Wer keine Lust aufs Frickeln hat: Arbeitet Ubuntu an einem immutable Desktop?

Im IoT-Bereich sind unveränderliche Linux-Systeme angekommen – aber ist ein kompletter Container-Desktop auch die Zukunft? Ubuntu experimentiert damit.

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(Bild: iX)

Lesezeit: 4 Min.
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Ein unveränderlicher Linux-Desktop – zumindest Experimente in die Richtung packen die Ubuntu-Entwickler jetzt an. Die Basis soll die Core-Variante, bislang für den IoT-Bereich gedacht, stellen; Snap-Pakete kommen für die Anwendungen zum Einsatz. Als größte Vorteile sieht Ubuntu die verbesserte Sicherheit und Stabilität sowie einfachere Administration an.

Aber worum handelt es sich bei so einem immutable, also unveränderlichen Betriebssystem? Wie der Name nahelegt, sind bestimmte Bereiche des Systems so voneinander abgekapselt, dass weder der Nutzer noch die Anwendungen sie modifizieren können. Hierfür dient die Containerisierung, wodurch Applikationen nicht nur vom Basissystem, sondern auch voneinander isoliert bleiben.

Updates erhalten diese Bereiche unabhängig voneinander und jeweils stets komplett oder gar nicht – ein teilweise aktualisiertes System soll nicht mehr existieren, instabile Applikationen oder nicht mehr kompatible Komponenten somit ebenfalls nicht mehr. Diese Updates und resultierende Zustände der Systeme sind vorhersehbar und somit durch Administratoren besser zu verwalten.

Neben der einfacheren Verwaltung liegen auch die Vorteile bei der Sicherheit auf der Hand: Selbst wenn Schadsoftware den Weg aufs System findet, kann sie schwerer auf andere Anwendungen oder das Basissystem zugreifen. Dieser rigide Aufbau zieht jedoch auch nach sich, dass Nutzer nicht mehr so einfach selbst anlegen können – für experimentierfreudige Entwickler eignet sich der Ansatz nicht.

Aber auch für reguläre Nutzer kann ein unveränderliches System Nachteile haben, denn nicht alle Anwendungen sind für Container geschaffen. Außerdem muss der Rechner mehr Massenspeicher bereithalten, denn viele Komponenten müssen mehrfach vorliegen – jede Applikation bringt schließlich ihre Abhängigkeiten selbst mit.

Dass Ubuntu das Snap-Format als wie geschaffen für die Anwendungen ansieht, überrascht nicht – denn seit der 20.04 setzt Canonical ganz offiziell auf die App-Container. Wie die Entwickler betonen, seien diese für unveränderliche Systeme besonders geeignet, weil der Snap Store eine Signierung und Verifizierung durch den Anbieter samt Security-Review der jeweiligen Applikation vorsieht.

Genau dieser Snap Store ist aber ein Zankapfel innerhalb der Community, weil Canonical den Server nicht als Open-Source-Software zur Verfügung stellt. Kritiker wie das Mint-Projekt räumen zwar ein, dass das Format viel Arbeit ersparen würde, so aber den grundlegenden FLOSS-Werten widerspräche. Zudem drängt Ubuntu mit der 23.04 den Snap-Konkurrenten Flatpak bei allen Varianten von Bord.

Schon länger besteht also die Befürchtung, dass Ubuntu seine Nutzer im eigenen Ökosystem binden will – ein reiner Snap-Desktop auf Basis der Core-Variante würde ebenfalls in diese unterstellten Pläne passen. Fakt ist aber auch: Andere Entwickler arbeiten ebenfalls an vergleichbaren Projekten, Fedora mit Silverblue und auch openSUSE Aeon auf Basis von MicroOS zum Beispiel.

Ob oder wann ein unveränderlicher Ubuntu-Desktop kommen wird, ist jedoch nicht klar. Die im zugehörigen Blogbeitrag ausführlich besprochene Core-Variante ging samt der Snaps bereits 2014 für den IoT-Bereich an den Start. Experimente für den Desktop finden nun explizit statt – die Entwickler denken aber durchaus, dass ein komplettes System so aufgebaut sein könnte.

Zumindest auf GitHub findet sich diverse zu den Experimenten passende Projekt, darunter auch eins namens ubuntu-core-desktop, das Canonical jedoch schon Ende 2020 startete. Aktuell handelt es sich hierbei um ein Image von Ubuntu Core 22, das den Gnome Display Manager (GDM) beinhaltet. Starten sollen Nutzer es als virtuelle Maschine, für den Einsatz bei Endanwender ist es noch nicht gedacht.

Eine Anfrage der iX hat Canonical zum Veröffentlichungszeitpunkt noch nicht beantwortet. In den kommenden Monaten sollen konkrete Details zu den Planungen erscheinen. Ein Abschied von der klassischen Linux-Distribution scheint jedoch nicht bevorzustehen: Die Entwickler betonen selbst, dass sie für manche Nutzer das bevorzugte System bleiben würde.

(fo)