Wie Preußens Sieg über Frankreich die Einheit Europas verhinderte

Pariser Kommunarden 1871 beim Sturz der Colonne Vendôme. Bild: André Adolphe-Eugène Disdéri / Public Domain

Niederlage von Frankreich mündete in Volks- und Bürgerkrieg. Pariser Kommune als Versuch einer Räterepublik musste scheitern. Wie der deutsche Sieg in zwei Weltkriege mündete. (Teil 2 und Schluss)

1. Phase des Krieges – klassischer Kabinettskrieg

[…] Louis-Napoleon hoffte, den Norddeutschen Bund von den süddeutschen Staaten isolieren und die Unzufriedenheit unter der Bevölkerung der neu annektierten preußischen Provinzen ausnützen zu können. Ein schneller Vorstoß gegen den Rhein […] ein Vormarsch in der Richtung auf Frankfurt und Würzburg – das alles schien dies bewirken zu können. Die Franzosen hätten dadurch die Verbindungen zwischen dem Norden und dem Süden beherrscht und Preußen gezwungen, in aller Eile sämtliche verfügbaren Truppen zu einem Feldzug an den Main zu werfen – ganz gleich, ob sie marschbereit wären oder nicht.

Friedrich Engels (29. Juli 1870)

Das französische Konzept sah einen frühzeitigen Angriff und einen Krieg auf gegnerischen Gebiet vor. Nach kleinen Anfangserfolgen, insbesondere in Saarbrücken, erleidet die französische Armee nur noch Niederlagen (u.a. Wissembourg, Fröschweiler, Wörth, Spichern). Sie wird zurückgedrängt. Bis auf die Anfangstage verliefen die Kampfhandlungen ausschließlich auf französischen Territorium.

152 Jahre Deutsch-Französischer Krieg – Teil 1: Macht- und Einigungspolitik zweier Großmächte

Darauf waren die Franzosen weder emotional noch konzeptionell, noch logistisch vorbereitet. Erschwerend kam hinzu, dass Teile der Armee in Festungsstädten (u.a. Bitche, Straßburg) eingeschlossen wurden. Ihre Armeen waren zu einer aktiven Kriegsführung bereits nach wenigen Tagen nicht mehr fähig.

Die erste französische Armee wurde nach schweren Schlachten bei Metz eingekreist. Nach mehreren Niederlagen zog sich die zweite Armee zuerst zurück und versuchte dann die Kräfte um Metz zu entsetzen. Deutsche Truppen drängten sie aber nach Sedan ab. Hier ergab sich Napoleon der III. mit seiner Armee nach der Einkesselung am 1. September 1970. In nur vier Wochen gewannen die Deutschen den (traditionellen) Krieg.

2. Phase des Krieges – Volkskrieg

Napoleon der III. übergab seinen Säbel und akzeptierte die Forderungen der Deutschen. Aber dann passierte etwas, womit keines der Kabinette gerechnet hatte. Das Pariser Parlament setzte den französischen König ab. Frankreich wurde in einer friedlichen Revolution eine bürgerliche Republik.

Die bürgerliche Regierung erklärte die Zusagen des Monarchen mit seinem Generalstab für ungültig. Der Krieg ging weiter. Und erfuhr dabei eine systematische Wandlung – vom vormodernen Krieg zweier Kabinette zum modernen Krieg zweier Völker.

Weil zu dem Zeitpunkt die Preußen etwas gemacht haben, was dann dazu führte, dass dieser Krieg einfach weiter voranging. Sie haben Kriegszielforderungen gestellt, die die Franzosen auf keinen Fall erfüllen können – nämlich die Annexion Elsaß-Lothringens.

Michael Epkenhands (Pöking und Sackarnd 2020c 27:50ff)

Knackpunkt waren die Forderungen der Deutschen nach einer Annexion der Gebiete von Elsass-Lothringen. Alles außer ein Gebietsverlust wäre für die Bevölkerung ertragbar gewesen. Während der König in alter Manier die Gebiete abtrat – begehrten die Bürger Frankreichs auf.

Ihr nationales Bewusstsein akzeptierte keinen solchen Verlust. Dabei ging es nicht um die reale Bedeutung des Elsass, sondern um das Prinzip – keine französische Erde an deutsche Herren. Fern jeder Siegeschance führte die neue Regierung den Krieg weiter. Sie stellte neue Armee auf und verschanzte sich in Paris.

Die deutsche Führung überraschte sowohl die Weiterführung des objektiv verlorenen Krieges als auch die Fähigkeit innerhalb weniger Wochen neue Einheiten zu rekrutieren und zu bewaffnen. Sie ließ Paris einkesseln und die neuen Armeen zerschlagen. Dabei besetzten deutsche Truppen immer größere Gebiete Frankreichs.

Durch ihre Gebundenheit in der Fläche fehlte die militärische Kraft zur Stürmung der Hauptstadt. Paris wurde sowohl eine der ersten Kesselschlachten mit mehreren Millionen (zivilen) Insassen, als auch der erstmalige Versuch einen solchen, in dem vollen Bewusstseins des zivilen Leids, auszuhungern.

Der Krieg wandelte sich zu einem Volkskrieg. Auf französischer Seite kämpften immer mehr "Irreguläre" Truppen – Bürgermilizen, die sich auf eigene Kosten bewaffneten. Auf diesen Partisanenkampf antwortete die deutsche Armee mit immer brutaleren Vorgehen. Gefangene Irreguläre wurden meist sofort hingerichtet. Wobei die Entscheidung bei den örtlichen Kommandeuren lag, deren Disziplin der Führung zunehmend entglitt.

Gleichzeitig überschritt die Anzahl der mobilisierten Soldaten (wird der Entsatz mitgezählt) auf beiden Seiten die Millionen-Grenze. Die deutsche Armee war nicht auf einen langen Krieg dieser Größenordnung eingestellt. Hunger und Kälte hielt auch bei ihr Einzug. Auch musste sie zunehmend Bürger rekrutieren, die, im Gegensatz zu den Freiwilligen der ersten Stunde, keine glühenden Patrioten mehr waren.

Entsprechend ließ die Kriegsbegeisterung in den Reihen des Militärs deutlich nach. Ebenfalls zeigten sich trotz immer umfassenderen Beschlagnahmungen in den besetzten Gebieten Versorgungsprobleme in der Armee und zunehmend auch in der deutschen Binnenwirtschaft. Mit der immer stärkeren Umstellung der Gesellschaft auf den Krieg, begann dieser ein totaler zu werden. Damit gerät auch die deutsche Führung politisch unter Druck.

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