Armutszeugnis: Viele Millionen Euro, die den Staat nicht interessieren

Die reichste Region Deutschlands: Im Landkreis Starnberg verfügen die Einwohner mit durchschnittlich 34.987 Euro bundesweit über das höchste Pro-Kopf-Einkommen. Bild: Starnberger-Fünf-Seen CC BY-SA 2.0

In Deutschland werden Steuererklärungen von Einkommensmillionären immer weniger kontrolliert. Dabei führen die meisten Prüfungen zu deutlichen Mehreinnahmen. In einer anderen Rangliste ging es jedoch nach oben.

Am 25. Mai 2023 erhielt die Bundestagsabgeordnete Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) eine Antwort des Bundesministeriums der Finanzen auf ihre Berichtsanforderung zum Thema "Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung bei Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkünften (Einkommensmillionäre) im Jahr 2022".

In einer Zeit, in der der Einsparungen und Schuldenreduzierung auf der Tagesordnung stehen, ist die Frage zentral, welches Interesse der Staat zeigt, eine gerechte Besteuerung und deren Einnahme sicherzustellen. Denn:

Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Damit finanziert er Aufgaben, die im Interesse der Gemeinschaft sind. Dazu gehören beispielsweise das Bildungs- und Gesundheitswesen oder die öffentliche Infrastruktur. Jede Bürgerin und jeder Bürger ist also einerseits verpflichtet, Steuern zu zahlen. Andererseits profitieren alle auch von den Leistungen, die damit finanziert werden,

wie das Bundesministerium für Finanzen erklärt.

Ein Offenbarungseid

Die per Mail versandte Antwort hat es in sich. Es gibt in dem angefragten Sinne in Deutschland 15.133 Einkommensmillionäre. Geprüft wurden allerdings nur 870 Steuererklärungen. 5,7 Prozent. Mit anderen Worten: Einkommensmillionäre werden im Schnitt nur alle 17 Jahre geprüft, ob ihre Angaben korrekt sind. Das heißt in der Regel nur dreimal in ihrem Arbeitsleben.

Dabei spülen die Prüfungen von Einkommensmillionären willkommene Zusatzeinnahmen in die Staatskasse. Wie die Anfrage ergab, führten drei von vier Prüfungen zu Nachzahlungen.

Das Ergebnis: 94,6 Millionen mehr Einnahmen für den Staat. Im Schnitt ergab jede Nachzahlung also auf mehr als 143.000 Euro. Jede einzelne Prüfung von Einkommensmillionären – egal ob sie korrekt, unvollständig oder fehlerhaft war – führte somit also zu stattlichen 108.735 Euro. Jede einzelne Prüfung.

Mehr noch: Seit zehn Jahren wächst die Zahl der Einkommensmillionäre in Deutschland stetig. Und seit zehn Jahren sinkt die Zahl der Steuerprüfungen (mit der Ausnahme des Jahres 2021). Im Jahr 2013 hat der Autor vor genau demselben Problem gewarnt. Geändert hat sich nicht viel. Verschlechtert schon.

Die offensichtliche Frage lautet weiterhin: Wenn jede Prüfung von Einkommensmillionären einen beachtlichen Gewinn für den Staat und damit für die Bevölkerung einbringt, warum wird dann nur so spärlich geprüft?

Christine Dankbar kommentiert in der Berliner Zeitung:

Über die vergangenen zehn Jahre betrachtet, war in 75 Prozent aller Steuerprüfungsfälle eine Nachzahlung fällig. Nirgendwo lohnt sich der Einsatz von Personal mehr als in diesem Bereich. Die Steuerbeamtinnen und -beamten spielen mit den Prüfungen ihr Gehalt somit quasi selbst ein.

Die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch mahnt:

Wenn die Bundesregierung die Steuern nicht erhöhen will, dann sollte sie wenigstens dafür sorgen, dass Einkommensmillionäre ihre Steuern ordentlich bezahlen.