Opto-RAM

Weil sich Lichtpulse schlecht zwischenspeichern lassen, bleibt das Routing von Datenpaketen in den Knoten der Glasfasernetze auf aufwendige optisch/elektrische und elektrisch/optische Signalumwandlungen angewiesen. Ein optischer RAM-Chip könnte das ändern.

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Von
  • Richard Sietmann

Zur Übertragung von Information ist Licht hervorragend geeignet. Aber sobald es darauf ankommt, optische Datenpakete in den Netzknoten kurzzeitig aufzuhalten, bis die Steuerungsinformation in den Paket-Headern ausgewertet und der Lichtweg zum adressierten Ausgangsport geschaltet ist, zeigt es sich von seiner Schattenseite: Die flinken Lichtpulse, die über die Glasfaser mit Übertragungsraten von 10, 40 oder gar 100 Gigabit pro Sekunde ankommen, lassen sich selbst kurzzeitig bisher nicht vernünftig zwischenspeichern.

Das Fehlen geeigneter Puffer ist einer der Gründe, weshalb es in den Netzknoten noch kein Optical Packet Switching gibt. Stattdessen muss – und das wird mit steigenden Übertragungsraten immer aufwendiger – in den Switches und Routern das optische Signal erst in ein elektrisches transformiert werden; die Paketvermittlung findet auf der elektrischen Ebene statt und anschließend erfolgt wieder die Umsetzung in ein optisches Signal.

Die Zwischenspeicherung von Datenpaketen in optischen Verzögerungsleitungen – in denen das Signal quasi eine Auszeit nimmt, indem es einen Ring mehrfach durchläuft, bevor es wieder eingefädelt und weiterverarbeitet wird – ist zwar ein Notnagel für Laborexperimente, aber keine praktikable Lösung. Die kilometerlangen Verzögerungsleitungen auf Glasfasertrommeln benötigen viel Platz und erlauben keinen wahlweisen Zugriff („Random Access“) auf einzelne Bits oder Datenpakete.

Seit geraumer Zeit wird daher in der Photonik intensiv an „All-Optical Flip-Flops“ (AOFFs) gearbeitet. Das Ziel sind rein optisch arbeitende bistabile Kippschaltungen, die nach demselben Prinzip wie elektronische Flipflops funktionieren: Ein geeigneter Eingangsimpuls bewirkt das „Kippen“ in einen der beiden stabilen Zustände – und dieser wird solange beibehalten, bis ein Impuls auf dem zweiten Eingang das Kippen in den anderen Zustand herbeiführt. Ähnlich wie die Vorbilder in der Elektronik sollten AOFFs integrationsfähig und skalierbar sein, damit beim Zusammenfügen zu Speichern hoher Kapazität keine neuen Hindernisse auftreten und aus einzelnen Zellen Random Access Memory (RAM) aufgebaut werden kann.

Schematischer Querschnitt durch den Mikroscheiben-Laser (InP auf SOI), der als Prototyp zur Messung der Bistabilität diente. Für einen vollständigen Flipflop müsste zum Auslesen der Information noch ein zweiter Wellenleiter integriert werden.

Dazu sind eine Reihe unterschiedlicher Ansätze bereits vorgeschlagen oder demonstriert worden, die bistabile Effekte in aktiven und passiven optischen Komponenten wie Laserdioden, Halbleiterlaser-Verstärkern oder Mikroring-Resonatoren ausnutzen. Aber die Schlüsselparameter sind die benötigte Zellfläche, die Schaltenergie pro Bit sowie die Schaltgeschwindigkeit – und daran hapert es in den meisten Fällen. Einer der kleinsten AOFFs, die bisher zu einer photonisch integrierten Schaltung auf einem Chip zusammengefügt wurden, besteht aus zwei gekoppelten Ringlasern von je 16 µm Durchmesser und der Flipflop nimmt insgesamt eine Zellfläche von 40 x 18 µm2 (Quadratmikrometer) in Anspruch.

Jetzt ist einem Team von Wissenschaftlern des belgischen IMEC und der Universität Gent, der TU Eindhoven und des Institute for Nanotechnology (INL) in Lyon offenbar ein entscheidender Durchbruch gelungen. In Nature Photonics (Advance Online Publication v. 24. 1. 2010) konnten sie nicht nur einen neuen Miniaturisierungsrekord auf eine Grundfläche von 7,5 x 7,5 µm2 vermelden; der realisierte AOFF kommt auch mit den bislang geringsten Schaltenergien von 1,8 Femtojoules pro Bit aus und als Schaltzeit haben die Forscher 60 Pikosekunden gemessen. Die Schaltzeiten von CMOS-RAMs liegen vergleichsweise in der Größenordnung von einigen 100 Pikosekunden und hinsichtlich der Schaltenergien haben die Strategen der Halbleiterentwicklung in der International Technology Roadmap for Semiconductors (ITRS) gegen Ende des Jahrzehnts mit der 20-nm-CMOS-Generation erst Werte von 0,1 Pikojoules pro Bit angepeilt.

Glasfaser-Schaltkasten von Alcatel-Lucent

Vor allem aber konnte das elfköpfige belgisch-holländisch-französische Team den optoelektronischen Flipflop erstmals auf einem SOI-Substrat aufbauen, so dass die Herstellung der Chips mit der etablierten CMOS-Prozesstechnik verträglich bleibt. Im Kern besteht der AOFF aus einem Mikroscheiben-Laser aus Indiumphosphid, in dem das Licht aufgrund der scheibenförmigen Resonatorgeometrie von 0,5 µm2 Höhe und 7,5 µm2 Durchmesser im oder gegen den Uhrzeigersinn kreist. Zwischen diesen beiden Laser-Moden kann durch die Einkopplung eines kurzen, gegenläufigen optischen Pulses umgeschaltet werden.

Für einen vollständigen Flipflop müsste zum Auslesen des Zustands noch ein zweiter Wellenleiter in das SOI-Substrat integriert werden, was im weiteren Verlauf des Projekts und einem Redesign des Chips auch auf dem Programm steht. „Das ist kein fundamentales Problem mehr“, meint Projektleiter Geert Morthier von der Universität Gent. Aber mit den jetzt am Prototyp nachgewiesenen Parametern kann die Diskussion der Forscher über die optimale Arbeitsteilung zwischen Photonik und Elektronik in den künftigen Netzen, für die heute noch der Grundsatz „optisch übertragen, elektronisch speichern und schalten“ gilt, nun in eine neue Runde gehen. (pmz)