Ein Anflug von Neugier

Neue Mikrokopter mit acht Rotoren lassen Modellflieger-Herzen höherschlagen. Aber auch Polizei und Militär interessieren sich zunehmend für die wendigen Geräte als Aufklärungshilfe.

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Von
  • Günter Stauch

Dieser Text ist der Print-Ausgabe 12/2009 von Technologie Review entnommen. Das Heft kann, genauso wie die aktuelle Ausgabe, hier online portokostenfrei bestellt werden.

Neue Mikrokopter mit acht Rotoren lassen Modellflieger-Herzen höherschlagen. Aber auch Polizei und Militär interessieren sich zunehmend für die wendigen Geräte als Aufklärungshilfe.

Nach einigen Tagen Werkstatt-Arbeit kam der ersehnte Moment, in dem "Kopter" sein erworbenes Modell-Fluggerät abheben ließ. Das Ergebnis war verblüffend, wie der Bastlerneuling im Internetforum beeindruckt schildert: "Als die Motoren das erste Mal angelassen wurden, hielt ich ihn sicherheitshalber in der Hand, um alle Funktionen zu überprüfen. Nachdem alles in Ordnung war, startete er vom Boden aus. Einfach genial, der Mikrokopter stand wie angenagelt in der Luft, reagierte dennoch sehr gut und direkt auf meine Steuerbefehle."

Nur von einem angenehmen Sirren begleitet, hält sich das insektenartige Gerät minutenlang in seiner Position: zwei über Kreuz montierte Aluminium-Stäbe, an deren insgesamt vier Enden sich jeweils ein Plastikpropeller horizontal um seine Achse dreht. Holger Buss würde sie eher als Rotoren bezeichnen, und die ganze Flugmaschine nennt er schlicht einen Mikrokopter.

Zusammen mit seinem Kollegen Ingo Busker hat der Ingenieur vor drei Jahren in der Modellflugszene eine neue Bewegung in Gang gesetzt. Zwar experimentierte schon der französische Luftfahrtpionier Étienne Oehmichen in den 1920er-Jahren mit dem vierrotorigen Flugprinzip und baute eine große Maschine, deren Propeller sich horizontal drehten und mit der er 1922 sogar zu einem bemannten Flug startete. Doch diese Art des Fliegens setzte sich in der Folgezeit nicht durch. Erst im Jahr 2006 holten die beiden deutschen Ingenieure das Bauprinzip wieder hervor und setzten es in verkleinerter Form bei Modellfliegern um. Mitte 2007 schwebte dann der erste viermotorige Mikrokopter neuer Bauart – ein Quadrokopter – über dem Boden. Seither tauchen immer mehr dieser kleinen Drehflügler am deutschen Himmel auf. Dank raffinierter Elektronik und feinster Sensoren fliegen die wendigen Geräte immer besser und erfreuen sich wachsender Beliebtheit unter Modellfliegern.

Im Mai dieses Jahr brachten Buss und Busker mit ihrem Unternehmen HiSystems den ersten Mikrokopter mit acht Motoren auf den Markt – einen sogenannten Oktokopter. Der Clou: Er bleibt sogar noch dann in der Luft, wenn vier Rotoren ausfallen – es sollten allerdings höchstens zwei pro Gerätehälfte und maximal zwei nebeneinander sein. So kann der Oktokopter zum Beispiel trotz einer Kollision mit einem Baum noch sicher landen, während beim Quadrokopter besser keiner der Antriebe ausfällt. Darüber hinaus kann der Oktokopter größere, bis zu 1,5 Kilogramm schwere Lasten transportieren und in speziellen, nachrüstbaren Halterungen zum Beispiel nicht nur ganz leichte, sondern auch größere Digitalkameras für Luftaufnahmen mitnehmen. Beide Wünsche hatte die Bastlergemeinde an Buss und Busker herangetragen.

Vor dem Start muss das Fluggerät mit einem Computer verbunden werden, um mit der Mikrokopter-Software die Steueranordnung festzulegen. Mit diesem eigens entwickelten Programm können nahezu alle Parameter an die Wünsche des Piloten angepasst werden: Zum einen für Standard-Flugmanöver wie Kurven und Schweben, zum anderen für sportlichere Ausflüge. Bei dieser Einstellung zirkelt der Oktokopter mit deutlich erhöhtem Spaßfaktor durch die Luft. Dann können Loopings, Flips, Turns und viele weitere akrobatische Flugfiguren hingelegt werden. "Einfach fantastisch", schwärmt ein Modellbau-Fachmagazin.

