Maulkorb: Erstaunliche ARD-Zensur bei der Energiewende

Die Tagesthemen-Moderator:innen Caren Miosga und Ingo Zamperoni. Bild: Frank Schwichtenberg / CC BY-SA 3.0

Die Tagesthemen frisieren eine Umfrage aus politischen Gründen. Das Publikum erfährt bis heute nicht, was die Deutschen wirklich wollen. Warum die Propaganda gegen Klimaschutz nicht neu und fatal ist.

Im letzten Jahr, am 4. August, berichtete die ARD-Sendung Tagesthemen über Umfrageergebnisse zum Deutschlandtrend. Die Befragung wurde inmitten der Energie-Sanktionen gegen Russland, der fossilen Energiekrise in Europa und der wachsenden Angst vor knappem Gas im Zuge des Ukraine-Kriegs durchgeführt.

In der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, in Auftrag gegeben von den Tagesthemen und der Zeitung Die Welt, wurde gefragt:

Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und seinen wirtschafts- und energiepolitischen Folgen für Deutschland wird über verschiedene Maßnahmen diskutiert. Geben Sie bitte zu den folgenden Maßnahmen an, ob diese aus Ihrer Sicht richtig oder falsch sind.

Es wurden vier Möglichkeiten zur Auswahl gegeben. So sahen die Ergebnisse der Erhebung aus:

  • Schnellerer Ausbau der Windenergie: richtig 81 Prozent, falsch 15 Prozent
  • Verstärkte Nutzung von Kohlekraftwerden: richtig 61 Prozent, falsch 33 Prozent
  • Befristetes Tempolimit auf Autobahnen: richtig 61 Prozent, falsch 35 Prozent
  • Förderung von sogenanntem Fracking-Gas in Deutschland: richtig 27 Prozent, falsch 56 Prozent.

Hier die Grafik dazu:

Doch in der Berichterstattung wurde ausgerechnet die Maßnahme, die in der Studie mit Abstand am meisten Zustimmung erhielt (81 Prozent), ignoriert. Sie erschien weder im Schaubild, noch wurde sie in der Moderation erwähnt. Das wäre ungefähr so, als wenn bei der Sonntagsumfrage die Partei mit der meisten Zustimmung einfach weggelassen würde.

Hier die Grafik, die von der Tagesthemen-Sendung präsentiert wurde:

Die Initiative "Klima vor Acht" legte daraufhin Programmbeschwerde beim Rundfunkrat von NDR und WDR ein. Man kritisierte, dass die Redaktion die Ergebnisse der Umfrage in unzulässiger Weise verzerrt und verfälscht habe. In der Beschwerde heißt es:

Die tagesthemen und das WDR-Wahlstudio verstoßen damit gegen die in §8 formulierten Programmgrundsätze des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk (NDR-Staatsvertrag), in welchem es insbesondere in Abs. 2 heißt: "Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen […]

Die Beschwerde wurde abgelehnt. Zwar stimmen nach längerer Diskussion 17 Mitglieder für die Annahme der Beschwerde bei 13 Gegenstimmen und 11 Enthaltungen. Anders als in anderen Landesrundfunkanstalten benötigt es beim WDR für die Annahme einer Programmbeschwerde jedoch nicht die einfache Mehrheit der anwesenden Rundfunkratsmitglieder, sondern die Mehrheit aller gesetzlichen Mitglieder.

In einem Bericht zur Umfrage auf Tagesschau.de steht immer noch das Video und die Grafik mit dem verfälschten, letztlich zensierten Ergebnis, bei dem der Gewinner, nämlich der Ausbau der Windkraft, nicht genannt wird.

Offensichtlich ist die Manipulation der Umfrage in der Tagesthemen-Sendung kein redaktioneller Lapsus, sondern politisch motiviert. Denn wie lässt sich der gravierende Eingriff sonst erklären, vor allem, da die deutsche Regierung in Reaktion auf die fossile Energiekrise auf Kohle- und Gaskraftwerke und eben nicht auf eine energische Energiewende setzte?

Die manipulative Berichterstattung wie hier bei der ARD-Umfrage ist in Bezug auf Klimaschutz und Energiewende keinesfalls ein Einzelfall. Beim aktuellen Streit um die Heizwende wurden die Bürger:innen über Wochen mit Auslassungen, Halbwahrheiten, Übersteigerungen und Fehlinformationen verunsichert – vonseiten der Politik und einer Reihe von Mainstreammedien, die bekannt dafür sind, gegen Klimaschutz und den Umstieg auf erneuerbare Energien mobil zu machen.

Manche Medien titelten sogar im Zuge der Maßnahmen für die Wärmewende mit "Heizverbot", eine Formulierung, die an Fake-News grenzt.

Das hatte Konsequenzen. Noch im April stimmte bei einer Umfrage eine Mehrheit dem Regierungsvorstoß zum Heizungstausch zu. 40 Prozent hielten ihn für angemessen, zehn Prozent ging er sogar nicht weit genug. Demgegenüber lehnten ihn 43 Prozent ab.

Nach den Attacken gegen den Gesetzentwurf vonseiten der FDP, den Unionsparteien und der AfD, begleitet von zum Teil heftigen Medienkampagnen, konnte die öffentliche Meinung verschoben werden.

In einer aktuellen Erhebung des ARD-Deutschlandtrends bezeichnen es jetzt 49 Prozent als falsch, dass der Staat klimaschädliche Heizungen in absehbarer Zeit verbieten will. Und das, obwohl die Regierung in der Zwischenzeit zusätzliche Unterstützungshilfen bei der Transformation angekündigt hatte.

Nur noch 45 Prozent finden das Vorhaben jetzt als richtig. Dabei machen sich zwei Drittel (67 Prozent) Sorgen vor finanzieller Überforderung.

Und das, obwohl diese Sorgen angesichts der schrittweisen Einführung, der Begrenzung auf an sich auszutauschende Heizungen mit einem Höchstalter von 30 Jahren, angekündigter sozialer Abfederungen und der geplanten staatlichen Förderprogramme meist unbegründet bzw. übertrieben sind – auch wenn soziale Härten im Einzelfall und Ungerechtigkeiten weiter bestehen und adressiert werden sollten, wie die unfaire Umlage der Modernisierungskosten auf die Mieter.

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