„Maschinen, die denken können“

Viel zu früh endete das Leben des exzentrischen Mathematikers und Computerpioniers - ein historisches Gespräch mit Alan Turing.

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Viel zu früh endete das Leben des exzentrischen Mathematikers und Computerpioniers - ein historisches Gespräch mit Alan Turing.

Professor Turing, vertreten Sie wirklich die Auffassung, dass Maschinen denken können?

Turing: Ich bin davon überzeugt, dass Maschinen gebaut werden können, die in der Lage sind, die Funktionsweise des Gehirns nachzubilden. Wenn Sie so wollen, sind das Maschinen, die denken können.

Aber woher nehmen Sie Ihre Gewissheit – jetzt, im Jahr 1951?

Ich sage ja nur, dass es möglich wäre. Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Arbeit. Wir wissen zwar noch nicht genau, wie es geht. Aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es solche Maschinen, solche digitalen Computer, geben wird. Sie müssen sich das wie in einem Krimi vorstellen: Am Anfang der Ermittlungen ist jedes Detail wichtig für den Ermittler. Erst wenn das Problem gelöst ist, kann man sagen, was wesentlich ist und was unwesentlich.

INehmen wir an, Sie haben recht und können so eine Maschine bauen. Wäre das nicht gefährlich?

Nein. Natürlich kann es sein, dass Computer sich als überlegen erweisen. Aber so ist das Leben. Wir sind den Schweinen überlegen und den Tauben, auch wenn denen das nicht gefällt. Und wir können immer noch den Stecker rausziehen, wenn Computer uns bedrohen.

Menschen haben neue Ideen, Fantasie – wo soll eine Maschine das hernehmen?

Das Argument ist nicht neu – schon Ada Lovelace war dieser Auffassung, die Assistentin des großen Charles Babbage, der ja bekanntermaßen die erste analytische Maschine gebaut hat: Eine programmierbare Rechenmaschine ist wie ein Soldat, der die Befehle seines Offiziers ausführt. Aber das gilt nicht für meine analytische Maschine. Die ist universell – mit der können Sie alles machen. Sie können ihr simple Anweisungen geben, jede für sich ganz einfach und logisch. Aber miteinander kombiniert ergeben sie manchmal ein Resultat, das Sie nicht vorhersagen können. Meine mathematischen Arbeiten haben das eindeutig gezeigt.

Können Sie das näher erläutern?

Sagt Ihnen der Name David Hilbert etwas? Nein? Kurt Gödel? Auch nicht? Es ist wirklich ein Jammer, dass die Leute Filmstars kennen, aber nicht einen einzigen großen Mathematiker. Die Zahlentheoretiker haben sich auch mit philosophischen Fragen befasst – der Natur der Realität und all diesen Dingen. Bereits 1936 ist es mir gelungen, eine der entscheidenden Fragen zu klären, die diese Leute noch nicht beantwortet hatten: Gibt es ein Verfahren, mit dessen Hilfe man überprüfen kann, ob ein mathematischer Satz beweisbar ist oder nicht? Die Antwort lautet: Nein. Ich konnte das zeigen, indem ich mir eine hypothetische Rechenmaschine ausgedacht habe. Dabei ist mir klar geworden, wie universell diese Maschinen wirklich sind.


Mittlerweile haben Sie Ihre Maschine gebaut?

Zumindest etwas, was meiner Idee nahe kommt. Aber die „Mark I“, so heißt die Maschine, ist ungeheuer empfindlich. Jedes Auto, das vorbeifährt, produziert merkwürdige Zeichen im Speicher. Ich habe ein Schach-Programm geschrieben, aber die Kapazität des Rechners reicht einfach nicht aus. Also habe ich das Programm von Hand getestet. Jede einzelne Operation, so wie sie der Rechner ausführen würde. Die Berechnung eines einzigen Zuges hat 90 Minuten gedauert. Aber es hat funktioniert!
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(kd)