Mit ihren Flugeigenschaften ähneln Okto- und Quadrokopter am ehesten einem Hubschrauber. Sie seien aber, darauf besteht die kontinuierlich wachsende Fangemeinde, wesentlich einfacher in die Höhe zu bekommen und zu manövrieren. Ein Grund, weshalb angehende Selbstbau-Piloten neben technischem Verständnis nur ein paar Lötkenntnisse mitbringen müssen. Dennoch wird Anfängern geraten, vor dem ersten Abflug zunächst am "Flugmodell-Simulator" eine Stunde lang Starts und Landungen zu üben, um Frustrationen und abgebrochene Propeller zu vermeiden.

Auch das Bau- und Funktionsprinzip hat mit einem großen, mechanisch aufwendig ausgelegten und anspruchsvollen Heli wenig gemein: Neben dem Grundgerüst aus Leichtmetall oder Karbonfaser sowie den gegenläufigen, von kräftigen Elektromotoren getriebenen Rotoren benötigt die kleine Flugplattform eine spezielle Elektronik, um stabil in der Luft zu verharren. Für Richtungsänderungen muss der Mikrokopter praktisch aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Durch Drehzahlerhöhung an einer Stelle neigt sich das Fluggerät zur anderen Seite. Zum Beispiel rotieren beim Vorwärtsflug die hinten liegenden Blätter schneller. Mikrokopter-Piloten sprechen dann vom Nicken, bei Seitwärtsbewegungen nach links oder rechts vom Rollen. Dreht sich der Flieger um die Hochachse, ist vom Gieren die Rede. Entsprechend liest sich auch die Fluganleitung eines erfahrenen Mikrokopter-Piloten: "Nick drücken und mit dem Ausschlag Vorwärtsgeschwindigkeit dosieren, dabei Pitch nachlassen, weil der Übergangsauftrieb im Marschflug weniger Leistung erfordert, Gier korrigieren".

Diese dreidimensionale Beweglichkeit holt sich der ferngesteuerte Flugkünstler über eine interne Regelungssoftware. Sie verarbeitet Daten von Drehwinkelsensoren und berechnet daraus die Ansteuerung der einzelnen Motoren. Mit diesem System kann der Mikrokopter seine Lage im Raum zentimetergenau bestimmen und sogar selbstständig externe Einflüsse wie Seitenwind ausregeln, ohne dass der Pilot mit seiner Konsole eingreifen muss. Spezielle Platinen, auf denen sich der Hauptprozessor und sämtliche Sensoren des Mikrokopters befinden, erlauben verschiedene Flug-Modi. So etwa die Position-Hold-Funktion, mit der ein Standort schwebend beibehalten wird.

Da außer den Motoren keine mechanischen Teile wie Servoantriebe, Gestänge und Rotorköpfe notwendig sind, ist der Bau der Quadro- und Oktokopter vergleichsweise preiswert zu realisieren. Für etwa 700 Euro kommt ein kompletter HiSystems-Quadrokopter-Bausatz, für 1450 Euro ein Oktokopter-Kit mit Material, Kabeln, vorbestückter Platine und Antrieben nebst Anleitung und Internet-Links ins Haus.

Und dann ist es immer dasselbe: Erst soll er nur fliegen, kurze Zeit später steigen dann die Ansprüche. Wem aber das anfängliche Feeling nicht mehr ausreicht, der kann auf zahlreiche Erweiterungsmöglichkeiten zugreifen. Die schlagen mit einigen weiteren Hundert Euro zu Buche, zum Beispiel für die Aufrüstung mit GPS und Kompass. Dafür kann der Flieger dann "wie angenagelt" eine bestimmte Position am Himmel halten, um beeindruckende Luftaufnahmen oder 360-Grad-Panoramabilder zu schießen – auch mit handelsüblichen Digitalkameras.

Außerdem können die Bilder der komplett geflogenen Strecke auf eine MicroSD-Karte gespeichert und nach der Landung in Google Earth angeschaut werden.

