Zwist bei Rust: Mit Crab gibt es einen Fork der Programmiersprache Rust

Bei Rust hängt der Haussegen schief: Seit dem Trademark-Entwurf im April fremdelte ein Teil der Community mit der Rust Foundation. Das mündet nun in einem Fork.

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Kämpferische Krabbe mit Messer: Logo der CrabLang Community auf GitHub

(Bild: CrabLang)

Update
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Silke Hahn
Inhaltsverzeichnis

Die Programmiersprache, die nach einem Pflanzenpilz benannt ist, der ebenso robust wie verteilt ist und sich parallel ausbreitet, hat eine Abspaltung erfahren: Neben Rust gibt es jetzt CrabLang. Die Community hinter Krabbensprech hat dem Rust-Fork ein sprechendes Logo in die GitHub-Wiege gelegt: Eine forsch dreinblickende Krabbe mit Messer.

Ein Kommentar von Silke Hahn

Silke Hahn, Redakteurin bei Heise

(Bild: 

Steffen Körber

)

Silke Hahn ist Redakteurin bei heise Developer und dem iX Magazin. Sie schreibt über Themen der Softwareentwicklung und interessiert sich für moderne Programmiersprachen wie Rust. Mit ihrem historischen Hintergrund (Silke studierte Alte Geschichte und tote Sprachen) schlägt sie eine Brücke zwischen Antike und Moderne. Künstliche Intelligenz hält sie für das wohl brisanteste Thema unserer Zeit und verfolgt die laufenden Debatten rund um generalisierende KI mit Aufmerksamkeit.

Bilder sagen mehr als Worte, offenbar hängt in der Rust-Familie der Haussegen schief. Schaut man ins Kleingedruckte des Crab-Repository, stehen derzeit rund 4.800 Contributor im GitHub-Repository des Fork. Wie viele davon aktiv hinter der Abspaltung stehen, lässt sich daraus nicht unmittelbar entnehmen. Im offiziellen Rust-Verzeichnis bei GitHub sind etwas unter 4.400 Contributor gelistet. Beim Forken werden die Beiträge der Vergangenheit übernommen. CrabLang steht unter der Apache-2.0-Lizenz und der MIT-Lizenz, seit der Publikation Ende Mai 2023 wurden 41 Forks gezogen. Das Motto ist ebenso knapp wie klar: Speichersicherheit ohne Bürokratie (im vollen Wortlaut des About-Statements: "A community fork of a language named after a plant fungus. All of the memory-safe features you love, now with 100% less bureaucracy!").

Der Fork ist laut Insidern eine Nachwirkung des Unmuts, der seit April Teile der Community erschüttert hatte. Die Rust Foundation kündigte im Frühjahr an, neue Regeln zum Verwenden der Wortmarke und des Logos von Rust einzuführen. Die geplante Neuregelung führte Anfang April zu teils heftigen Reaktionen und versetzte die Community in Aufregung. Der erste Entwurf stieß nicht auf breite Gegenliebe, und in einer knapp zweiwöchigen Feedbackphase äußerten zahlreiche Rustentwickler sich kritisch bis ablehnend.

Offenbar war der Prozess, der zum Entwurf geführt hatte, zu wenig transparent gewesen. Dafür entschuldigte die Rust Foundation sich in einem Blogeintrag Mitte April und gab bekannt, mit der Trademark Policy in Revision zu gehen und das erhaltene Community-Feedback sorgfältig auswerten zu wollen. Die Stiftung, die Leitung des Rustprojekts und die Trademark-Arbeitsgruppe wollten demzufolge daran arbeiten, die Community künftig früher und stärker einzubinden und über geplante Schritte offener auf dem Laufenden zu halten.

"Zu strikt", "zu einschränkend" bis hin zu "Rust Foundation went full Oracle" lauteten die Wortmeldungen aus der Community zur Neuformulierung von Regeln für den Einsatz der Wort- und Bildmarke Rust. Grundsätzlich ist es ein gewöhnliches Vorgehen, Wortbildmarken rechtlich abzusichern, um sie vor Missbrauch zu schützen. Bei steigender Verbreitung und Reichweite von Rust könnte die ungeschützte Trademark langfristig zu Problemen führen, die weder im Sinne der Stiftung noch im Sinne der Freiwilligen im Rust-Projekt sind.

Die Ausformulierung war einem Kommentator zufolge lediglich "zu ambitioniert" ausgefallen und bot zu wenig Kontext, um das Kernanliegen nachzuvollziehen. Dass es Richtlinien gibt, war nicht neu: Nach Massenentlassungen bei Mozilla im Jahr 2020 war zum Fortbestand des Rust-Projekts die Foundation gegründet worden, der Mozilla damals auch die Markenrechte an der Programmiersprache übertrug.

