BGH: Dossier mit Altmeldungen über Sedlmayr-Mörder zulässig

Der Bundesgerichtshof hat Urteile früherer Instanzen aufgehoben, in denen sich die Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr dagegen gewehrt hatten, dass alte Meldungen über sie mit Namensnennung und Fotos bereitgestellt wurden.

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Die Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr haben sich juristisch dagegen gewehrt, dass alte Meldungen über sie bei Spiegel online in einem kostenpflichtigen Dossier bereitgehalten wurden. In dem Dossier unter dem Titel "Walter Sedlmayr: Mord mit dem Hammer" wurden die Namen der Verurteilten genannt und kontextbezogene Bilder von ihnen gezeigt. In den Vorinstanzen hatten sich die Kläger durchsetzen können. Auf die durch Spiegel online angestrengte Revision hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klagen abgewiesen (VI ZR 243/08 und VI ZR 244/08).

Die Kläger wurden 1993 wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Jahr 2004 stellten sie Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, vor deren Zurückweisung sie sich an die Presse wandten. Im Sommer 2007 beziehungsweise Januar 2008 wurden sie auf Bewährung entlassen. Der BGH hatte bereits im Dezember 2009 eine Klage der Verurteilten gegen den Deutschlandfunk abgewiesen, der die Mitschrift eines alten Rundfunkbeitrages bereithielt, in dem die Namen der Kläger genannt wurden.

Der BGH knüpfte nun an die Argumentation in dem Urteil vom Dezember an. Das Bereitstellen der Meldungen sei zwar ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger, in diesem Fall trete aber ihr Schutzinteresse hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurück. Das Dossier sei nicht geeignet, die Kläger "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise "an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", die sie als Straftäter neu stigmatisieren könnte.

Die Meldungen in dem Dossier enthielten sachbezogene, wahrheitsgemäße Aussagen über ein Verbrechen, das erhebliches öffentliches Aufsehen erregt hatte, erläuterte der BGH weiter. Unter anderem wegen der Schwere des Verbrechens und der Bekanntheit des Opfers seien die Meldungen zum Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung zulässig gewesen. Daran habe sich trotz der zwischenzeitlich erfolgten Entlassung der Kläger aus der Haft nichts geändert.

Dem Dossier kam nach Meinung des BGH nur eine geringe Breitenwirkung zu, da es nur Altmeldungen enthielt, nur durch gezielte Suche gefunden werden konnte und nur kostenpflichtig abrufbar war. Ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit bestehe nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren. Die Meinungs- und Medienfreiheit würde in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn der Beklagte dazu verpflichtet wäre, Altmeldungen nach Ablauf einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren. (anw)