Beliebt ist auch der Coming-Home-Betrieb: Legt der Pilot den entsprechenden Schalter an der Fernsteuerung um, fliegt der Mikrokopter auf direktem Weg zu seinem Herrchen zurück und bleibt dort in der Luft stehen. Das bei solchen Kleinfliegern bislang einmalige Feature löst bei seinen Anwendern echte Begeisterung aus. Manche lassen ihren Modell-Heli in der Ecke stehen, um sich fortan der Mikrokopterei zu widmen.

Holger Buss, der zuvor ein Jahrzehnt lang Windkraftanlagen entwickelte, machte sich aus reiner Neugier an die Technik des Mikrokopters: "Man kann sich in allen technischen Aspekten so richtig austoben." Von der rasanten Entwicklung der Mikrokopter-Branche selbst überrascht, sieht Buss durchaus noch Innovationsbedarf. Etwa was die Flugdauer der kleinen Drehflügler angeht, die heute bei etwa 30 Minuten Akkulaufzeit liegt. "Es könnten bald anderthalb Stunden sein", schätzt der Ingenieur. Oder die Zahl der Rotoren: Die nächste Stufe könnte eine Maschine mit zwölf Propellern darstellen.

Schon bieten etliche Mitbewerber wie das Münchner Start-up-Unternehmen Astec ebenfalls solche urigen Flugmaschinen zum Verkauf an, etwa den "Hummingbird" oder den viel größeren "Eagle". Was Buss indes Sorgen bereiten müsste, ist nicht so sehr die wachsende Konkurrenz, sondern vielmehr, dass dem Mikrokopter für begnadete Tüftler und Freizeitsportler der Verlust seines Spielzeugstatus droht. Denn die simple Flugtechnik und die fantastische Positionstreue beflügelt die Fantasie von Flug-ingenieuren. An mehreren deutschen Universitäten forschen Wissenschaftler bereits an neuen vier-, sechs- und achtmotorigen Flugapparaten, um deren technische Grenzen mehr und mehr auszuweiten.

Die Miniaturdrohnen – in Entwicklerkreisen "unmanned aerial vehicle" (UAV) genannt – könnten beispielsweise Windräder und andere technische Anlagen aus der Luft kontrollieren oder als fliegendes drahtloses Rechnernetzwerk zum Einsatz kommen. Sogar ihre Flüge sollen die Hightech-Fluggeräte einmal selbst organisieren und Hindernisse automatisch erkennen und Ausweichmanöver fliegen können.

Dabei wissen die Informatik- und Robotik-Institute den Vorzug der spinnenähnlichen metallischen Gebilde zu schätzen, dass sie sich für den Transport von Nutzlasten wie Digitalkameras besser eignen als Modellhubschrauber mit ihrem stabilisierenden, aber Kraft raubenden Heckrotor. An der Schwarzwälder Hochschule Furtwangen zum Beispiel arbeitet ein Team an einem mit Videokamera ausgerüsteten Mikrokopter, der sich vom Boden aus mithilfe einer Spezialbrille steuern lässt. Sie empfängt die Bilder der Kamera drahtlos und verhilft dem Nutzer zum Überblick aus der Vogelperspektive: "Du denkst, du fliegst selbst und kannst die Gegend erkunden", schildert Modellpilot Florian Götz, der in Furtwangen Medieninformatik studiert, begeistert seine Erfahrungen mit der optisch unterstützten Fernsteuerung.

In Furtwangen, aber auch im Labor "Mobile Systeme" der Hochschule Harz verfolgen die Entwickler ehrgeizige Pläne – auch für das achtrotorige Fluggerät. Dort tüftelt eine Arbeitsgruppe bereits an Flugrobotern, die im Formationsflug weite Areale selbstständig erkunden und bei Katastrophen den Rettungskräften wertvolle Hinweise liefern sollen. Andere Institute haben sich vom Grundkonzept des Holger Buss und Ingo Busker abgesetzt und entwickeln Technologien und Algorithmen für fliegende Automaten, die sowohl innerhalb als auch außerhalb von Gebäuden operieren können. Mehrere solcher Systeme sollen dabei auch interagieren können wie ein Vogelschwarm.

Auch das Militär schenkt der Entwicklung von UAVs höchste Aufmerksamkeit. Schon früh haben Strategen die schlummernden Möglichkeiten dieser Geräte bei Aufklärungs- wie Kampfeinsätzen erkannt. Wie sehr die autonomen Mikrokopter auch die Fantasie der Bundeswehrplaner beflügeln, erfuhr im letzten Jahr Larissa Laternser von der Berliner Firma HiStream, die Mini-Hubschrauber zum Modellfliegen herstellt. Als Organisatorin einer Drohnenflugmeisterschaft hatte sie die höchst zivile Veranstaltung im brandenburgischen Finowfurt per Internet angekündigt. "Danach rief binnen weniger Stunden die Bundeswehr bei uns an und wollte Details wissen."

