Simpleclub: Fünfhundert Versuchskaninchen und eine überhöfliche KI

Der Lern-App-Anbieter Simpleclub setzt wie einige Konkurrenten auf die Einbindung von KI für individuellere Lerneinheiten. Getestet wird noch im kleinen Kreis.

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(Bild: Mit KI @Shutterstock.com erstellt/kbe)

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Die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) im Lernbereich hat Fahrt aufgenommen. Verschiedene Anbieter von Lernsoftware haben zuletzt darauf hingewiesen, dass sie bald KI in ihre Angebote integrieren wollen oder haben vor einer zu schnellen und unüberlegten Einbindung gewarnt. Wenn KI hier eingesetzt werden soll, dann zumeist, um Lerneinheiten an Lernende genauer anzupassen, um so zielgerichteter fordern und fördern zu können.

Der Lern-App-Anbieter Simpleclub hat sich ebenso zu einer Integration von KI in seine Angebote bekannt, gehört aber zu denjenigen Anbietern, die noch nicht mit lauten Trompetenstößen neue KI-gestützte Funktionen verkünden.

Das Unternehmen arbeitet zwar schon länger an der Einbindung von KI, testet die von einer KI individuell zusammengestellten Lerneinheiten momentan aber noch im kleinen Kreis – mit einer neuen Beta und einer überschaubaren Gruppe von 500 Nutzerinnen und Nutzern. Das erzählte Co-Founder und CEO Nicolai Schork während der diesjährigen Learntec in Karlsruhe heise online.

Nicolai Schork, CEO und Mitgründer von Simpleclub

Nicolai Schork (Jg. 1994) und Alexander Giesecke (Jg. 1995) sind die Gründer der Lern-App-Simpleclub. Während ihrer Schulzeit bauten sie ein Youtube-Bildungsnetzwerk auf, 2015 gründeten sie die SimpleClub GmbH und übertrugen ihre frühe Idee in die App-Form. Schork studierte Medieninformatik, Giesecke Maschinenbau. Simpleclub richtet sich mittlerweile nicht nur an Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse, sondern hat sich auch dem Ausbildungsmarkt zugewandt.

Dass zunächst nur 500 Freiwillige erste Lerneinheiten und Übungsaufgaben testen, die unter Mitwirkung von KI zusammengestellt werden, soll es einfacher machen, die Fehler der KI zu erkennen und um besser nachjustieren zu können, so Schork. Denn auch in der neuen Beta kann es vorkommen, dass die KI etwa bei einer Multiple-Choice-Aufgabe statt drei falschen und einer richtigen Antwort, vier falsche zusammenstellt.

In welchen Fällen die KI Quatsch-Aufgaben zusammengestellt hat, will also genau nachvollzogen werden. Wie individuell die Lektionen ausfallen und ob diese das Lernerlebnis der Tester tatsächlich verbessern, sowieso.

Von einer Einbindung von KI in die eigenen Angebote habe man schon lange geträumt und jetzt sei der Zeitpunkt endlich gekommen, erklärte Schork. Welches KI-Modell man nutze, wo dieses gehostet werde und was mit den Nutzerdaten passiere, sei aber genau abzuwägen. Im Fall von Simpleclub sieht das Vorgehen beispielsweise so aus:

Um die eigenen Lernangebote zu verbessern und das Lernerlebnis tatsächlich automatisiert zu individualisieren, wird die KI zum einen mit den aggregierten, anonymisierten Nutzerdaten von Simpleclub trainiert, zum anderen muss die KI aber auch direkt mit den Daten des einzelnen Nutzers arbeiten können. Dass dabei auch die bisher durch Fachexperten sichergestellte didaktische Qualität der Lerninhalte erhalten bleibt, ist für Schork das wichtigste Unterscheidungsmerkmal und auch ein Wettbewerbsvorteil gegenüber generalisierten Tools.

Nicht zu vergessen sei, dass all dies DSGVO-konform passieren müsse. Deshalb führt das Unternehmen seit einiger Zeit Gespräche mit europäischen Anbietern von KI-Modellen und probiert zugleich verschiedene Modelle aus, darunter auch Open-Source-Lösungen.

Genügend Content für die individualisierte Lerneinheit gebe es bereits bei Simpleclub, unterstrich Schork, aber die Personalisierung sei nun das Wichtige. Hier zeigt sich auch schon beim Training der dafür ausgesuchten generativen KI ein Spannungsfeld. Das genutzte Modell soll möglichst nicht zu viele Ressourcen fressen und muss auch nicht alles Erdenkliche können, sondern soll passfähig zu den Anforderungen der Lernplattform sein. Es soll optimiert entsprechend der bisher erhobenen Nutzerdaten funktionieren.

Auch in diesen Nutzerdaten lassen sich Trends oder Schwerpunkte ablesen – die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Lernenden können von diesen Trends aber abweichen – etwa dann, wenn Menschen sehr atypisch lernen oder sich auf genau die Inhalte konzentrieren, die sonst eher weniger abgerufen werden. Wie hier die aggregierten Nutzerdaten und die individuellen Tags und analysierten Lernstrukturen zusammenkommen, gilt es genau zu beobachten.

Bei Simpleclub sei ein ganzes Team damit beschäftigt, verschiedene KI-Modelle auszuprobieren, auf didaktische Use-Cases feinzutunen und mit bestehenden Inhalten über Vektordatenbanken zu erweitern, führte Schork aus.

Beobachtet habe man nun schon, dass die KI manchmal "überhöflich" mit den Lernenden umgeht. So entschuldigten sich die KI-Chatbots auch für Aufgabenstellungen, die eigentlich akkurat zusammengestellt, aber die von Lernenden als falsch oder nicht nutzbar eingestuft wurden. Von einem System, das zu circa 99-Prozent korrekt Aufgaben zusammenstelle, sei man circa vier bis fünf Wochen entfernt, ließ Schork durchblicken.

Nur auf selbst trainierte KI für Lernende verlässt sich Simpleclub beileibe nicht. Intern nutze man zur eigenen Produktivitätssteigerung längst ChatGPT und andere KI-Tools. Lernpläne lassen sich mit einfachen KI-Tools etwa auch effizienter erstellen.

Um KI-Versuchskaninchen bei Simpleclub werden zu können, konnte man sich melden. Laut Simpleclub gibt es dafür mittlerweile sogar schon eine längere Warteliste.

Das, was Simpleclub für den Nachhilfe- und Ausbildungsbereich entwickelt, hat sich auch eine Gruppe von nun acht Bundesländern vorgenommen. Diese hat sich darauf geeinigt, eine gemeinsame Schulcloud mit KI entwickeln zu wollen und überwindet an dieser Stelle den sonst oft bremsenden Bildungs-Föderalismus.

In der Schulcloud mit KI soll der Lernstand der Kinder automatisiert erhoben werden, um dann passgenauere Aufgaben zuweisen zu können. Das soll der individuellen Förderung dienen. Lernstandsanalyse-Software unter den Stichwörtern "Diagnose" und "fördern" wie etwa von Cornelsen leistet so etwas zum Teil ebenfalls schon.

Artikelserie "Schule digital II"

Wie sollte die Digitalisierung in unseren Schulen umgesetzt werden? Wie beeinflusst die Coronavirus-Pandemie das Geschehen? Was wurde im Schuljahr 2020/2021 erreicht - wie ging es 2021/2022 weiter? Das möchte unsere Artikelserie beleuchten.

(kbe)