Alternatives Kompensationssystem für Künstler verzweifelt gesucht

Um restriktive DRM-Systeme und die Massenkriminalisierung von Tauschbörsen-Nutzern zu verhindern, setzen Forscher und Verwerter auf eine Verstärkung pauschaler Abgaben.

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Forscher und Verwertungsgesellschaften setzen auf eine Ausdehnung pauschaler Vergütungssysteme für Urheber, um den flächendeckenden Einsatz restriktiver Systeme zum Digital Rights Management (DRM) sowie die Massenkriminalisierung von Tauschbörsen-Nutzern zu verhindern. "Es herrscht dringender Handlungsbedarf", konstatierte der Züricher Dozent für Medienökonomie Felix Stalder am Samstag auf dem Berliner Symposium DRM und Alternativen. Peer-to-Peer-Netze (P2P) seien nicht mehr abzustellen und zudem eine sehr effiziente Infrastruktur zum Vertrieb digitaler Güter. Die Musik- und die Filmindustrie müssten sie daher nutzen, statt gegen die User mit einer Welle von Strafverfahren wie in den USA vorzugehen.

Dafür werde aber ein neues Verwertungssystem benötigt, das den Ausfall der bisherigen Vergütungen über Tonträger und Rundfunklizenzen kompensiert. Zuvor hatten sich auf der Tagung bereits Fraunhofer-Forscher für eine Liberalisierung von DRM stark gemacht.

Hintergrund der gesteigerten Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten für Kreative ist die Krise der Musikindustrie. Für deren Tiefe spricht, dass inzwischen selbst das lange Zeit symbiotische Verhältnis zwischen den Tonträgerherstellern und musikalischen Verwertungsgesellschaften zerrüttet ist. Es müsse den großen Labels "unendlich schlecht gehen", zeigte sich Jürgen Becker, Chefsyndikus der GEMA, enttäuscht von den alten Partnern, "wenn sie ihre Probleme auf den Rücken derer austragen wollen, die ihr Geschäft letztendlich erst ermöglichen." Er verwies damit auf das Vorhaben der deutschen Phonowirtschaft, Urhebern den Lohn um die Hälfte zu kürzen.

Becker bezog eine Position, die mit welcher der Musik- und Filmindustrie über Kreuz liegt. DRM habe zwar "einen Klang in den Ohren der Komponisten", die vor allem auf das Handy als sicheres Empfangsgerät für ihre Inhalte setzen würden. Doch letztlich lasse sich mit der Kontrolltechnik "nicht alles schützen". Die von den großen Medienkonzernen angefeindete Privatkopie dürfe daher keineswegs verboten werden. Sonst gäbe es ein Urheberrechtsgesetz, an das sich keiner halten würde. Um eine angemessene Vergütung der Künstler sicherzustellen, seien Pauschalsysteme unerlässlich.

Stalder geht einen Schritt weiter und fordert den Aufbau völlig neuer Verwertungsgesellschaften für den Online-Bereich. In deren Kassen sollen die Surfer eine pauschale Abgabe von etwa 15 Prozent der Kosten für ihren Breitbandzugang einzahlen und dafür frei kopieren dürfen. Die Ausschüttung an die Künstler könne am besten über eine Kompensation anhand der Popularität vervielfältigter und über P2P-Börsen ausgetauschter Stücke bemessen werden. Dazu müssten alle in das System eingebrachten Dateien registriert und mit einem Digital Object Identifier (DOI) markiert werden.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist für den Medienwissenschaftler die im Dezember getroffene Entscheidung der Urheberrechtswächter Kanadas, auf digitale Abspielgeräte wie MP3-Player eine 20-prozentige Abgabe zu erheben. Dies sei eine "indirekte Anerkennung der sozialen Wirklichkeit", da es P2P akzeptiere und aus der illegalen Ecke heraushole. Stalder begrüßte zudem, dass das Europäische Parlament Mitte Januar einen Report angenommen habe, in dem sowohl DRM als auch die traditionellen Verwertungsgesellschaften aufgrund ihrer Monopolstruktur als "unzulänglich" bezeichnet werden. (Stefan Krempl)/ (tol)