Österreich erhält "elektronisches Gedächtnis"

Das Bundeskanzleramt und das Österreichische Staatsarchiv haben Siemens IT Solutions und Services (SIS) mit der Errichtung eines elektronischen Archivs der Republik Österreich beauftragt. Ab Ende 2010 werden zunächst die Bundesministerien ihre aktuell anfallenden Daten einspielen, später sollen auch ältere Bestände eingepflegt werden.

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Die Republik Österreich bekommt ein digitales Langzeitarchiv. Österreichisches Staatsarchiv und Bundeskanzleramt haben Siemens IT Solutions und Services (SIS) mit der Errichtung beauftragt, die Archivierungssoftware kommt von der britischen Firma Tessella. Ziel ist es, die aktuell anfallenden elektronischen Aktenbestände "für die nächsten 1000 Jahre" aufzubewahren. Welche älteren Bestände wann digitalisiert werden, ist ebenso noch offen wie die Bedingungen für den Online-Zugriff. Im Staatsarchiv lagern 178 Regalkilometer Schriftgut, zurückreichend bis ins Jahr 816.

Das Österreichische Staatsarchiv zählt zu den bedeutendsten Archiven der Welt. Es fungiert als Zentralarchiv für die österreichischen Bundesministerien, verfügt aber auch über umfangreiche historische Abteilungen. Zu den Highlights zählen Martin Luthers 95 Thesen, Dokumente aus den Babenberger und Habsburger Epochen, Urkunden der obersten Organe des Heiligen Römischen Reiches, ein Exemplar der Goldenen Bulle Kaiser Karls des IV., Vertragsinstrumente des Westfälischen Friedens sowie eine beglaubigte Kopie des Österreichischen Staatsvertrags.

"Die Verwaltung hat einen hohen Digitalisierungsgrad erreicht", erläuterte Manfred Matzka, Präsidiumsleiter des Bundeskanzleramtes, "Viele Aktenbestände gibt es physisch nicht mehr." Dennoch müssten sie im "Gedächtnis der Republik" aufbewahrt werden. Dafür werden noch in diesem Jahr Server, Datenbanken und Applikationen im Wiener Siemens-Rechenzentrum sowie im zentralen Ausweichsystem (ZAS) des Bundes errichtet. Das ZAS befindet sich in einem Bunker in 300 Metern Tiefe in St. Johann im Pongau. Kommendes Jahr soll ein Webshop hinzukommen. SIS wird diese Systeme errichten und für acht Jahre betreuen. Nach fünf Jahren wird die Hardware erneuert. Dafür zahlt die Republik 4,58 Millionen Euro an Siemens. Für die Betriebskosten wird das Bundesrechenzentrum (BRZ) in dem Zeitraum etwa eine weitere Million aufwenden.

Alle Systeme werden auf VMWare-Clustern laufen. Den Oracle-Datenbanken und dem Apache Tomcat Webserver liegt Red Hat Enterprise Linux zugrunde, beim JBoss Application Server ist es hingegen Microsoft Server 2008. Hardware, Software und vor allem die zur Datenspeicherung eingesetzten Dateiformate (derzeit vorwiegend PDF/A) werden mit den Jahren immer wieder aktualisiert werden müssen.

Ab dem Jahresende werden die Bundesministerien ihre aktuell anfallenden elektronischen Daten laufend einspielen und auch ältere elektronische Bestände mit der Zeit einpflegen. Die aktuell anfallenden Datenmengen sind erstaunlich gering: Es sollen derzeit insgesamt etwa 2 TByte pro Jahr sein. Die Einbeziehung kleinerer Archive ist angedacht. Zugreifen dürfen, wie beim herkömmlichen Staatsarchiv, zunächst die zuständigen Bundesdienststellen. In ältere Bestände (meist ab 30 Jahren, teilweise ab 20 oder 50 Jahren) dürfen auch wissenschaftliche Forscher oder die Allgemeinheit Einsicht nehmen. Ob für die Online-Nutzung Gebühren anfallen werden, ist offen. (pmz)