Auch andere Mikrokopter-Experten beobachten das gesteigerte Interesse auf Seiten des Heeres mit gemischten Gefühlen. Verena Hafner, Juniorprofessorin am Institut für kognitive Robotik an der Humboldt-Universität Berlin, möchte das Thema aus dem militärischen Kontext heraushalten: "Für uns stehen ethische Fragen im Vordergrund – wir sehen eine Nutzung im zivilen Bereich für Katastrophenschutz oder Minenräumung." Im Rahmen eines Seminars über Navigationsstrategien in der Robotik entwickelte die Forscherin mit ihren Studenten zwei ferngesteuerte Mikrokopter.

Ihr Problem ist dem von Mikrobiologen nicht unähnlich: Ebenso wie Bakterien und Viren zur Impfstoffherstellung, aber auch als biologische Kampfstoffe eingesetzt werden können, ermöglichen Mikrokopter eine zivile und zugleich eine militärische Nutzung. Schon formiert sich in der Mikrokopter-Community eine Opposition gegen diese vermeintliche Vereinnahmung. In Internetforen wehren sich passionierte Mikrokopter-Betreiber gegen die umgangssprachlichen Bezeichnungen Drohne oder Flugroboter, weil sie die Branche in ein schiefes Licht rücken würden. Schließlich handele es sich bei den Mikrokoptern um nichts anderes als Modellflugzeuge. Angesichts der vergifteten Diskussion um die Fluggeräte solle man schleunigst wieder zu seinen Ursprüngen zurückkehren, heißt es.

Sogar Politiker haben die Mikrokopter als Problemfeld ausgemacht. So zeigte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz nach einem Besuch in einer Tüftlerwerkstatt von den agilen Drehflüglern tief beeindruckt, aber auch besorgt: "Wenn man das Potenzial der Drohnen sieht und bedenkt, dass sich jedermann so ein Gerät selber bauen kann, kommt man schon ins Grübeln." Schulz beschäftigt sich als Mitglied im Ausschuss für Technikfolgenabschätzung mit Gefahren von Neuentwicklungen: In diesem Gremium, so Schulz, gäbe es großen Gesprächsbedarf, zumal eine spezielle gesetzliche Regelung für diese Geräte bislang fehle.

Neue Fragen mit politischer Brisanz wirft zum Beispiel der Einsatz zweier Überwachungsdrohnen von Sachsens Landespolizei auf, die seit 2008 mit Videokameras ausgerüstete Mikrokopter für die Observierung von Hooligans in Fußballstadien benutzt. Diese Flugsysteme des Überlinger Wehrtechnikproduzenten Diehl BGT Defence haben eine Reichweite von drei Kilometern und können bis zu 30 Minuten in der Luft bleiben. Je nach Ausstattung kostet ein Exemplar bis zu 10 000 Euro. Die aufgenommenen Bilder werden direkt auf einen Computer-Monitor übertragen. Laut Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo können mit ihrer Hilfe Rädelsführer in der Menschenmenge identifiziert, verfolgt und schließlich mit beweiskräftigen Aufnahmen vor Gericht überführt werden. Und Steffen Große, Sprecher des sächsischen Innenministeriums, ist sich sicher: "Die Drohnen bieten uns völlig neue Perspektiven in der Bild- und Videodokumentation."

Ankündigungen aus Kreisen des Chaos Computer Clubs (CCC), mit "Demonstranten-Drohnen" gegenzuhalten und so der Polizei auf die Finger zu schauen, sorgten zwar eher für Schmunzeln. Das Vorgehen Sachsens lässt Kritiker jedoch befürchten, dass die Mikrokopter potenziell auch dem totalen Ausspähen von Bürgern dienen können. Dauerhaft überwachte, öffentliche Plätze seien im Allgemeinen immerhin als solche gekennzeichnet, während die Aktivitäten der Polizeidrohnen den beobachteten Personen häufig verborgen blieben. Für Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, ein klarer Fall von heimlicher Videoüberwachung. "Mikrokopter sind so leise, dass sie nicht gehört werden."

