Bundeskanzler kritisiert Verfolgung von Internet-Nutzern in China

China werde sein Ziel, der weltweit größte Internet-Markt zu sein, nur erreichen, wenn das Netz für die eigenen Benutzer attraktiv sei. Dies setze die Freiheit aller Anbieter und Nutzer voraus, erklärte Gerhard Schröder.

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  • dpa

In der bislang deutlichsten Form hat Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch die staatliche Verfolgung von Internetnutzern in China kritisiert. Vor Studenten in Kanton sagte Schröder, China werde sein Ziel, schon bald der weltweit größte Internet-Markt zu sein, nur dann erreichen, wenn das Netz auch für die eigenen Benutzer attraktiv sei. Dies setze aber auch die Freiheit aller Anbieter und Nutzer voraus. Die Behörden Chinas verfolgen seit Monaten verstärkt Cyber-Dissidenten, die sich mit Forderungen nach mehr Meinungsfreiheit und demokratischen Rechten im Netz zu Wort melden. Menschenrechtsorganisationen sprechen von mehr als 60 Fällen, in denen es zu Festnahmen oder Prozessen gekommen ist.

Vor den Studenten der Sun-Yatsen-Universität in Kanton sagte Schröder, die deutsch-chinesischen Beziehungen seien inzwischen so eng, dass man auch über kontroverse Fragen wie die Menschenrechte konstruktiv miteinander reden könne. "Es geht uns dabei nicht um den Export bestimmter Vorstellungen, sondern darum, das Bewusstsein universaler Menschenrechte zu verbreitern und zu vertiefen", betonte er. Es sei wichtig, dass im gemeinsamen Rechtsstaatsdialog mit China nun auch über die Menschenrechte gesprochen werde.

Familien inhaftierter chinesischer Bürgerrechtler appellierten an Schröder, sich für deren Freilassung einzusetzen. Nach der Festnahme von zwei christlichen Aktivisten und hohen Haftstrafen für vier Sozialreformer, denen auch Internet-Aktivitäten zur Last gelegt worden waren, baten Angehörige den durch China reisenden Kanzler oder die deutsche Seite im Rechtsstaatsdialog, die Fälle anzusprechen.

Der Kanzler zog eine positive Bilanz seines fünften China-Besuchs. Ihn habe vor allem die rasante wirtschaftliche Entwicklung beeindruckt. Dies gelte auch für die große Offenheit der chinesischen Führung gegenüber Deutschland. Nach seiner Ansicht werden beim künftigen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen "spektakuläre Großprojekte" wie bislang nicht mehr im Vordergrund stehen. Es gehe jetzt vor allem darum, den deutschen Mittelstand bei Aufträgen zu stärken. In der südchinesischen Stadt Chengdu, der letzten Station seines dreitägigen China-Besuchs, befürwortete Schröder trotz der Kritik in Deutschland weiter den Verkauf von Teilen der Plutonium-Anlage aus Hanau an China. Eine Export-Genehmigung sei kaum zu verhindern, sagte der Kanzler.

Schröder verteidigte außerdem seine Position, das EU-Waffenembargo gegen China solle aufgehoben werden. Die Haltung sei mit Frankreich abgesprochen und werde offenbar auch von den meisten anderen EU-Regierungschefs mitgetragen. Zuvor hatte Schröder in Kanton bekräftigt, dass es bei der deutschen Ein-China-Politik bleiben wird, die die Anerkennung von Taiwan ausschließt. Er könne Chinas Gefühle und Sorgen wegen der Pläne Taiwans nach einer Trennung vom Festland verstehen. Er sei aber überzeugt, dass sich in diesem Konflikt "die politische Vernunft" durchsetzen werde. Peking hat dem Inselstaat offen mit militärischer Gewaltanwendung gedroht, falls Taiwan seine Ankündigung wahrmacht, sich auch formal von China zu lösen.

Zur Situation vor allem in China und dem Vorgehen des Staates gegen Internet-Aktivisten siehe auch:

(dpa) / (jk)