven Prozess des Klärens von Sample-Rechten einlassen zu müssen. Das Verbreiten einer unveränderten Kopie des Original-Songs ist dagegen nicht ohne weiteres erlaubt. (Janko Röttgers) / (jk)