"Nicht unproblematisch": Wissing kritisiert Überbau von Netzen durch die Telekom

Digitalminister Volker Wissing beäugt das Rosinenpicken der Telekom beim Netzausbau skeptisch. Musk will er freundlich begegnen, weiß aber: "He is special."

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Digitalminister Volker Wissing (re.) auf der re:publica 2023.

(Bild: Stefan Krempl)

Lesezeit: 4 Min.

Die Sorgen von Wettbewerbern der Deutschen Telekom, dass Deutschland aufgrund des unkoordinierten Glasfaserausbaus die Zielvorgaben der Bundesregierung verfehlen könne, teilt Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) zwar nicht direkt. Er halte den Überbau bereits bestehender Leitungen von Konkurrenten durch den Platzhirschen in attraktiven Lagen wie Köln, bei Augsburg oder in München aber trotzdem für "nicht unproblematisch", ließ der Liberale am Dienstag auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin durchblicken.

Es gebe "unterschiedlich große Anbieter in diesem Bereich, die miteinander nicht immer zufrieden sind", schilderte Wissing das Problem aus seiner Sicht. Wettbewerber etwa aus dem Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas) werfen der Telekom vor, sich die Rosinen herauszupicken und so einen flächendeckenden Ausbau mit Hochgeschwindigkeitsnetzen zu verzögern. "Wir besprechen solche Dinge auf europäischer Ebene", sagt Wissing, hält aber ein sofortiges Einschreiten für unnötig. Die EU-Wettbewerbsregeln müssten in jedem Fall eingehalten werden.

Trotz der Auseinandersetzungen zwischen wichtigen Marktakteuren zeigte sich Wissing weiter zuversichtlich, die Vorgaben aus der Gigabit- und der Digitalstrategie der Bundesregierung erreichen zu können. Demnach sollen bis 2025 50 Prozent und bis 2030 alle Haushalte mit Glasfaser und 5G versorgt werden können. "Überall dort, wo Menschen arbeiten, leben und unterwegs sind", bräuchten sie schnelles Internet, verdeutlichte Wissing das Ziel. Experten halten vor allem den kleinteiligeren Ausbau von 2025 an für besonders schwer zu meistern.

Deutschland sei bisher in Europa mit dem Glasfaserausbau "sehr gut vorangekommen" und liege dort mittlerweile auf Platz 4, schätzt Wissing die Lage ein. "Wir wollen kein staatliches Netz", aber auch "keine Resterampe der weißen Flecken", gab er als Parole aus. Es gelte daher, das Förderprogramm so zu gestalten, "dass am Ende nicht der marktwirtschaftliche Ausbau darunter leidet". Die Zusagen aus der Branche, weiter "kräftig zu investieren", stimmten ihn positiv. Einen Stopp der staatlichen Unterstützung habe es nie gegeben. Die vom Bundestag zugewiesenen Haushaltsmittel seien im vorigen Herbst aber aufgrund einer plötzlichen Flut von Anträgen aufgebraucht gewesen. Es habe sich trotzdem "keinerlei Verzögerung ergeben". Inzwischen stehe die neue Gigabit-Förderlinie, die Netzbetreiber aber skeptisch sehen.

Die Digitalstrategie mit ihren gemeinsamen Hebelprojekten wie Datenverfügbarkeit und Standardisierung sowie Leuchttürmen für einzelne Ressorts wie die digitale Identität oder Kfz-Zulassung umzusetzen, bezeichnete Wissing als "Kraftakt" angesichts des großen Nachholbedarfs. Kritik aus dem Beirat, dass sich deren Arbeit auf eine Prüfung von früher verkorksten Projekten beschränke, kann er "nicht nachvollziehen".

Das vielfach debattierte Digitalbudget hält er nicht unbedingt für nötig. Dieses müsse nur dann kommen, wenn für die vereinbarten Dinge die Haushaltsmittel der jeweiligen Ressorts nicht ausreichten. Oft scheitere die Umsetzung aber "an ganz anderen Dingen als Geld", nämlich rechtlichen Fragen und Bedenkenträgern.

Das von ihm gepostete Selfie mit Elon Musk nach einem "konstruktiven" Gespräch mit dem Twitter-Inhaber und Tesla-Gründer Anfang des Jahres im Silicon Valley habe er als "witzig" empfunden, berichtete Wissing. "Bei allen Schwierigkeiten der Plattformregulierung" müsse es noch möglich sein, sich freundlich zu begegnen. Dass Musk inzwischen seine Zusage aufgegeben habe, die Selbstverpflichtung Twitters im Rahmen des von der EU-Kommission ins Leben gerufenen Verhaltenskodex Desinformation einzuhalten, kritisiere er. Nicht bewerten wollte er aktuelle Tweets des Twitter-Eigentümers, der damit vielfach Rechtsaußen verortet wird: "Das ist nicht meine Aufgabe." Er räumte aber ein: "He is special."

Künstliche Intelligenz (KI) werde "massivste Auswirkungen auf unsere Wettbewerbsfähigkeit haben", meint der Minister. Auf der Wirtschaftsseite sei er daher dafür, die Schlüsseltechnik "innovationsfreundlich" zu regulieren und nicht zu verbieten. Transparenz und Demokratie müssten aber gewahrt bleiben. Von Predictive Policing, Social Scoring und insbesondere biometrischer Massenüberwachung, die die EU mit der geplanten KI-Verordnung anpacken will, halte er aber "gar nichts". Solche Beschattungsmöglichkeiten "sollten wir nicht zulassen".

Genauso brauche es "freie Kommunikation in Chats" sowie geschützte, verschlüsselte Räume im Netz, knüpfte der Freidemokrat an seinen – auch bereits 2022 auf der re:publica vorgetragenen – Widerstand etwa gegen die von der Kommission vorangetriebene Chatkontrolle an. Sonst änderten die Nutzer ihr Verhalten und kommunizierten nur noch ganz wenig. Auch er schreibe als Politiker online nur noch möglichst wenig – aus der Erfahrung, dass Äußerungen sonst oft "in merkwürdigen Kontext gestellt" würden.

(olb)