Waren Aufklärung und Überwachung aus der Luft schon aus Kostengründen bislang Armeen und Behörden vorbehalten, könnten immer einfachere Technik und sinkende Preise einen neuen Trend generieren. Denn die kleinen Fluggeräte werden zunehmend auch für zivile Anwender erschwinglich. "Zu unseren Kunden zählen neben Polizei und Feuerwehr auch Privatdetektive, Überwachungsfirmen und Luftbildfotografen", erklärt Udo Juerss von der Siegener Firma Microdrones. Ihr gut verkauftes Modell MD4-200 fällt kaum größer aus als eine runde Tortenform und bringt nicht einmal ein Kilo auf die Waage. Es verfügt jedoch über eine verstellbare Aufhängung für Foto-, Video-, Nachtsicht- und Wärmebildkameras. Mithilfe einer elektronischen Lageregelung kann das System ohne zu wackeln auf der Stelle schweben – ideal für gestochen scharfe Luftbilder.

Dieser Vorzug ist allerdings aus entgegengesetzter Sicht das Problem: Neben eher harmlosen Beobachtungen des Straßenverkehrs können auch hochaufgelöste Bilder vom Nachbargrundstück entstehen. Denn nicht nur gewerbliche Luftbildanbieter, die sich bei den Behörden anmelden müssen, ordern die kleinen Spione. Als potenzielle Käufer von nicht anmeldepflichtigen Drohnen mit einem Gesamtgewicht von weniger als fünf Kilogramm kommen auch Privatleute infrage, die spezielle Interessen verfolgen: "Ich sehe vor meinem geistigen Auge die Villa von Dieter Bohlen, um die 20 Paparazzi-Drohnen kreisen", scherzt Andreas Steinhauser vom CCC, der sich seit mehr als zwei Jahren intensiv um den Eigenbau solcher Beobachtungs-maschinen für möglichst wenig Geld bemüht. Promis, die sich bislang hinter hohen Mauern sicher vor den Teleskop-Objektiven wähnten, könnten es künftig schwer haben.

Keinen Spaß versteht in diesem Punkt eine überzeugte Mikrokopter-Pilotin, die in einem Internetforum genervt eine eindeutige gesetzliche Regelung fordert und auf die Initiative des Abgeordneten Swen Schulz baut: "Ich möchte nicht, dass mein Nachbar regelmäßig nachts mit seiner selbst gebauten Drohne Infrarotbilder vor meinem Schlafzimmer schießt." Spanner von nebenan dürften nicht mithilfe einer neuen Technik einen beängstigend weit reichenden Einblick erhalten. Um solchem Missbrauch vorzubeugen, lässt sich zum Beispiel das Unternehmen AirRobot einen Gewerbeschein des Käufers vorlegen und prüft den Einsatzzweck.

Doch eine umfassende Kontrolle, befürchten Branchenkenner, wird spätestens dann unmöglich, wenn nachgebaute Leichtflieger in großer Stückzahl in Umlauf kommen. Mit leisen Elektromotoren ausgestattet, dürfen diese sogar innerhalb von Wohngebieten bis zu 300 Meter hoch in den Himmel aufsteigen. Ihre Halter benötigen lediglich eine Modellbau-Haftpflichtversicherung für jährlich 40 Euro, die eine Deckungssumme von 1,5 Millionen Euro für Personen- und Sachschäden bietet.

Was die verdeckten Aufnahmen angeht, so beteuert der Verkaufsleiter eines süddeutschen Mikrokopter-Shops, dass es in Deutschland verboten sei, mittels Film und Foto in die Privatsphäre einer Person einzudringen. "Das Erscheinen der Drohnen hat an dieser Rechtslage absolut gar nichts verändert." Für Datenschützer Thilo Weichert ist die Sache nicht so eindeutig: "Hundertprozentig ist das Verbot nicht durchzusetzen." Doch die Bundesregierung, vom rasanten technischen Fortschritt auf diesem Feld nahezu überrollt, bremste im vergangenen Frühjahr vorzeitige Hoffnungen auf klare Regeln. Wegen der "Komplexität des Sachverhalts", heißt es in einem offiziellen Papier, seien keine kurzfristigen Entscheidungen zu erwarten. Laut dem zuständigen Verkehrsministerium gilt das aktuelle Luftrecht. Danach hat sich jeder Teilnehmer am Luftverkehr "so zu verhalten, dass kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird". (bsc)