Neuer Rekord bei Kernfusion: Steht China vor Durchbruch?

Plasma im East Tokamak nach 2, 3 und 5 Sekunden. Bild: Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. / CC-BY-3.0

Weltweit wird an Kraftwerken für die Kernfusion geforscht. Chinesischen Forschern ist ein Rekord geglückt. Warum es nun ein Wettrennen um diese Technologie gibt.

Die Sonne verschmilzt – fusioniert - in ihrem Inneren Wasserstoff zu Helium. Die Sonne kann das, ohne dabei auseinanderzufliegen, weil sie riesig ist und sehr, sehr schwer. Und dieses Gewicht ist es denn auch, was ihr Inneres zehn Mal so dicht wie Blei und 15 Millionen Grad heiß werden lässt und die Kernfusion bei einem Druck von 250 Milliarden bar in Gang hält.

Die zur Kernfusion nötigen Temperaturen vermögen die Wissenschaftler:innen mittlerweile auch auf der Erde zu erzeugen, aber bei den benötigten Druckverhältnissen muss die Menschheit auf unabsehbare Zeit passen: Der Weltrekord in einer sogenannten Stempelzelle liegt derzeit zwar immerhin bei 7,7 Millionen bar, aber das ist immer noch 32.000 Mal und ein paar Zerquetschte weniger, als das, was die Sonne zu bieten hat.

Um den fehlenden Druck zu kompensieren, erzeugen die Forschenden höhere Temperaturen und nutzen Isotope des Wasserstoffs wie Deuterium (zusätzlich ein Neutron im Atomkern) und Tritium (zusätzlich zwei Neutronen im Atomkern). Auch mit Bor ist die Fusion schon gelungen. Insgesamt gibt es weltweit mittlerweile 130 Fusions-Forschungsanlagen – darunter 60 Fusionsreaktoren.

Für 403 Sekunden stabile Temperaturen von 100 Millionen Grad

Die Vorteile der Energiegewinnung aus Kernfusion liegen primär in der fast unerschöpflichen Verfügbarkeit des Brennstoffs. Und darin, dass die radioaktiven Abfälle im Vergleich zu Atomkraftwerken bei einem Zeithorizont von wenigen Jahrzehnten ziemlich beherrschbar sind.

Allerdings kommt die Technologie für eine gelingende Energiewende zu spät. Denn bevor diese Technologie tatsächlich Energie liefern wird, gilt es, noch eine ganze Reihe von technischen Problemen zu lösen, die keineswegs trivial sind.

Ein zentrales Problem besteht darin, die Fusion lange genug aufrechtzuerhalten, damit dem wirklich Energie entzogen werden kann. Dazu ist es nötig, das hochenergetische gasförmige Plasma mindestens 1.000 Sekunden lang stationär in einem Magnetfeld schwebend "gefangenzuhalten".

Und genau an diesem kritischen Punkt ist am East-Versuchsreaktor (Experimental Advanced Superconducting Tokamak) im ostchinesischen Hefei nun ein wichtiger Fortschritt erzielt worden: Erstmals ist es gelungen, den angestrebten stationären Zustand von hoch-abgeschlossenem, 100 Millionen Grad Celsius heißem Plasma 403 Sekunden lang stabil zu halten.

East Tokamak. Bild: Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. / CC-BY-3.0

Schon früher hatte East wichtige Rekorde erzielt. Ende 2021 gelang es zum Beispiel, Plasma über 17 Minuten bei 70 Millionen Grad Celsius im Magnetfeld schweben zu lassen.

Frankreich strebt mit eigenem Reaktor auch zum Durchbruch

Während man sich in China dafür entschieden hat, lange Phasen stabilen Plasmas für die Fusion zu erzeugen, legen andere Forschungsinstitute mehr Gewicht auf die Leistung der einzelnen Pulse, bei denen eine kontrollierte Fusion allerdings nur einige Sekunden aufrechterhalten wird.

Demnächst soll der im Bau befindliche Iter-Fusionsreaktor (International Thermonuclear Experimental Reactor) im südfranzösischen Cadarache beide Funktionsweisen miteinander kombinieren und so für den entscheidenden Durchbruch sorgen.

Den mit East erzielten Erfolg wertet die Global Times denn auch als "wichtige experimentelle Grundlage für den Betrieb des Iter" an dem auch China beteiligt ist. Doch auch der "unabhängige Bau und Betrieb von Fusionsreaktoren" wird vorangetrieben.

Das Reich der Mitte hat die Konstruktionsphase seines Reaktors der nächsten Generation schon abgeschlossen: Der China Fusion Engineering Test Reactor (CFETR) soll bereits bis circa 2035 fertiggestellt und der erste Fusions-Demonstrationsreaktor der Welt werden. Die Planer:innen erhoffen eine Energieausbeute von bis zu zwei Gigawatt. Das entspricht der Leistung von zwei großen Steinkohle- oder zwei kleinen Atomkraftwerksblöcken.


Redaktionelle Anmerkung: Zu Beginn des Textes war in einer früheren Version fälschlicherweise von zwei Wasserstoffatomen die Rede. Richtig ist, dass es vier sind, wie der Autor richtig geschrieben hatte. Zwei sind bei der redaktionellen Bearbeitung "verlorengegangen". Die Stelle ist nun korrigiert, wir bitten um Entschuldigung.

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