Online-Werbung: Kartellamt warnt vorm "gläsernen Internetnutzer"

Programmatische Werbung sei für Vermarkter und Nutzer gleichermaßen intransparent, moniert das Bundeskartellamt. Es erwägt eine "Entflechtung" von Google.

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(Bild: PixieMe/Shutterstock.com)

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Das Bundeskartellamt ist weiter dabei, Licht in das weitgehend undurchsichtige "hochkomplexe System des automatisierten Handels mit Online-Werbeplätzen und dessen wettbewerbliche Bedeutung" zu bringen. Es hat dazu am Mittwoch den Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zu Online-Werbung veröffentlicht, die nicht auf Suchmaschinen platziert ist. Es geht also etwa um Banner, über die sich viele Medienangebote im Web zumindest teilweise finanzieren. Der Präsident der Bonner Behörde, Andreas Mundt, betrachtet die dortige Entwicklung mit Sorge: "Wir sollten uns ernsthaft fragen, ob wir quasi den 'gläsernen' Internetnutzer wollen, allein aus dem Grund, dass wir bestimmte Produkte oder Serviceleistungen kaufen sollen."

Im Vergleich zu 2020 ist das Gesamtvolumen des Bereichs Online-Werbung im Jahr 2021 in Deutschland weiter von 10 auf 11,6 Milliarden Euro angestiegen, ist dem Bericht zu entnehmen. Der größte Zuwachs mit einem Plus von einer Milliarde auf 5,1 Milliarden Euro entfällt dabei auf den Teilbereich der von den Wettbewerbshütern untersuchten "nicht-suchgebundenen Werbung". Deren technische Ausgestaltung ermögliche "einen hochgradig komplexen automatisierten Handel mit Werbeflächen" in Echtzeit sowie die damit verbundene, datengetriebene gezielte Ausspielung und Messung der Maßnahmen ("Programmatic Advertising").

Insbesondere die Google-Mutter Alphabet habe "eine herausragende Stellung in diesem Gesamtsystem", sehen die Kartellwächter eine Beobachtung aus ihrem Diskussionsbericht vom Sommer bestätigt. Der US-Konzern sei auf nahezu allen Stufen der Wertschöpfungskette der nicht-suchgebundenen Online-Werbung vertreten und habe bei praktisch allen relevanten Dienstleistungen eine außerordentlich starke Marktposition inne. Ferner verfüge Alphabet durch Google auch bei Werbung auf Suchmaschinen über eine bedeutende Marktstellung. Der Konzern habe zwar die Ansicht geäußert, aus dem ersten Bericht folgten "keine Anhaltspunkte dafür, dass der Wettbewerb im AdTech-Bereich ineffizient" sei. Sowohl die Ermittlungsergebnisse als auch Teile der Stellungnahmen hätten aber "ein erheblich pessimistischeres Bild gezeichnet".

Zugleich bemängeln die Autoren eine unzureichende Transparenz bei Programmatic Advertising. Zahlreiche Marktteilnehmer beklagten, dass es nicht möglich sei nachzuvollziehen, wie erfolgreich ihre Werbung ist. Sie bekämen keine Informationen über die Wirkung ihrer Maßnahmen. Die Nutzer stünden nicht besser da. Ihre Daten seien zwar die wichtigste Basis für programmatische Werbung. Was mit diesen "geschieht, wer sie bekommt oder wie sie verwandt werden", sei für die Betroffenen aber schwer zu überblicken. In einer Studie für die EU-Kommission sei von "extensivem Tracking" nebst Profilbildung die Rede. Es erscheine naheliegend, dass zumindest ein Teil der werbebezogenen Datenerhebung nicht erforderlich sei und zu Werbebetrug sowie Webseiten mit "begrenztem gesellschaftlichen Wert" führten. Es drohe eine Abwärtsspirale.

Das Kartellamt will die Entwicklungen in dem Bereich weiter verfolgen sowie öffentliche und vertrauliche Äußerungen von Marktteilnehmern und interessierten Kreisen dabei angemessen berücksichtigen. Teils hätten die Stellungnahmen "eine Entflechtung des AdTech-Stack von Alphabet ausdrücklich begrüßt". Die Freigabe einschlägiger Aufkäufe wie etwa des Werbenetzwerks DoubleClick sollten demzufolge "durch eine eigentumsrechtliche Trennung rückgängig gemacht werden". Die Prüfer hatten auch die Abspaltung des Browsers Chrome oder des mobilen Betriebssystems Android von Alphabet zur Debatte gestellt. Diese Optionen griffen die Konsultationsteilnehmer aber nicht auf. Mundt verwies auf laufende Untersuchungen, ob "Alphabets Datenkombinationspraktiken" oder Apples Initiative für mehr Transparenz beim Tracking über Apps regelkonform seien.

(mki)