Europäische Zeitungsverleger kündigen neue Internet-Offensive an

Der Europäische Zeitungsverlegerverband ENPA will künftig konsequenter auf eine Bezahlung von Zeitungsinhalten im Internet drängen. Eine entsprechende Strategie hat der ENPA-Präsident Valdo Lehari jr. nun angekündigt.

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Von
  • Matthias Röder
  • dpa

Die Verlage in Europa wollen selbstbewusster und konsequenter auf eine Bezahlung ihrer Inhalte auch im Internet drängen. Eine entsprechende Strategie hat der Präsident des Europäischen Zeitungsverlegerverbands (ENPA), Valdo Lehari jr., angekündigt. "Wir brauchen eine wehrhaftere Grundeinstellung für wertvolle Inhalte", sagte Lehari in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die Verlage müssten auch mit Google und anderen Suchmaschinenbetreibern über eine angemessene Vergütung von redaktionellen Inhalten reden.

"Wir wollen unsere Strategie von Schweden bis Italien koordinieren und jetzt Gas geben", sagte Lehari, der auch Verleger des Reutlinger General-Anzeigers ist. Die Zeitungsverleger in Belgien hätten bereits erfolgreich gegen Google geklagt und die italienischen Zeitungsverleger ein Kartellverfahren gegen Google eingeleitet. In Brüssel rücke, ausgelöst unter anderem vom Vergleichsvorschlag von Google an die US-amerikanischen Buchverleger, der gesamte Themenkomplex deutlich stärker in den Vordergrund.

Es geht laut Lehari in Europa nicht nur um das Nutzen von redaktionellen Inhalten und Angeboten der Verlage durch Dritte. Die deutschen Verleger haben nach seinen Angaben kein formales Verfahren beim Bundeskartellamt eingeleitet. Vielmehr seien der Behörde die Bedenken bekannt, ob Google bei der Anzeige von Suchergebnissen unfair und wettbewerbswidrig vorgehe.

Lehari vertritt als ENPA-Präsident Zeitungsverleger aus 26 Ländern mit insgesamt 5200 Zeitungen. Er begrüßte die jüngsten Versuche von Verlegerorganisationen und zahlreicher Großverlage, die "Kostenlos-Kultur" im Internet zu bekämpfen: "In der Überzeugung, dass es mit dem kostenlosen Angebot so nicht weitergehen kann, gibt es europaweit ganz große Übereinstimmung." Dies könne eine Grundlage für weitere Schritte sein.

Allerdings sei in der Verlagsbranche in puncto Konsequenz noch Überzeugungsarbeit zu leisten. "Wenn zum Beispiel das Leistungsschutzrecht kommt und die bislang gelebte Einstellung gegenüber den Suchmaschinenbetreibern bleibt, ist nicht viel gewonnen", so Lehari. Er erwartet konkrete rechtliche Regelungen zum Leistungsschutzrecht in den nächsten Monaten: "Ich freue mich über den Erkenntnisprozess, dass wertvolle geistige Werke, Güter und Leistungen nicht einfach kostenlos gestohlen werden können."

Von der Politik fordert der Verlegerpräsident keine unmittelbare Unterstützung für die wirtschaftlich und strukturell gebeutelte Medienbranche, aber bessere Rahmenbedingungen. Die beste Hilfe der Regierung wäre es, einen Teil der Gesetze und Einschränkungen wie Werbereglementierungen und Zugangsbeschränkungen zurückzudrehen: "Wir wollen freier atmen können und brauchen wieder mehr Sauerstoff für publizistische und unternehmerische Freiheit." Dies sei keine isolierte deutsche Position, sondern gemeinsamer Wille der Mehrheit der Medien in Europa.

Insofern seien die Verleger höchst verwundert, dass die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesumweltministerium, entgegen eigener Ankündigung neue Werbe-Regeln nicht verhindert habe, sagte Lehari. Die EU habe ohne ein Veto aus Berlin beschlossen, dass künftig in der Werbung zum Beispiel für Kühlschränke und andere energieverbrauchende Produkte wie Fernseher deren Energie-Effizienz angegeben werden muss. Dies sei ein erneuter Angriff auf die Werbefreiheit.

Die Lage der Medienhäuser in Deutschland ist nach Leharis Ansicht weiterhin wesentlich besser als die vieler Verlage im europäischen Ausland und erst recht als in den USA. Auch im Krisenjahr 2009 sei nicht nur gespart worden. Es werde erfreulicherweise in zunehmendem Maße in neue Ideen und Produkte wie Sonderpublikationen und Magazine investiert. "Die Suche nach der Nische und der digitalen Zukunft läuft auf Hochtouren."

Die Bedeutung der Zeitung sei ohnehin nicht nur an der leicht sinkenden Auflage zu messen. Vielmehr habe die Zeitung dank großer Reichweite und unangefochtener Glaubwürdigkeit weiterhin eine herausragende Rolle in der Medien-Landschaft. Für 2010 erwartet Lehari eine wirtschaftliche "Seitwärtsbewegung" in den Verlagen. (anw)