Statt Sand: Wie Windeln eine Alternative in Beton sein können

Forschende wollen Sand in Baustoffen durch alte Windeln ersetzen und so das Bauen in Indonesien billiger machen. Ist das wirklich nachhaltig?

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(Bild: Achira22/Shutterstock.com)

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Mit oft übel riechenden, gebrauchten Windeln wollen Forschende das Bauen in Indonesien bezahlbarer machen – und zugleich die Mülldeponien entlasten, wie sie kürzlich im Fachmagazin Scientific Reports berichteten.

Für die Studie hatte das Team um Siswanti Zuraida von der japanischen Universität Kitakyushu entsorgte Windeln gereinigt, desinfiziert, geschreddert und dann in verschiedenen Anteilen in Beton-Mischungen gegeben. Nach dem Aushärten im Ofen testete es die mechanischen Eigenschaften der Baustoffproben.

Die Ergebnisse zeigen, dass bis zu 27 Prozent des Sands im Beton für die tragenden Teile eines einstöckigen Hauses durch Windeln ersetzbar ist – gemessen an den baurechtlichen Vorgaben in Indonesien. Für tragende Wände in zweistöckigen Häusern und Bodenplatten sind laut Studie ebenfalls Windelzugaben möglich, wenngleich in kleineren Anteilen. Mörtel für nicht tragende Steinmauern wiederum verträgt laut Studie einen Windelanteil von bis zu 40 Prozent.

Dass sich Kosten sparen lassen, wenn Sand ersetzt wird, mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Doch Sand ist nicht gleich Sand und jener für Beton oder Mörtel ist längst ein weltweit knappes Gut. Wüstensand zum Beispiel taugt nicht für Baustoffe. Dazu ist er durch Wind und Wetter viel zu rund und glatt geschliffen. Nicht umsonst muss selbst der Wüstenstaat Dubai für seine Betonhochhäuser Sand importieren, etwa aus Australien. Gewinnung und Transport schaden dem Klima und der Umwelt. Rund 50 Milliarden Tonnen Sand werden weltweit jedes Jahr für Baustoffe gebraucht. Die Organisation der Vereinten Nationen UN spricht von einer Sandkrise.

Das Recycling von Windeln könnte der neuen Studie zufolge nicht nur die wertvolle Ressource Sand ersetzen und dadurch Baukosten senken, sondern auch die Mülldeponien entlasten. Zwar enthalten Windeln hochwertige Polymere namens Superabsorber, Kunststoffe und Zellulosefasern, doch ein stoffliches Recycling findet in Indonesien laut Studie in der Regel nicht statt. Auch in Europa – allein in Deutschland fallen täglich zehn Millionen gebrauchte Windeln an – landen die meisten Windeln schlicht in der Müllverbrennung.

Dennoch hat die Recyclingidee der japanischen Forschenden auch Haken. Zum Beispiel müssten die gebrauchten Windeln für den Einsatz als Baustoff extra gesammelt und aufbereitet werden, räumen die Forschenden in ihrer Publikation ein.

Annette Hillebrandt, Architekturprofessorin an der Bergischen Universität Wuppertal und Autorin von Büchern zum nachhaltigen Bauen, sieht ein weiteres Manko: Denn mit den kunststoffhaltigen Windeln im mineralischen Beton werden verschiedene Materialklassen miteinander gemischt. "Das führt immer zu späteren Recyclingproblemen, also zum Downcycling bestenfalls oder gar zu Abfall", so die Architektin. Im Grunde backe man lediglich Müll in Gebäude ein. "Ein kurzfristiger Erfolg, aber 'on the long run' keine Lösung im Sinne von Ressourcenschutz und Abfallvermeidung."

Ein anderer – naheliegender – Nachteil des Windelbetons besteht indes nicht. Die Forschenden konnten zeigen, dass der Windelbeton nicht stärker mit Keimen belastet ist als die konventionell hergestellte Variante. Mit einer Geruchsbelästigung ist also nicht zu rechnen.

(anh)