Die bisherigen Richtlinien waren in der Praxis von vielen als widersprüchlich und schwer umsetzbar empfunden worden, da etwa zwischen privaten Bloggern und kommerziellen Unternehmungen kein Unterschied gemacht wurde (bis hin zur Vorgabe, dass Blogger in jedem Blogbeitrag über Rust einen Disclaimer voranstellen müssten). Der Rust-Blogger, Autor und Entwickler Stefan Baumgartner hatte für Heise Mitte April in einem lesenswerten Kommentar die Baustelle des Trademark-Entwurfs aufgesucht und praktische Lösungsvorschläge präsentiert.

Auf der Website des CrabLang-Projekts wird klargestellt, dass es sich nicht um eine Schnellschussreaktion handele. Man habe Bedenken gegen den wachsenden Einfluss großer Konzerne auf die Entwicklung der Sprache, und man habe die Trademark Policy als zu einschränkend empfunden. Das CrabLang-Team bestätigt darin, dass der Entwurf der Policy zu dem Fork geführt habe, allerdings handele es sich um eine "überfällige Lösung für ein bereits bestehendes Problem", das zahlreichen Community-Mitgliedern Bauchweh bereitet habe. Der Fork ist auch nicht das einzige Anzeichen dafür, dass bei Rust der Haussegen schief hängt: Rund um die Zu- und Absage einer Keynote für die Rust-Conf traten Ende Mai Führungsprobleme im Inneren des Rust-Projekts zutage und einige Kernentwickler verließen das Projekt, wie Golem nach einem Gespräch mit der Hauptorganisatorin der Rust-Konferenz berichtete.

Tweet der Rustentwicklerin Mara Bos, die im Rust-Projekt die Bibliotheksentwicklung leitet

(Bild: Mara Bos / Twitter)

Der Rust-Fork sei nicht dazu da, Rust abzulösen oder die Community zu spalten, sondern solle eine Alternative bieten, "ohne sich über Gerichtsstreit in Verbindung mit Markenrechtsproblemen Sorgen zu machen". Das Krabbenfork-Kollektiv bekennt sich weiterhin zu Rust als Sprache und würdigt auf der Landingpage auch die finanzielle Unterstützung durch Konzerne (gemeint sein dürfte etwa Microsoft, das sich massiv für Rust engagiert). CrabLang sei ein Rückzugsort für all diejenigen, die sich durch zunehmende Konzerninteressen mit der Ausrichtung der Rust-Entwicklung durch die Stiftung nicht mehr wohl und eingeschränkt gefühlt hatten.

Einige Rustentwickler, die namentlich nicht genannt werden möchten, gaben gegenüber heise Developer zu Protokoll, dass sie den Fork für einen Fehltritt halten. In der Vergangenheit gab es durchaus auch positive Beispiele für das Forken, um ein Community-Projekt vor dem übergroßen Einfluss einzelner Unternehmen zu bewahren, so etwa 2014 IO.js als Abspaltung von Node.js. Die Vorzeichen dürften damals andere gewesen sein. Nicht alle Rustentwickler scheinen die Einschätzung zu teilen, dass im Falle von Rust eine bedrohliche Einflussnahme durch Konzerninteressen stattfinde.

Letztlich bedeutet jede Abspaltung auch eine Schwächung der Kräfte der Community. Rustentwicklerinnen und -entwickler werden nicht an beiden Projekten zugleich mitentwickeln können, da im Rust-Projekt viele die Entwicklung in ihrer Freizeit, ehrenamtlich und neben dem Beruf und Privatleben vorantreiben. Mit der Sprache und dem Rust-Projekt selbst sei man nicht über Kreuz, betont das neue Krabben-Kollektiv. CrabLang sei eine Community-getriebene Alternative zum Erhalt des ursprünglichen Geistes von Zusammenarbeit, Erfindungsreichtum und kreativer Freiheit.

Ob der Fork sich hält und eine dauerhafte Alternative zu Rust darstellt, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Auch, in welche Richtung sich Rust als Sprache und die Rust Foundation als Lenkungsorgan entwickeln werden, ist schwer vorherzusagen. Die Stellungnahme des Krabbenkollektivs schließt mit einer Einladung: "Come in! The Water is warm!"

Update

Anzahl der Contributor im offiziellen Rust-Repository ergänzt.

(sih)